Der Holzbildhauer Georg Hallinger
Erinnerungen an den »Herrgottschnitzer von Traunstein«

Das Haus am Traundamm 5, rechts der Bildhauer, neben ihm seine Frau Amalia

Christuskopf, geschnitzt von Georg Hallinger.

Georg Hallinger, der Vater des Bildhauers.
Ein Foto, auf dem mehrere Personen vor einem kleinen Haus mit dem Firmenschild »Holzbildhauer« standen, machte uns neugierig und war der Auslöser für unsere Spurensuche. Es entstand vor uns das geistige Bild eines fleißigen Handwerkers und guten Familienvaters, der es als Künstler in der Provinz in einer Zeit mit zwei Weltkriegen – wie viele andere – sehr schwer hatte für den Familienunterhalt aufzukommen.
Am Traundamm in Traunstein, einem malerischen Straßenzug mit kleinen eng aneinander gebauten Häusern wohnte im letzten Jahrhundert der Holzbildhauer Georg Hallinger. Ein grosses Blech-Werbeschild über der Haustüre machte auf seine Künste aufmerksam.
Als Kind Georg Hallingers und dessen Ehefrau Therese, geborene Gschoßmann, wurde Sohn Georg am 13. September 1875 in Schwarzbachwacht geboren, wo er auch seine Kindheit verbrachte. Sein Vater war als Jäger bei dem in Reichenhall bekannten und einflußreichen Baron Freiherr von Karg1 angestellt. Zwischen beiden muss wohl auch ein gutes persönliches Verhältnis bestanden haben, denn Karg übernahm die Patenschaft für den jungen Georg. Schon früh zeigte sich beim Zeichnen und Schnitzen seine gestalterische Begabung. Der Firmpate legte daher mit seinem Firmgeschenk, einer vierjährigen Ausbildung an der 1858 gegründeten Distrikts-Zeichen- und Schnitzschule in Berchtesgaden, den Grundstein für Georgs späteren Beruf. Unter Leitung des bekannten Bildhauers August Kindl2 konnte er dort vor allem seine schnitztechnischen Fähigkeiten verbessern. Zur künstlerischen Weiterbildung folgten dann einige Studienjahre in München bei dem Bildhauer Professor Elsner, die Georg mit dem Diplom als Holzbildhauer abschloß.
Er heiratete am 12.05.1906 die fünf Jahre jüngere Bahnwärterstochter Amalia Wolfgruber. Das Paar zog in das Haus der Schwiegereltern am Traundamm 5 in Traunstein3 und erwarb dieses auch später. Familie Wolfgruber übersiedelte in das Haus Traundamm Nr. 7.
Im Lauf der Jahre stellten sich vier Kinder ein: Amalie, geboren am 07.12.1908 in Traunstein; Georg Silvester, geboren am 25.01.1914 in Traunstein. Dieser hatte Talent zum Malen und fertigte unter anderem Hinterglasbilder; ein nicht vollendetes Bild befindet sich noch im Familienbesitz. Er verstarb am 09.08.1944 in Polen. Ferner Maria, geboren am 08.03.1916 in Thal in der Gemeinde Högl. Amalie wohnte mit ihren Kindern während des ersten Weltkrieges bei Verwandten im Schlagschneideranwesen am Högl4 – der Vater war zum Kriegsdienst eingezogen. Und zuletzt Elisabeth, geboren am 24.01.1921 wieder in Traunstein.
Den Kindern war Hallinger nach deren Aussage ein guter Vater, schimpfte nie, die Erziehungsmaßnahmen blieben Aufgabe der Ehefrau.
Das bis heute weitgehend baulich unveränderte Haus – mit Ausnahme eines Balkonanbaues 1939 an der Hofseite - beherbergte zeitweise bis zu 12 Personen. Dennoch hatte auch der Holzbildhauer hier seine Werkstatt, in der er die Zeichnungen und Entwürfe seiner Arbeiten selbst fertigte.
Die in einem Zeitungsbeitrag von Paul Maier verwendete Bezeichnung »Herrgottschnitzer von Traunstein« macht deutlich, daß Hallinger sich besonders dem Korpus des Gekreuzigten in allen Dimensionen und Stilrichtungen widmete. Viele Bauernstuben im Chiemgau und Rupertiwinkel waren oder sind mit seinen Kruzifixen geschmückt.
