Jahrgang 2022 Nummer 15

Auferstanden aus dem Grab

Brauchtum der Osterzeit

Österliche Speiseweihe

Die Osternacht ist keine gewöhnliche Nacht. Sie ist die Nacht, die uns Licht und neues Leben bringt. Die Trauer der Karwoche ist zu Ende. »O vere beata nox – O wahrhaft selige Nacht!« So drückt die Kirche ihre Freude über die Osternacht aus.

Der Herr hat die Dunkelheit des Grabes überwunden und den Tod besiegt. In Stadt und Land verkünden in dieser Stunde Glocken von den Türmen die froh machende Botschaft: Christus ist auferstanden! Er lebt und stirbt nicht mehr. Alleluja!

Vor den Toren der Kirchen und auf vielen Anhöhen und Berggipfeln brennen in der Osternacht Feuer, die die Finsternis erhellen. Sacratissima nox, die heiligste Nacht, bringt uns das Osterfest.

Streit um den Ostertermin

Ostern ist das höchste Fest im Kirchenjahr. Gregor von Nazianz, der bedeutende Theologe der Ostkirche aus dem 4. Jahrhundert, nannte Ostern das Fest der Feste, weil es alle Feste überragt, so wie der Glanz der Sonne die Sterne überstrahlt. Ostern ist immer am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond und kann deshalb in der Zeit zwischen dem 22. März und dem 25. April liegen. Diese Terminfestlegung geschah schon im Jahre 325 auf dem Konzil von Nicäa. Die Vereinbarung war freilich nur von kurzer Dauer. Die Ostkirche hielt sich nicht an die Verabredung und feiert bis heute das Osterfest eine Woche später. Schuld daran ist die Kalenderreform von Papst Gregor XIII. aus dem Jahre 1582, die die Ostkirche nicht anerkennt. Sie orientiert sich noch immer am alten Julianischen Kalender.

Abgesehen aller terminlichen Differenzen war der christliche Charakter des Osterfestes in Ost und West nie umstritten. Damit kann auch ausgeschlossen werden, dass das christliche Hauptfest auf ein germanisches Fest der Frühlingsgöttin Ostara zurückgeht, eine These, die nach heutiger wissenschaftlicher Überzeugung nicht mehr haltbar ist, auch wenn sie immer wieder in Veröffentlichungen auftaucht.

Eine recht überzeugende Erklärung, wie es zu dem Namen Ostern kam, gibt uns der bekannte Münchner Volkskundler Dietz-Rüdiger Moser. Für ihn gelangte das Wort Ostern im 8. Jahrhundert bei der Missionierung von Rom nach England, wo es zu eastron wurde. Dieses Wort deckt sich mit dem althoch-deutschen ostarun. Beide Ausdrücke bezeichneten das liturgische Geschehen bei Anbruch des Tages, der dem Gedächtnis der Auferstehung Christi gewidmet ist. Ostern ist somit ein zutiefst christliches Fest, das Fest der Auferstehung des Herrn.

Das Osterfeuer – ein Symbol der Auferstehung

Es ist immer wieder ein großes Erlebnis, wenn in der kalten, dunklen Osternacht auf dem Kirchvorplatz das Osterfeuer entzündet wird. Alle, die zu nächtlicher Stunde zum Osterfeuer gekommen sind, freuen sich, wenn die Flammen vom Holz Besitz ergreifen und das grelle Licht die Dunkelheit erhellt.

Nun spricht der Priester, der mit den Ministranten um das Feuer steht, den kirchlichen Segen und entzündet mit einem Holzspan die lange, kunstvoll verzierte Osterkerze mit der Jahreszahl und den fünf roten wächsernen Nägeln. Er gibt das Licht der Osterkerze weiter an die Gläubigen, die zu nächtlicher Stunde zum Osterfeuer gekommen sind. Beim Betreten der noch finsteren Kirche ruft er den Gläubigen den alten Ostergruß zu: Lumen Christi. Das Licht Christi!

Das Osterfeuer und das Osterlicht sind auch sinnlich wahrnehmbare Zeichen der Auferstehung. Sie zeigen uns: Christus lebt und stirbt nicht mehr. Alleluja!

Seit Jahrhunderten ist das Licht der Osterkerze für die Christen ein Symbol der Auferstehung, ein Zeichen dafür, dass das Leben über den Tod siegt. Deshalb entzünden die Gläubigen an der großen Osterkerze ihre mitgebrachten kleinen Kerzen und ziehen mit ihnen in die noch finstere Kirche. Aus Freude über die Auferstehung nehmen sie das Osterlicht in kleinen Laternen mit nach Hause und stellen es auf den österlichen Frühstückstisch. Das Osterlicht wird zum Mittelpunkt der Feier des Osterfestes in der Familie. Wer es sich nicht selbst vom Osterfeuer holen konnte, ließ es sich früher von Kindern bringen, die diesen Dienst bereitwillig übernahmen. Im Chiemgau liefen sie mit einer Laterne von Haus zu Haus und übergaben mit einem brennenden Kienspan das geweihte Feuer. Nun konnte die Bäuerin das seit Karfreitag erloschene Feuer neu entfachen.

