Der Sohn des Malers an der »Tür zur Ewigkeit«
Franz Joseph Soll porträtierte in der Pfarrkirche von Alzgern sich selbst, seine Frau und seine Söhne
Das letzte große Freskenwerk des Trostberger Malers Franz Joseph Soll (1734-1798) ist zugleich auch das »sprechendste« und persönlichste seines ganzen Schaffens. Es handelt sich um die Wand- und Deckenbilder der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Alzgern östlich von Neuötting, die bis zur Säkularisation zum Chorherrenstift Altötting gehört hat. Die farbenfrohen Bilder sind bis heute in erstaunlicher Frische erhalten geblieben.
Die Pfarrkirche von Alzgern ist ziemlich klein, denn sie hat immer noch die gleichen Ausmaße wie im 13. Jahrhundert. Die Umfassungsmauern des Langhauses und der Kirchturm bis zur Glockenstube stammen aus der Erbauungszeit. Nur der Chor der Kirche wurde im 15. Jahrhundert neu erbaut und das Langhaus wurde gleichzteitig gotisch eingewölbt. Damals hieß der Kirchort noch nicht Alzgern sondern Sanktmarienkirchen, im Volksmund kurz »Samarei« genannt. Der Name Alzgern hingegen war keine Ortsbezeichung sondern galt für den ganzen Landzipfel östlich von Neuötting zwischen Alz und Inn. In den Jahren 1787/88 wurde die Kirche im Inneren barockisiert, ihr Äußeres jedoch fast unverändert gelassen. Die Barockisierung bestand hauptsächlich darin, dass die gotischen Gewölberippen abgeschlagen wurden, um dem Kirchenmaler günstigere Flächen für seine Freskantenarbeit zu schaffen.
Dadurch erhielt Soll für seine Deckenbilder bessere Gestaltungsmöglichkeiten, doch ideal war diese Malfläche trotzdem nicht. Es ist schon erstaunlich, dass er dennoch das ganze Langhausgewölbe zu einer Einheit zusammenfassen konnte, nämlich zu einem großen gemalten Thronsaal. Dieser Festraum beginnt bereits hinten über der Orgelempore mit dem halbgeöffneten, von mehreren Wächtern beschützten Portal, durch das ein junger Mann in den Saal hineinschaut. Unter dem Portal steht die Künstlersignatur: »F. Joseph Soll. pinxit. 1788«. Auf beiden Seiten des Langhausgewölbes setzt sich die Architekturmalerei bis zum Chorbogen fort, begrenzt durch gemalte Stuckornamente. In einer der »Logen« des gemalten Saales hat sich Soll zusammen mit seiner zweiten Frau Rosalia porträtiert.
Vor dem Chorbogen ist jene Stirnseite des Saales an die Decke gemalt, um derentwillen diese illusionistische Dekoration geschaffen worden ist: Dort sitzt über einem mehrstufigen Podest König Ahasver (Xerxes) auf einem baldachinüberwölbten Thron und vor ihm bittet die Königin Esther für das durch eine höfische Intrige gefährdete jüdische Volk. Im Gegensatz zu heute, wo nur noch eine Minderheit derartige Zusammenhänge versteht, wußssten früher die Kirchenbesucher durch Religionsunterricht und Predigt, was mit diesem Bild gemeint war. Schon immer galt nämlich den Christen die alttestamentarische Königin Esther als Symbol für die Mittlerfunktion Mariens zwischen Gott und den Menschen. Man findet ähnliche darstellungen in vielen barocken Marienkirchen. In Alzgern wird im Chor der Kirche dieses Symbol in das Neue Testament und in die Entstehungszeit dieser Fresken fortgesetzt. Auf dem dortigen Deckenbild knien in variantenreicher, ländlicher Rokokokleidung die Männer und Frauen von Alzgern zusammen mit ihrem Pfarrer vor ihrer Kirche und darüber schwebt inmitten von Wolken und Engeln Maria mit dem segnenden Jesuskind. Darunter sind zu beiden Seiten des Hochaltares zwei weitere Darstellungen an die Chorwände gemalt. Sie erscheinen dem Kirchenbesucher von heute an dieser Stelle ziemlich rätselhaft, denn sie zeigen den reumütigen Apostel Petrus mit dem krähenden Hahn und die Büßerin Maria Magdalena. Um den Symbolgehalt dieser Bilder zu verstehen muss man wissen, dass davor früher die beiden Beichtstühle der Kirche standen. Sie weisen also auf Reue und Buße hin.