Ein Werk ganz anderer Art schuf er 1906 durch Vermittlung des Reichenhaller Forstmeisters Strehle. Für eine Jubiläums-Ausstellung in Nürnberg entstand eine Nachbildung der Trift- und Holzhofanlagen der Reichenhaller Saline im Maßstab 1:500 mit einer Größe von 325 mal 80 Zentimeter. Gut restauriert wurde das Modell 1995 in der Traunsteiner Turnhalle im Rahmen der Landesausstellung »Salz macht Geschichte« gezeigt und ist ansonsten im Reichenhaller Heimatmuseum ausgestellt. Hallinger fertigte noch weitere Modelle, unter anderem der Trostberger Stickstoffwerke; deren Verbleib ist jedoch unbekannt.
Die Wiederherstellung alter Kunstwerke war eine weitere Vorliebe Hallingers. 1912 bei der Innenrenovierung der Ettendorfer Kirche, die auf Initiative von Stadtpfarrer Geistlicher Rat Dannegger und unter Aufsicht des Königlichen Generalkonservators der Kunstdenkmale und Altertümer Bayerns durchgeführt wurde übernahm er die Bildhauerarbeiten und das Ausbessern von Figuren und Ornamenten. Das Fassen, das heißt die farbige Bemalung, gehörte jedoch nicht zu seinen Aufgaben, dafür stand Malermeister Brandstetter aus Salzburg zur Verfügung. Wände und die Decke gestaltete Malermeister J. Sutor. Rechtzeitig zum Georgiritt war die Innenrestaurierung beendet.
Auch in der Stadtpfarrkirche Traunsteins finden sich Schnitzarbeiten aus Georg Hallingers Hand an Orgel, Tabernakel und Kanzel. Bei Renovierung der Orgel 1929 fertigte er die großen Teile in der Werkstatt am Traundamm an. Seine Tochter kann sich noch gut erinnern, wie die Orgelteile von dort mit dem Pferdefuhrwerk in die Stadt hinauf transportiert wurden.
In den schweren Zeiten nach dem 1. Weltkrieg war ihm Freiherr von Cramer-Klett in Aschau ein wohlhabender und wohlwollender Kunde. Oftmals war er tagelang bei ihm mit Möbelreparaturen beschäftigt, beispielsweise der Anfertigung neuer Stuhlbeine. Das Werkzeug führte er mit sich, wie ein Handwerker auf der Stör.
Hallinger fertigte auch Feld- und Grabkreuze, Kriegergedächtnistafeln und Weihnachtskrippen. 1929 entstand ein eichenes Grabkreuz für die Familiengrabstätte, das noch heute im städtischen Waldfriedhof zu bewundern ist.
Nach langer Krankheit ist Georg Hallinger am 08. November 1955 im Alter von 80 Jahren in Traunstein verstorben. In seinem langen Künstlerleben hatte er an Ausstellungen in München, Nürnberg und anderen Städten teilgenommen und manche Auszeichnung erhalten. Leider sind von diesem bescheidenen und selbstlosen Künstler nur mehr wenige Arbeiten nachweisbar und die Erinnerung an ihn ist weitgehend verblaßt. Doch das Haus am Traundamm befindet sich noch immer in Familienbesitz, das Werbeschild wird am Dachboden verwahrt und auch die Werkstatt mit ihren Schnitzeisen gibt es noch.
WS/HK
Quellen:
Erzählungen von Zeitzeugen
Fritz Hofmann, »Reichenhaller Salzbibliothek Band III«, Seite 185,
Traunsteiner Wochenblatt vom 6.4.1912
Chiemgaublätter von September 1953.
