Jahrgang 2006 Nummer 45

Am 11. November wird der Heilige Martin gefeiert

Lichterprozessionen und Martiniritte beenden das Bauernjahr

Mit Lichterprozessionen und stattlichen Reiterzügen wird in Bayern am 11. November das Patrozini des Heiligen Martin gefeiert. Zu dem ursprünglich bäuerlichen Fest ziehen in Altbayern Kinder mit Lichtern und Laternen das Martinilied singend durch die Straßen: »Martin war ein frommer Mann, zündet viele Lichter an, dass er droben sehen kann, was er unten hat getan.« Die bunten Prozessionen haben liturgischen Hintergrund. Am Vorabend des Martinstages wurde und wird in den katholischen Kirchen die »Vesper Lucernarium« gefeiert, was so viel bedeutet wie die »Zeit des Lampenanzündens«.

Natürlich gehört zum Martinstag auch die Martinsgans, um deren Bedeutung sich mehrere Legenden ranken. Gänse sollen Martin verraten haben, als er sich vor der Berufung zum Bischof verstecken wollte. Eine andere Erklärung, warum die Gans gerade im November so eine Bedeutung bekam, liegt im Zyklus des Bauernjahres. Mit Martini war früher das bäuerliche Wirtschaftsjahr beendet, die Bauern mussten den weltlichen und kirchlichen Pachtherren fette Gänse als Zins abliefern. Und für das Gesinde war mit Martini das harte Arbeitsjahr endgültig vorbei. Kurz vor Beginn des strengen Adventfastens wurde noch einmal ein großes Schlachtfest mit Gansbraten und Martiniwein zelebriert. Der Martinstag fällt mit dem Faschingsbeginn am 11. 11. um elf Uhr elf zusammen. Die Zahl Elf wird gemeinhin als »Narrenzahl« bezeichnet. Sie ist die erste Zahl nach der »göttliche Zehn«, dem Schluss des Dekalogs der Gebote. Mythenforscher beziehen den Faschingsbeginn und den Martinstag als ein Äquivalent aufeinander. St. Martin stehe als religiöses Datum am Beginn der Weihnachtsfastenzeit, die Fastnacht gehe als weltlicher Brauch der österlichen Abstinenzperiode voran. Und auch witterungsbezogen ist der Martinitag von Bedeutung: »Bringt St. Martin Sonnenschein, tritt ein kalter Winter ein«, heißt eine alte Bauernregel.

Nikolaus Dominik



45/2006