Franz Joseph Soll hat in Alzgern nochmals alle Register seines in vielen Schaffensjahren gereiften Könnens gezogen, obwohl der kleine Kirchenraum mit dem tief herabgezogenen Gewölbe ihm die Arbeit sicherlich schwer machte. Wie
schwer sie ihm vielleicht auch aus anderen Gründen fiel, das lässt sich nur vermuten, aber nicht zweifelsfrei beweisen. Je länger man nämlich die Deckenmalerei über der Orgelempore betrachtet, desto mehr drängt sich einem der Eindruck auf, dass hinter dem biblischen Geschehen sich eine große persönliche Tragik des Malers verbirgt, die mit Solls Sohn Johann Nepomuk zusammenhängen muss. Dieser war das einzige Kind, das für die Nachfolge des Vaters in der Malerwerkstatt in Frage kam, wie eine kurze Zusammenfassung der Familiendaten zeigt: Von Solls sechs Kindern aus seiner ersten Ehe mit Maria Juliana Schwarz lebten beim Tod der Mutter 1778 nur noch der am 10. Mai 1765 geborene Johann Nepomuk, der am 14. Februar 1767 geborene, anscheinend künstlerisch unbegabte Donat Valentin (gestorben am 25. Dezember 1834 in Trostberg als Badergeselle) und die nach 1805 gestorbene Tochter Josepha. Aus Solls zweiter, am 8. Februar 1779 mit Maria Rosalia Späth geschlossener Ehe gingen ebenfalls sechs Kinder hervor, von denen zwei überlebten, die aber beim Tod des Vaters am 9. Februar 1798 noch minderjährig waren.
Solls Altershoffnung ruhte also ganz auf Johann Nepomuk, von dem wir wissen, dass er in der Werkstatt des Vaters gelernt hat. Das bezeugt die bei der letzten Kirchenrestaurierung an der Rückwand des Hochaltars der St. Vitus-Kirche in Kirchweihdach gefundene Inschrift: »Johann Nepomuk Soll, bürgerlicher Malerssohn, 1785 Hochaltar gefaßt«.
Er war damals 20 Jahre alt. Weitere Werke können ihm nicht mit Sicherheit zugeschrieben werden, doch er dürfte ab frühestens 1780 bei vielen Arbeiten seines Vaters mitgewirkt haben. Vermutlich stammen die 14 Kreuzwegbilder in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Feichten von ihm. Es handelt sich dabei um detailgenaue aber in der künstlerischen Qualität weitaus schwächere Kopien der Kreuzwegtafeln in der Kirche von Niedergottsau, von denen eine mit »F. Joseph Soll Pictor in Trostberg 1785« signiert ist. Die Passionsbilder in Feichten können nur in der Sollschen Werkstatt im ständigen Vergleich mit den Originalen entstanden sein.
Von Johann Nepomuk Soll könnten auch die Lüftlmalereien an den Wänden des »Zuhauses« in Kronest bei Trostberg stammen. Sie wurden bisher seinem Vater zugeschrieben, doch diese Wandmalereien entsprechen nicht dem künstlerischen Niveau von Franz Joseph Soll. Auch die vermutete Entstehungszeit um 1765 ist falsch, denn die gemalten Girlanden rund um die Fenster und andere stilistische Details können erst um 1785/90 gemalt worden sein. Im Frühjahr 1788 lebte Johann Nepomuk noch, wie man aus einem Bittbrief Solls an das Land- und Pflegegericht Trostberg indirekt aus der dort angegebenen Kinderzahl erschließen kann. In Alzgern hat er vielleicht noch mitgearbeitet, doch es gibt nach dem Frühjahr 1788 kein weiteres Lebenszeichen mehr von ihm. Beim Tod des Vaters am 9. Februar 1798 war er jedenfalls nicht mehr am Leben.
