Jahrgang 2023 Nummer 48

Der Nikolaus im Stall

So war es damals in den Kriegsjahren am Nikolausabend

Es ist in den Kriegsjahren gewesen, ich selbst war drei oder vier Jahre alt und eswar der Tag, an dem der Nikolaus kommen sollte. Im selbigen Jahr hatte es schon früh zu schneien angefangen, sodass schon eine dicke Schneedecke über den Wiesen und Feldern lag. Auch das Kiesstrasserl herauf zu unserem abgelegenen Einödhof war zugeschneit. Doch der Großvater hatte auf meine ängstliche Frage hin, ob der Nikolaus durch den vielen Schnee überhaupt zu uns herauffinden würde, noch vor dem Finsterwerden den Blass vor den kleinen Schneepflug gespannt und eine kleine Spur gemacht.

Drinnen im Haus hatte die Großmutter inzwischen in der Küche und Stube die Fenster schon fest verdunkelt, damit kein Lichtschein in die Dunkelheit hinaus dringen konnte. Dies war in den Kriegsjahren allerstrengste Vorschrift. Auch im Stall hatten meine Tanten, trotz des dämmrigen Lichts, noch alte Stoffreste vor die kleinen Fenster gehängt.

Beim »Aufdnachtessen« drinnen in der Stube fragte ich alle am Tisch, ob der Nikolaus, wenn es so finster ist, auch zu uns herauffindet. Meine vier Tanten waren sich nicht so sicher, doch meine Mutter und die Großmutter versicherten mir, dass dieser bestimmt eine Laterne dabei hätte.

Der Großvater wollte nun nochmal im Rossstall nachschauen. Der alte Blass hatte nur wenig von dem Hafer gefressen, den dieser ihm noch extra in den Barren geschüttet hatte. Ich durfte mitgehen, streichelte dem Blass über seine Mähne und freute mich mit dem Großvater, dass sein Barren nun doch leer war.

Da plötzlich war es uns, als hörten wir von draußen Schritte durch den Schnee stapfen und gleichzeitig war das Scheppern einer schweren Kette zu hören. »Großvater, des is bestimmt da Nikolaus«, flüsterte ich aufgeregt dem Großvater zu.

Da bumberte es auch schon an die Stalltür.

Tante Marie, die inzwischen noch bei unserer Kuh, der Braunelle, die bald kalben sollte, nachgeschaut hatte, dachte bei dem lauten Geschepper vor Schreck an alles Mögliche in dieser Zeit, wo außer dem Großvater keine Männer im Haus waren. Kurzentschlossen nahm sie die Gabel mit dem Mist darauf, den sie gerade hinter den Kühen weggeräumt hatte und warf diesen mit einem Schwung zur Stalltüre, bei der gerade der Nikolaus und dicht dahinter der Krampus herein kamen.

»Jessas der Nikolaus«, entfuhr es Marie, teils erschrocken und teils erleichtert. Der Nikolaus aber hatte geistesgegenwärtig einen Schritt zur Seite gemacht, sodass das Geschütz genau den Krampus getroffen hatte. Dieser fluchte und schimpfte und drohte gleichzeitig der Marie, diese in seinen rupfernen Sack zu stecken. Da konnte selbst der Großvater, an den ich mich ängstlich geschmiegt hatte, ein leises Schmunzeln nicht verbergen. Dem Nikolaus aber war, mit einem Blick auf seinen rauhen Gesellen, durch seinen langen Bart ein tiefes, lautes Lachen entschlüpft.

Selbst der Fuchs und der Blass reckten ihre Köpfe und schauten verwundert auf die seltsamen Gestalten.

Da endlich dachte der Nikolaus wieder an den eigentlichen Zweck seines Kommens, machte mit seinem langen Stab einen Schritt auf mich zu und mit seiner tiefen Stimme meinte er lächelnd zu mir: »Gell Lisbeth, heut bin i glei im Stall drinnen zu dir kommen. Bist ja so brav und hilfst dem Großvater immer bei den Rössern«.

Inzwischen hatte Marie dem Krampus draußen vor der Stalltür reumütig sein Gesicht mit Schnee abgewaschen, sodass es ganz rot angelaufen war. Der Nikolaus aber erklärte lächelnd, sie hätten einen Lichtschein gesehen und im Finstern gemeint, es wäre die Haustür.

»Jetzt aber gemma eini in d' Stub'n«, bestimmte der Großvater und alle folgten dem Vorausgegangenen vom Rossstall hinein in den Hausgang. Ich, fest seine Hand haltend, hinter uns der Nikolaus, gefolgt vom Krampus und Tante Marie. So standen wir endlich in der warmen, gemütlichen Stube. Die Großmutter, meine Mutter und meine Tanten schauten ganz verdutzt auf den unerwarteten Anblick, hatten diese doch nichts von dem Nikolausbesuch im Stall gehört.

Nun war es aber höchste Zeit geworden für den Nikolaus, mir mein Säcklein zu geben. Zuvor aber fragte er mich noch, ob ich auch schon etwas beten könne? Ich nickte, faltete die Hände und begann: »Jesukindlein komm zu mir, mach ein frommes Kind aus mir, mein Herz ist klein, kann niemand hinein, als du mein liebes Jesulein«.

»Das hast du schön gebetet«, lobte mich der Nikolaus und gab mir mein Säckchen. Auf seine Frage: »Magst schaun, was drinnen ist?«, leerte ich dies freudig auf dem Stubenboden aus. Da purzelte allerlei heraus – Äpfel, Nüsse, gedörrte Zwetschgen die ich so gerne mochte, Lebkuchen und auch noch zwei Malstifte für mein Malbuch, das ich von meiner Taufgon zum Namenstag bekommen hatte.

Ganz aufgeregt gab ich dem Nikolaus die Hand und sagte »Gelts Gott, Heiliger Nikolaus«, denn mir war gerade noch eingefallen, dass meine Mutter mich ermahnte, dies ja nicht zu vergessen.

»Oiso nachat Pfüad Gott beinander, jetzt wirds höchste Zeit für uns«, brummte der Nikolaus, worauf alle in der Stube diesem noch eine Gute Nacht wünschten. Der Großvater schob den schweren Riegel an der Haustür zurück und beim Hinausgehen meinte der Nikolaus noch zum Großvater: »Im nachstn Jahr kimm i wieder bei der Haustür eina«.

»Nächts Jahr nimm i an größern Sack mit für di zum Einistecken«, brummte der Krampus noch zu Marie hin, schwang seine lange Rute drohend auf sie und trabte polternd mit dem Nikolaus hinaus in die Nacht.

Elisabeth Mader

48/2023