Josef Streibl »Der Högl, seine Höfe und Familien«, Bad Reichenhall 1969,
Meldekartei
Standesamtsbücher
1) Andere Schreibweise: Cark
2) Kindl wirkte als Schulleiter von 1882 bis 1922
3) in Traunstein ab 18.5.1906 gemeldet
4) Schlagschneider, Einöde bei Hainham mit der Hausnummer 37, urkundlich erstmals 1679 erwähnt. Daniel Wolfgruber vom Amerbauern in Straß hatte dort verkauft und 1876 den Schlagschneider erworben. 1877 heiratete er Katharina Huber von Grund. Als nächster Hofbesitzer folgte Wolfgruber Matthias von Oed bei Lauter, der 1919 Maria Walcher aus Saaldorf ehelichte.
4/2002
Am Traundamm in Traunstein, einem malerischen Straßenzug mit kleinen eng aneinander gebauten Häusern wohnte im letzten Jahrhundert der Holzbildhauer Georg Hallinger. Ein grosses Blech-Werbeschild über der Haustüre machte auf seine Künste aufmerksam.
Als Kind Georg Hallingers und dessen Ehefrau Therese, geborene Gschoßmann, wurde Sohn Georg am 13. September 1875 in Schwarzbachwacht geboren, wo er auch seine Kindheit verbrachte. Sein Vater war als Jäger bei dem in Reichenhall bekannten und einflußreichen Baron Freiherr von Karg1 angestellt. Zwischen beiden muss wohl auch ein gutes persönliches Verhältnis bestanden haben, denn Karg übernahm die Patenschaft für den jungen Georg. Schon früh zeigte sich beim Zeichnen und Schnitzen seine gestalterische Begabung. Der Firmpate legte daher mit seinem Firmgeschenk, einer vierjährigen Ausbildung an der 1858 gegründeten Distrikts-Zeichen- und Schnitzschule in Berchtesgaden, den Grundstein für Georgs späteren Beruf. Unter Leitung des bekannten Bildhauers August Kindl2 konnte er dort vor allem seine schnitztechnischen Fähigkeiten verbessern. Zur künstlerischen Weiterbildung folgten dann einige Studienjahre in München bei dem Bildhauer Professor Elsner, die Georg mit dem Diplom als Holzbildhauer abschloß.
Er heiratete am 12.05.1906 die fünf Jahre jüngere Bahnwärterstochter Amalia Wolfgruber. Das Paar zog in das Haus der Schwiegereltern am Traundamm 5 in Traunstein3 und erwarb dieses auch später. Familie Wolfgruber übersiedelte in das Haus Traundamm Nr. 7.
Im Lauf der Jahre stellten sich vier Kinder ein: Amalie, geboren am 07.12.1908 in Traunstein; Georg Silvester, geboren am 25.01.1914 in Traunstein. Dieser hatte Talent zum Malen und fertigte unter anderem Hinterglasbilder; ein nicht vollendetes Bild befindet sich noch im Familienbesitz. Er verstarb am 09.08.1944 in Polen. Ferner Maria, geboren am 08.03.1916 in Thal in der Gemeinde Högl. Amalie wohnte mit ihren Kindern während des ersten Weltkrieges bei Verwandten im Schlagschneideranwesen am Högl4 – der Vater war zum Kriegsdienst eingezogen. Und zuletzt Elisabeth, geboren am 24.01.1921 wieder in Traunstein.
Den Kindern war Hallinger nach deren Aussage ein guter Vater, schimpfte nie, die Erziehungsmaßnahmen blieben Aufgabe der Ehefrau.
Das bis heute weitgehend baulich unveränderte Haus – mit Ausnahme eines Balkonanbaues 1939 an der Hofseite - beherbergte zeitweise bis zu 12 Personen. Dennoch hatte auch der Holzbildhauer hier seine Werkstatt, in der er die Zeichnungen und Entwürfe seiner Arbeiten selbst fertigte.
Die in einem Zeitungsbeitrag von Paul Maier verwendete Bezeichnung »Herrgottschnitzer von Traunstein« macht deutlich, daß Hallinger sich besonders dem Korpus des Gekreuzigten in allen Dimensionen und Stilrichtungen widmete. Viele Bauernstuben im Chiemgau und Rupertiwinkel waren oder sind mit seinen Kruzifixen geschmückt.