Kehren wir nochmals zu unserer Schilderung der Deckenbilder in Alzgern und zu dem gemalten, halbgeöffneten Portal über der Orgelempore zurück! Auf den ersten Blick denkt man sich nichts weiter, als dass da ein neugieriger junger Mann einen Blick in den »Thronsaal« wirft. Doch dann fesselt einem immer mehr dessen rätselhafter Gesichtsausdruck, schwermütig und etwas entrückt, der mit Neugier so gar nichts zu tun hat. Schließlich kommt es einem so vor, als ob der junge Mann Abschied nehmend nochmals einen Blick zurück werfen würde. Zwei der Wächter deuten mit ihren Zeigefingern auf das Portal und ebenso aus einiger Entfernung die beiden Soll flankierenden Gestalten. Dieser aber breitet mit einer resignierenden Geste die Arme aus und schaut traurig auf den Betrachter herab. Dass es sich bei der Frau an Solls Seite um dessen zweite Gattin Maria Rosalia handelt, geht aus der Komposition ebenso hervor, wie aus der Ähnlichkeit der Gesichtszüge mit denen auf anderen Doppelporträts Solls. Unklar war bisher, ob der junge Mann rechts vom Ehepaar Soll, der mit der linken Hand zum Portal deutet und in der rechten ein hutähnliches Gebilde trägt, nicht nur kompositorisch sondern auch aus einem anderen Grund zu dieser Gruppe gehört. Der Form nach könnte es sich bei seinem »Hut« um eine der damals üblichen Baderschüsseln handeln. Damit wäre er eindeutig als Solls Sohn Donat Valentin identifiziert, denn dieser war von Beruf Bader, also ein »Barbierergeselle«, wie es später in den Nachlassakten heißt.
Man kann das alles natürlich als rein zufällig ansehen oder als zu phantasievollen Interpretationsversuch abtun. Aber es bleibt dennoch die Frage, ob nicht Johann Nepomuk Soll 1788, im Entstehungsjahr der Kirchenfresken, gestorben ist und ob ihm nicht sein Vater in der Kirche von Alzgern eine Erinnerungsstätte geschaffen hat. Wir wissen nicht, wann und wo er gestrorben ist. In den Kirchenbüchern von Trostberg und Alzgern ist sein Tod nicht vermerkt. Alle sonstigen Forschungen, beispielsweise in Altötting und Neuötting, haben bisher weder über den Zeitpunkt, noch den Ort, noch die Ursache seines frühen Todes irgendeinen Anhaltspunkt ergeben. Und so muss es damit sein Bewenden haben, bis vielleicht eines Tages durch einen Zufallsfund in irgendeinem Archiv doch noch Licht in das Geschehen gebracht werden kann. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang noch die Tatsache, dass Franz Joseph Soll auch die Decke der Totenkapelle in Alzgern mit symbolischen Darstellungen über Tod und Vergänglichkeit bemalt hat.
