Jahrgang 2006 Nummer 27

Das Paradies liegt doch so nah

Zu Besuch im Literatur-Garten von St. Florian

Der blühende »Florianer Literatur-Garten« nahe dem Stift St. Florian

Der blühende »Florianer Literatur-Garten« nahe dem Stift St. Florian
Martyrium des hl. Florian – Altargemälde in der Stiftskirche

Martyrium des hl. Florian – Altargemälde in der Stiftskirche
Er sei nicht sein Garten, sondern er gehöre allen Gästen und Florianern. Schon immer sei es ihm ein Bedürfnis gewesen, »verbunden mit einer besonderen Liebe zu meinem Beruf als Gärtner, meine Energien sinnvoll für mich und andere einzusetzen«. Sagt Augustinus Klein aus Sankt Florian, dem berühmten »Bruckner-Ort« bei Linz in Oberösterreich. »Mein Garten« steht auf einer farbigen Postkarte mit Kleins Konterfei und einem Ausschnitt aus seinem viel bewunderten und bewanderten »Juwel der Garten- und Lebensraumgestaltung«, wie es in einem regionalen Zeitungs-Artikel unter der Rubrik »Land und Leute« (31. Woche 2005) heißt. Augustinus Klein ergänzte handschriftlich: »Mein Garten ist auch Dein Garten«.

Typisch für den etwa 50jährigen Sankt Florianer, der seine ganze Kunstfertigkeit einbringt, um alljährlich zahlreiche Besucher in Verzücken zu versetzen, denen er zeigt, wie schön unsere unmittelbare Umgebung sein kann, wenn nur jemand da ist, der sich aufgerufen fühlt, geradezu selbstlos Hand an zu legen und nicht müde wird, Ordnung ins Chaos zu bringen. Augustinus Kleins Gärtchen nahe dem Stift Sankt Florian wird als »echtes Paradies« gelobt – und gerät damit vielleicht ein wenig in den Ruf, eine Touristenattraktion sein zu wollen.

Auch wenn sich der Pfleger und Heger eines der »schönsten Gärten Oberösterreichs« (so das Lob des Zeitungsartikel-Schreibers) über die Zustimmung und Begeisterung der Gartengäste – sie brauchen keinen Cent Eintritt zu entrichten – freut: Er möchte nicht als verlängerter Arm des Tourismusbüros seines schmucken Örtchens fungieren. Vielmehr erkannte Augustinus Klein, dass es selbst im gepflegten und immer gut herausgeputzten Oberösterreich noch zu wenig Gartenkultur gibt. »Ich sehe mich wie ein Löwenzahn, der durch eine Mauerfuge hervorwächst und blüht«, schreibt er und fährt fort: »Viele freuen sich darüber, andere müssen sofort mit Unkrautsalz den Schädling für die Mauer vernichten, so ist es halt im Leben.«