Zum Transport des Osterlichtes dienten den Buben auch getrocknete Baumschwämme, die sie an einem langen Eisendraht in die Glut des Osterfeuers steckten und so entfachten. Dieser fast schon vergessene Brauch wurde im Isarwinkel in jüngster Zeit wieder neu belebt. Den Kindern macht es Spaß mit den brennenden Baumschwämmen von Haus zu Haus zu laufen. Bei ihrem Feuerlauf dürfen sie freilich nicht das Schwingen vergessen, damit die Glut nicht vorzeitig erlischt. Für ihren Feuerdienst werden die Kinder natürlich mit Ostereiern beschenkt.

Weihe der Ostereier

An Ostern dreht sich alles um das Ei, um das Osterei. Das Ei spielt in der Überlieferung vieler Völker eine wichtige Rolle als Lebensquelle. Die Christen sahen schon in den ersten Jahrhunderten im Ei ein Symbol für die Auferstehung Christi und auch der Auferstehungshoffnung der Menschen. In recht einfacher Form drückte sich dieser Auferstehungsglaube in so simplen Sprüchen aus wie zum Beispiel: Wie das Küken aus dem Ei gekrochen, hat Jesus das Grab durchbrochen.

Wegen des Symbolcharakters kam dem Ei bei den Christen immer eine besondere Funktion zu. Sie sahen in ihm ein Sinnbild der Auferstehung. Das erklärt auch, dass es eine besondere Weihe erhielt. Schon im 12. Jahrhundert lässt sich eine eigene benedictio ovorum, also ein Ritus zur Segnung der Eier nachweisen.

Die Kirche trug damit auch einer Situation Rechnung, die durch die von ihr erlassenen Fast- und Abstinenzgebote entstanden war. Wegen des strengen Verbotes des Genusses von Eiern kam es bis Ostern zu einem Überangebot. Sein Abbau sollte auch durch die kirchliche Weihe gefördert werden. Durch die Segnung erlangten die in der Fastenzeit verbotenen Eier eine besondere Segenskraft. Aus dem einfachen Ei wurde das Osterei. Zur Unterscheidung von den gewöhnlichen Eiern wurden die Eier gefärbt, zuerst nur rot, später kamen auch andere Farben hinzu.

Österliche Speisenweihe

Neben den Ostereiern erhalten am Ostersonntag auch andere Speisen eine kirchliche Weihe. Nach altem Brauch werden sie im Osterkörberl zum morgendlichen Gottesdienst in die Kirche getragen. Darin sind auch etwas Salz und Kren, Brot und Butter und ein Stück Geräuchertes. Nicht fehlen dürfen auch ein Stück vom Osterfladen und ein Biskuit-Osterlamm mit dem Auferstehungsfähnchen. In München gehören dazu als typisches Ostergebäck auch Striezel und »Oarmanndl«. Das sind Teigfiguren, in deren Bauch ein rotes Ei steckt. Traditionsorientierte Bäckereien backen in den Tagen vor Ostern Hefegebäck in Form von Sonnenrädern, Sonnenbogen, Eiermandl, Osterbrezeln und Osterbäume für ihre Kunden, die sich über die Gebildbrote nach alten Vorlagen freuen.

Das Osterkörberl ist mit einem schönen weißen Leinentuch ausgeschlagen, das die Feierlichkeit der österlichen Segnung eindrucksvoll unterstreichen soll. In manchen Osterkörbchen kann man Eier entdecken, deren Schale leicht aufgeschlagen ist. »Damit die Weich auch hinein kann«, ist die simple Erklärung.

Zum Osterfrühstück kommen alle geweihten Speisen auf den Tisch. Ein jeder in der Familie soll seinen Anteil an dem »Geweichten« und damit am österlichen Segen haben. Die große Wertschätzung der geweihten Ostereier zeigte sich früher auch daran, dass man ihre Schalen nicht einfach wegwarf: Man verbrannte sie oder vergrub sie im Gemüsegarten und draußen auf den Feldern, was die Fruchtbarkeit fördern sollte.

Ostereier – beliebte Geschenke

Es waren wohl die Farben, dass den Eiern über den religiösen Bereich hinaus auch eine gar weltliche Bedeutung zukam. Bunte Ostereier waren schon immer beliebte Geschenke. So bekommen die Ratschnbuben, die im Fränkischen von Gründonnerstag bis zum Karsamstag mit ihren hölzernen Klappern durchs Dorf ziehen und an Stelle der schweigenden Glocken die Gläubigen zum Kirchgang rufen für ihren Dienst Ostereier geschenkt. Sie waren früher ein beliebtes Geschenk vom Göd und von der Godn, also vom Paten und von der Patin, für die Kinder. Und bis heute sind die bunten Eier ein Zeichen der Zuneigung – nicht nur bei Verliebten.

Ostereier ganz ohne Farbe bekamen in nicht geringen Mengen früher auch die Pfarrer von den Bäuerinnen bei der Abgabe des österlichen Beichtzettels, der ein Dank für die abgenommene Osterbeichte sein sollte. Der Beichtzettel stellte für den Pfarrer daneben auch eine Kontrollmöglichkeit über die pflichtgemäße Erfüllung der jährlichen Beichtpflicht dar. Seit dem II. Vatikanischen Konzil gehören die Beichtzetteln wie auch die Eiergaben an die Pfarrherrren der Vergangenheit an.

 

Albert Bichler

 

15/2022