Franz Joseph Soll ist in der Kirche von Alzgern nicht nur als Freskant tätig gewesen. Auch die Ölgemälde der beiden Seitenaltäre von 1788 und 1789, rechts und links vom Chorbogen, tragen seine Signatur. Dargestellt ist links der Jägerpatron Sankt Eustachius, dem nach der Legende – wie dem heiligen Hubertus – auf der Jagd ein Hirsch mit dem Kreuz im Geweih erschienen sein soll. Auf dem rechten Seitenaltarbild schaut der Bauernpatron Sankt Wendelin vom Himmel segnend auf Mensch und Tier herab. Sogar die Brüstung der Kanzel hat Soll bemalt, und zwar mit einer Darstellung der Bergpredigt Jesu. Über den Gestalter der beiden Seitenaltäre und der Kanzel gibt es keine archivalischen Nachrichten. Doch auch sie dürften ein Werk des »Trostberger Rokokos« sein. Im Gegensatz zum Hochaltar, der 1847 regotisiert und 1938 in Rokokoformen erneuert wurde, blieben Seitenaltäre und Kanzel stilrein erhalten. Sie fügen sich genau in die übrigen Arbeiten des »Trostberger Zweigespanns« – die Bildhauerwerkstatt Kapfer und der Altarbauer Joseph Dersch – ein
AW
46/2002
Die Pfarrkirche von Alzgern ist ziemlich klein, denn sie hat immer noch die gleichen Ausmaße wie im 13. Jahrhundert. Die Umfassungsmauern des Langhauses und der Kirchturm bis zur Glockenstube stammen aus der Erbauungszeit. Nur der Chor der Kirche wurde im 15. Jahrhundert neu erbaut und das Langhaus wurde gleichzteitig gotisch eingewölbt. Damals hieß der Kirchort noch nicht Alzgern sondern Sanktmarienkirchen, im Volksmund kurz »Samarei« genannt. Der Name Alzgern hingegen war keine Ortsbezeichung sondern galt für den ganzen Landzipfel östlich von Neuötting zwischen Alz und Inn. In den Jahren 1787/88 wurde die Kirche im Inneren barockisiert, ihr Äußeres jedoch fast unverändert gelassen. Die Barockisierung bestand hauptsächlich darin, dass die gotischen Gewölberippen abgeschlagen wurden, um dem Kirchenmaler günstigere Flächen für seine Freskantenarbeit zu schaffen.
Dadurch erhielt Soll für seine Deckenbilder bessere Gestaltungsmöglichkeiten, doch ideal war diese Malfläche trotzdem nicht. Es ist schon erstaunlich, dass er dennoch das ganze Langhausgewölbe zu einer Einheit zusammenfassen konnte, nämlich zu einem großen gemalten Thronsaal. Dieser Festraum beginnt bereits hinten über der Orgelempore mit dem halbgeöffneten, von mehreren Wächtern beschützten Portal, durch das ein junger Mann in den Saal hineinschaut. Unter dem Portal steht die Künstlersignatur: »F. Joseph Soll. pinxit. 1788«. Auf beiden Seiten des Langhausgewölbes setzt sich die Architekturmalerei bis zum Chorbogen fort, begrenzt durch gemalte Stuckornamente. In einer der »Logen« des gemalten Saales hat sich Soll zusammen mit seiner zweiten Frau Rosalia porträtiert.
Vor dem Chorbogen ist jene Stirnseite des Saales an die Decke gemalt, um derentwillen diese illusionistische Dekoration geschaffen worden ist: Dort sitzt über einem mehrstufigen Podest König Ahasver (Xerxes) auf einem baldachinüberwölbten Thron und vor ihm bittet die Königin Esther für das durch eine höfische Intrige gefährdete jüdische Volk. Im Gegensatz zu heute, wo nur noch eine Minderheit derartige Zusammenhänge versteht, wußssten früher die Kirchenbesucher durch Religionsunterricht und Predigt, was mit diesem Bild gemeint war. Schon immer galt nämlich den Christen die alttestamentarische Königin Esther als Symbol für die Mittlerfunktion Mariens zwischen Gott und den Menschen. Man findet ähnliche darstellungen in vielen barocken Marienkirchen. In Alzgern wird im Chor der Kirche dieses Symbol in das Neue Testament und in die Entstehungszeit dieser Fresken fortgesetzt. Auf dem dortigen Deckenbild knien in variantenreicher, ländlicher Rokokokleidung die Männer und Frauen von Alzgern zusammen mit ihrem Pfarrer vor ihrer Kirche und darüber schwebt inmitten von Wolken und Engeln Maria mit dem segnenden Jesuskind. Darunter sind zu beiden Seiten des Hochaltares zwei weitere Darstellungen an die Chorwände gemalt. Sie erscheinen dem Kirchenbesucher von heute an dieser Stelle ziemlich rätselhaft, denn sie zeigen den reumütigen Apostel Petrus mit dem krähenden Hahn und die Büßerin Maria Magdalena. Um den Symbolgehalt dieser Bilder zu verstehen muss man wissen, dass davor früher die beiden Beichtstühle der Kirche standen. Sie weisen also auf Reue und Buße hin.