Der Verschönerungsverein von St. Florian habe vor Jahren den ursprünglichen Gemüsegarten des Stiftes gepachtet. Etwa 1000 Euro lässt der Verein jährlich für die Bepflanzung springen. Den Musikanten und Feuerwehrleuten fühlt Augustinus Klein sich verbunden: Wie sie arbeite auch er gratis, aus Spaß an der Freud. Immerhin investiert er nicht weniger als dreihundert Arbeitsstunden in das Projekt, das unter seiner Hand zu einer Stätte der Besinnung und Freude an der blühenden und sprießenden gezähmten Natur wurde. Es sei nicht immer eine Frage der Kosten, meint Augustinus Klein. Vielmehr gehe es ihm darum, »die Natur lobpreisen«. Seine Vorbilder sind Musiker und Lyriker. Sie lässt Klein in seinem »Paradies« zu Wort kommen. Auf Dachziegeln, die er mitten in die Blumenpracht stellt, hält er Zitate aus bedeutenden Werken und Sprüche fest, die, zusammen mit eigenen, sehr gut formulierten Appellen, den Spaziergänger zum Nachdenken bringen sollen. Auf einer Tafel steht: »Der Garten ist der letzte Luxus unserer Tage, denn er erfordert das, was in unserer Gesellschaft am kostbarsten geworden ist: Zeit, Zuwendung und Raum«. Als »gewöhnlicher kleiner Gärtner« möchte Augustinus Klein hinter seinem Werk ganz zurücktreten. Kann er aber nicht. Denn an ihm, dem aus freien Stücken und aus Liebe zu Gottes Schöpfung Tätigen, hängt alles Gedeihen. Es sind, wieder einmal wird es deutlich, die Menschen, auf die es ankommt, wenn ein Stück Kultur Wirklichkeit werden soll. Das gilt für die Kunst, für die Literatur, für jegliches kulturelles Tun und Streben. Im »Floriani-Jahr« 2004 (zur Erinnerung: Der heilige Florian, römischer Offizier, Leiter der Kanzlei des Statthalters in Lauriacum, wurde, weil er vierzig Glaubensbrüder retten wollte, unter Kaiser Diokletian im Jahr 304 in der Enns ertränkt) erschien im Eigenverlag der »Florianer Tintenfische« das Bändchen »Florianer Literatur-Garten«. Der Titel sei beileibe keine bildhafte »Umschreibung für die poetischen Bemühungen literarisch interessierter Mitmenschen«, sondern weise auf den Literatur-Garten vor den Toren des Stiftes St. Florian hin, entnimmt man dem Vorwort. Der »Obertintenfisch« preist ausdrücklich sowohl den Verschönerungsverein als auch den »begnadeten Gärtnermeister, den Genius Loci Augustinus Klein«. Ihm sei es gelungen, »in diesem reizvollen Stückchen Erde seine Blumen mit Poesie zu vereinen«.

Eine langjährige Besucherin des Stiftes St. Florian, Waltraud Schmidt aus Freiburg im Breisgau, hat – als Blinde – dem Meister des St. Florianer »Paradieses« ein Gedicht gewidmet. Darin steht der Wunsch, dem sich wohl jeder Besucher des St. Florianer Literatur-Gartens anschließt: »Was du gepflanzt, o Gartengenius, / gedeih auch künftig dir im Überfluss! / Gesegnet sei dies heil’ge Fleckchen Erde! / Sprich, Augustin, auch weiterhin: Es werde!«

»Solange es geht, werde ich dieses heilige Fleckchen Erde zum Blühen bringen«, kommentiert handschriftlich Augustinus Klein diese Passage aus dem schwärmerischen »Epos an Meister Augustin«. Darin lässt die Verfasserin so manchen Maler, Literaten und Musikus zu Wort kommen, van Gogh, Goethe, Mozart, Schubert, natürlich auch den großen Sohn Sankt Florians, der hier die Orgel schlug und Großes für die Musikwelt schuf: »Da steigt der Anton Bruckner aus dem Grabe / und ruft: ›Ich habe auch noch eine Gabe: / Ich spiel die Orgel, dass die Balken schwanken, / dann werden Rosen hier noch höher ranken. / Ich möcht in tiefsten und in höchsten Tönen / die Landsleut und die Gäste sehr verwöhnen!‹«

Insofern zieht der Gärtner Augustinus Klein mit dem Komponisten Anton Bruckner am gleichen Strang: »... die Landsleut und die Gäste sehr verwöhnen ...« Gewiss möchten das auch Land Oberösterreich und dessen »Akademie für Umwelt und Natur«, die zusammen eine farbig bebilderte Broschüre herausbrachten, welche »Gärten in Oberösterreich« vorstellt. »Erstmals« würde, so die beiden Landeshauptmänner Josef Pühringer und Erich Haider, ein »Wegweiser durch die Naturschaugärten Oberösterreichs« der Bevölkerung an die Hand gegeben. Der »Florianer Literatur-Garten« des Augustinus Klein fehlt darin. Nichts dagegen, dass in die staatliche Broschüre der 3000 Quadratmeter große »Englische Garten« der Familie Wertgarner aus Oberweidlham bei St. Florian aufgenommen wurde. Augustinus Klein kann es gleich sein. Mit dem »Very British« kann er, das sei unterstellt, eh nichts anfangen. Warum auch in die Ferne schweifen – liegt das Gute und Schöne doch so nah.

Hans Gärtner



27/2006