Ein Werk ganz anderer Art schuf er 1906 durch Vermittlung des Reichenhaller Forstmeisters Strehle. Für eine Jubiläums-Ausstellung in Nürnberg entstand eine Nachbildung der Trift- und Holzhofanlagen der Reichenhaller Saline im Maßstab 1:500 mit einer Größe von 325 mal 80 Zentimeter. Gut restauriert wurde das Modell 1995 in der Traunsteiner Turnhalle im Rahmen der Landesausstellung »Salz macht Geschichte« gezeigt und ist ansonsten im Reichenhaller Heimatmuseum ausgestellt. Hallinger fertigte noch weitere Modelle, unter anderem der Trostberger Stickstoffwerke; deren Verbleib ist jedoch unbekannt.
Die Wiederherstellung alter Kunstwerke war eine weitere Vorliebe Hallingers. 1912 bei der Innenrenovierung der Ettendorfer Kirche, die auf Initiative von Stadtpfarrer Geistlicher Rat Dannegger und unter Aufsicht des Königlichen Generalkonservators der Kunstdenkmale und Altertümer Bayerns durchgeführt wurde übernahm er die Bildhauerarbeiten und das Ausbessern von Figuren und Ornamenten. Das Fassen, das heißt die farbige Bemalung, gehörte jedoch nicht zu seinen Aufgaben, dafür stand Malermeister Brandstetter aus Salzburg zur Verfügung. Wände und die Decke gestaltete Malermeister J. Sutor. Rechtzeitig zum Georgiritt war die Innenrestaurierung beendet.
Auch in der Stadtpfarrkirche Traunsteins finden sich Schnitzarbeiten aus Georg Hallingers Hand an Orgel, Tabernakel und Kanzel. Bei Renovierung der Orgel 1929 fertigte er die großen Teile in der Werkstatt am Traundamm an. Seine Tochter kann sich noch gut erinnern, wie die Orgelteile von dort mit dem Pferdefuhrwerk in die Stadt hinauf transportiert wurden.
In den schweren Zeiten nach dem 1. Weltkrieg war ihm Freiherr von Cramer-Klett in Aschau ein wohlhabender und wohlwollender Kunde. Oftmals war er tagelang bei ihm mit Möbelreparaturen beschäftigt, beispielsweise der Anfertigung neuer Stuhlbeine. Das Werkzeug führte er mit sich, wie ein Handwerker auf der Stör.
Hallinger fertigte auch Feld- und Grabkreuze, Kriegergedächtnistafeln und Weihnachtskrippen. 1929 entstand ein eichenes Grabkreuz für die Familiengrabstätte, das noch heute im städtischen Waldfriedhof zu bewundern ist.
Nach langer Krankheit ist Georg Hallinger am 08. November 1955 im Alter von 80 Jahren in Traunstein verstorben. In seinem langen Künstlerleben hatte er an Ausstellungen in München, Nürnberg und anderen Städten teilgenommen und manche Auszeichnung erhalten. Leider sind von diesem bescheidenen und selbstlosen Künstler nur mehr wenige Arbeiten nachweisbar und die Erinnerung an ihn ist weitgehend verblaßt. Doch das Haus am Traundamm befindet sich noch immer in Familienbesitz, das Werbeschild wird am Dachboden verwahrt und auch die Werkstatt mit ihren Schnitzeisen gibt es noch.
WS/HK
Quellen:
Erzählungen von Zeitzeugen
Fritz Hofmann, »Reichenhaller Salzbibliothek Band III«, Seite 185,
Traunsteiner Wochenblatt vom 6.4.1912
Chiemgaublätter von September 1953.
Josef Streibl »Der Högl, seine Höfe und Familien«, Bad Reichenhall 1969,
Meldekartei
Standesamtsbücher
1) Andere Schreibweise: Cark
2) Kindl wirkte als Schulleiter von 1882 bis 1922
3) in Traunstein ab 18.5.1906 gemeldet
4) Schlagschneider, Einöde bei Hainham mit der Hausnummer 37, urkundlich erstmals 1679 erwähnt. Daniel Wolfgruber vom Amerbauern in Straß hatte dort verkauft und 1876 den Schlagschneider erworben. 1877 heiratete er Katharina Huber von Grund. Als nächster Hofbesitzer folgte Wolfgruber Matthias von Oed bei Lauter, der 1919 Maria Walcher aus Saaldorf ehelichte.
4/2002