Franz Joseph Soll hat in Alzgern nochmals alle Register seines in vielen Schaffensjahren gereiften Könnens gezogen, obwohl der kleine Kirchenraum mit dem tief herabgezogenen Gewölbe ihm die Arbeit sicherlich schwer machte. Wie
schwer sie ihm vielleicht auch aus anderen Gründen fiel, das lässt sich nur vermuten, aber nicht zweifelsfrei beweisen. Je länger man nämlich die Deckenmalerei über der Orgelempore betrachtet, desto mehr drängt sich einem der Eindruck auf, dass hinter dem biblischen Geschehen sich eine große persönliche Tragik des Malers verbirgt, die mit Solls Sohn Johann Nepomuk zusammenhängen muss. Dieser war das einzige Kind, das für die Nachfolge des Vaters in der Malerwerkstatt in Frage kam, wie eine kurze Zusammenfassung der Familiendaten zeigt: Von Solls sechs Kindern aus seiner ersten Ehe mit Maria Juliana Schwarz lebten beim Tod der Mutter 1778 nur noch der am 10. Mai 1765 geborene Johann Nepomuk, der am 14. Februar 1767 geborene, anscheinend künstlerisch unbegabte Donat Valentin (gestorben am 25. Dezember 1834 in Trostberg als Badergeselle) und die nach 1805 gestorbene Tochter Josepha. Aus Solls zweiter, am 8. Februar 1779 mit Maria Rosalia Späth geschlossener Ehe gingen ebenfalls sechs Kinder hervor, von denen zwei überlebten, die aber beim Tod des Vaters am 9. Februar 1798 noch minderjährig waren.
Solls Altershoffnung ruhte also ganz auf Johann Nepomuk, von dem wir wissen, dass er in der Werkstatt des Vaters gelernt hat. Das bezeugt die bei der letzten Kirchenrestaurierung an der Rückwand des Hochaltars der St. Vitus-Kirche in Kirchweihdach gefundene Inschrift: »Johann Nepomuk Soll, bürgerlicher Malerssohn, 1785 Hochaltar gefaßt«.
Er war damals 20 Jahre alt. Weitere Werke können ihm nicht mit Sicherheit zugeschrieben werden, doch er dürfte ab frühestens 1780 bei vielen Arbeiten seines Vaters mitgewirkt haben. Vermutlich stammen die 14 Kreuzwegbilder in der Pfarr- und Wallfahrtskirche Feichten von ihm. Es handelt sich dabei um detailgenaue aber in der künstlerischen Qualität weitaus schwächere Kopien der Kreuzwegtafeln in der Kirche von Niedergottsau, von denen eine mit »F. Joseph Soll Pictor in Trostberg 1785« signiert ist. Die Passionsbilder in Feichten können nur in der Sollschen Werkstatt im ständigen Vergleich mit den Originalen entstanden sein.
Von Johann Nepomuk Soll könnten auch die Lüftlmalereien an den Wänden des »Zuhauses« in Kronest bei Trostberg stammen. Sie wurden bisher seinem Vater zugeschrieben, doch diese Wandmalereien entsprechen nicht dem künstlerischen Niveau von Franz Joseph Soll. Auch die vermutete Entstehungszeit um 1765 ist falsch, denn die gemalten Girlanden rund um die Fenster und andere stilistische Details können erst um 1785/90 gemalt worden sein. Im Frühjahr 1788 lebte Johann Nepomuk noch, wie man aus einem Bittbrief Solls an das Land- und Pflegegericht Trostberg indirekt aus der dort angegebenen Kinderzahl erschließen kann. In Alzgern hat er vielleicht noch mitgearbeitet, doch es gibt nach dem Frühjahr 1788 kein weiteres Lebenszeichen mehr von ihm. Beim Tod des Vaters am 9. Februar 1798 war er jedenfalls nicht mehr am Leben.
Kehren wir nochmals zu unserer Schilderung der Deckenbilder in Alzgern und zu dem gemalten, halbgeöffneten Portal über der Orgelempore zurück! Auf den ersten Blick denkt man sich nichts weiter, als dass da ein neugieriger junger Mann einen Blick in den »Thronsaal« wirft. Doch dann fesselt einem immer mehr dessen rätselhafter Gesichtsausdruck, schwermütig und etwas entrückt, der mit Neugier so gar nichts zu tun hat. Schließlich kommt es einem so vor, als ob der junge Mann Abschied nehmend nochmals einen Blick zurück werfen würde. Zwei der Wächter deuten mit ihren Zeigefingern auf das Portal und ebenso aus einiger Entfernung die beiden Soll flankierenden Gestalten. Dieser aber breitet mit einer resignierenden Geste die Arme aus und schaut traurig auf den Betrachter herab. Dass es sich bei der Frau an Solls Seite um dessen zweite Gattin Maria Rosalia handelt, geht aus der Komposition ebenso hervor, wie aus der Ähnlichkeit der Gesichtszüge mit denen auf anderen Doppelporträts Solls. Unklar war bisher, ob der junge Mann rechts vom Ehepaar Soll, der mit der linken Hand zum Portal deutet und in der rechten ein hutähnliches Gebilde trägt, nicht nur kompositorisch sondern auch aus einem anderen Grund zu dieser Gruppe gehört. Der Form nach könnte es sich bei seinem »Hut« um eine der damals üblichen Baderschüsseln handeln. Damit wäre er eindeutig als Solls Sohn Donat Valentin identifiziert, denn dieser war von Beruf Bader, also ein »Barbierergeselle«, wie es später in den Nachlassakten heißt.
Man kann das alles natürlich als rein zufällig ansehen oder als zu phantasievollen Interpretationsversuch abtun. Aber es bleibt dennoch die Frage, ob nicht Johann Nepomuk Soll 1788, im Entstehungsjahr der Kirchenfresken, gestorben ist und ob ihm nicht sein Vater in der Kirche von Alzgern eine Erinnerungsstätte geschaffen hat. Wir wissen nicht, wann und wo er gestrorben ist. In den Kirchenbüchern von Trostberg und Alzgern ist sein Tod nicht vermerkt. Alle sonstigen Forschungen, beispielsweise in Altötting und Neuötting, haben bisher weder über den Zeitpunkt, noch den Ort, noch die Ursache seines frühen Todes irgendeinen Anhaltspunkt ergeben. Und so muss es damit sein Bewenden haben, bis vielleicht eines Tages durch einen Zufallsfund in irgendeinem Archiv doch noch Licht in das Geschehen gebracht werden kann. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang noch die Tatsache, dass Franz Joseph Soll auch die Decke der Totenkapelle in Alzgern mit symbolischen Darstellungen über Tod und Vergänglichkeit bemalt hat.
Franz Joseph Soll ist in der Kirche von Alzgern nicht nur als Freskant tätig gewesen. Auch die Ölgemälde der beiden Seitenaltäre von 1788 und 1789, rechts und links vom Chorbogen, tragen seine Signatur. Dargestellt ist links der Jägerpatron Sankt Eustachius, dem nach der Legende – wie dem heiligen Hubertus – auf der Jagd ein Hirsch mit dem Kreuz im Geweih erschienen sein soll. Auf dem rechten Seitenaltarbild schaut der Bauernpatron Sankt Wendelin vom Himmel segnend auf Mensch und Tier herab. Sogar die Brüstung der Kanzel hat Soll bemalt, und zwar mit einer Darstellung der Bergpredigt Jesu. Über den Gestalter der beiden Seitenaltäre und der Kanzel gibt es keine archivalischen Nachrichten. Doch auch sie dürften ein Werk des »Trostberger Rokokos« sein. Im Gegensatz zum Hochaltar, der 1847 regotisiert und 1938 in Rokokoformen erneuert wurde, blieben Seitenaltäre und Kanzel stilrein erhalten. Sie fügen sich genau in die übrigen Arbeiten des »Trostberger Zweigespanns« – die Bildhauerwerkstatt Kapfer und der Altarbauer Joseph Dersch – ein
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