Als der Zweiring noch in hohem Ansehen stand
Heute kennt kaum noch jemand den früher üblichen Begriff für ein Zwei-Pfennig-Stück



Ein Wort ist heimlich still und leise aus unserem Wortschatz verschwunden, das noch zu Beginn der D-Mark-Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in aller Munde war: Der Zweiring, das Zwei-Pfennig-Stück. Noch nicht ganz in Vergessen geraten ist zumindest bei den Älteren das Fünferl, das Zehnerl, das Fuchzgerl, das Markl und der Zwickl. Die größte Umlaufmünze war bis zur Umstellung auf den Euro das Fünf-Mark-Stück, der Fünfer. Der Graue war der Fünf-Mark-Schein, der Blaue der Zehner, der Grüne der Zwanziger und der Braune der Fünfziger. Für Hundert-Mark-Scheine, die ebenfalls blau waren, gab es keine volksüblichen Bezeichnungen, geschweige denn für den 500- oder den 1000-Mark-Schein, von denen Otto Normalverbraucher nur selten einen zu Gesicht und noch seltener in die Hände bekam.
Zurück aber zum Zweiring, dem kupfernen Zwei-Pfennig-Stück, das deutlich größer als der Pfennig und auch etwas größer als die Fünf-Pfennig-Münze ist. Mit ihm konnten wir Kinder noch einkaufen gehen und bekamen dafür beim Kramer zwei Pfefferminzbonbons (Minzenkugeln) oder ein großes Karamellguatl. Das war die deutlich angenehmere Alternative zum Einwerfen der kleinen Münze in die Sparbüchse. Dort schlummerte sie bis zum Weltspartag in der letzten Oktoberwoche.
An diesem Tag nahm man die schmucklose knallrote Blechdose mit in die Schule, wo ein Mitarbeiter der Sparkasse sie mit einem Schlüssel öffnete und unter den kritischen Blicken des Lehrers das Geld zählte. Für jene Schüler, die besonders eifrig gespart haben, gab es ein Sonderlob. Manche hatten im Lauf der letzten zwölf Monate über 20 Mark gespart, andere mehr als 50 Mark. Die Beträge wurden feinsäuberlich ins Sparbuch eingetragen und, sofern das nicht schon früher geschehen war, die Zinsen für das vergangene Jahr. In den 1950er und 1960er Jahren lag der Zins auf Sparguthaben so um die drei Prozent. Davon konnte man die letzten 30 Jahre nur träumen.
Süßigkeiten, Malstifte und anderes Werbematerial, das der Mann von der Sparkasse dabei hatte, war bei uns Schülern heiß begehrt. Seine Ermahnung, fleißiger zu sparen, damit man es später einmal zu etwas bringt, war spätestens nach Ende der Schulstunde vergessen. Und der nächste Zweiring, den man fürs Rasenmähen, Milliholen oder Gemüsebeet-Ausgrasen von der Mama bekam, verwandelte sich ohne große Umwege in zwei Minzenkugeln oder ein großes Karamellguatl. Die Zeiten sind längst vorbei, in denen man in ein Geschäft gehen und sich ein einzelnes Bonbon kaufen konnte. Und für einem Zweiring, selbst wenn es nicht zwei Pfennige, sondern zwei Cent sind, bekommt man im Geschäft heute gar nichts mehr.
Wer kennt noch den Ausdruck Zweiring? Wir machten die Probe aufs Exempel und fragten ein paar Passanten auf dem Traunsteiner Maxplatz. »Keine Ahnung, nie gehört« war die gängige Antwort einiger Schüler und junger Leute. Eine junge Dame mit Kinderwagen meinte, das könnte vielleicht ein Ausdruck für zwei Eheringe sein. Ein Urlauberpaar bedauerte, den Ausdruck nicht zu kennen, denn sie seien nicht aus Bayern. Dass das Wort kaum noch bekannt ist, dokumentierte schon vor fast 40 Jahren der Rosenheimer Heimatschriftsteller Hans Heyn. Dazu muss man etwas weiter ausholen:
Die Heimatforscherin und Schriftstellerin Franziska Hager, die heuer 150 Jahre alt geworden wäre, erwähnt in ihrem Buch »Schulmeisterkinder« den Zweiring. Sie schreibt über das Kronasthaus in Prien, das im letzten Viertel des vorletzten Jahrhunderts noch eine bescheidene Einkehr war. Hier machten auch reisende Handwerksburschen Station. Franziska Hager schreibt: »In der weißgefegten Stube, gleich links bei der Haustüre hinein, saßen sie, das Felleisen oder das walzenförmige Bündel und den Knotenstock neben sich auf die Bank gelegt. Das schwarze, wachsleinwandene Kappel, mit einer wilden Rose, einer lustigen Vogelfeder, zur Winterszeit mit einem Tannenreis geziert, aus der lockigen Stirn geschoben, oder keck auf das Ohr gesetzt, hielten sie Rast bei einem Gläschen Kümmel oder Korn. Und zählten ihre Pfennige und Zweiringe.*«
Das Sternchen nach dem Schlusspunkt des Zitats weist auf eine Fußnote hin, die Hans Heyn angebracht hat und in der er erklärt, dass der Ausdruck ein Zwei-Pfennig-Stück bezeichnet. Der 2015 im Alter von 93 Jahren verstorbene langjährige Kulturredakteur des Oberbayerischen Volksblatts Rosenheim hat also schon damals nicht mehr daran geglaubt, dass der Begriff vielen Menschen geläufig ist. Und er hat damit bestimmt recht gehabt
Wie aber schaut es mit den anderen Münzbezeichnungen aus D-Mark- Zeiten aus? Mit dem Fünferl, Zehnerl, Fuchzgerl …? Auch sie haben nach Einführung des Euro kaum noch eine Chance. Ganz selten hört man es mal an einer Kaufhauskasse, dass eine Kassiererin fragt: »Ham's vielleicht a Zehnerl?« Man kann es also abwarten, bis auch die alten Bezeichnungen für Münzen mit den Nennwerten bis 50 Cent verschwunden sein werden. Und man kann auch darauf warten, dass die Kupfermünzen, also jene zu einem und zu zwei Cent verschwinden. Finnland, die Niederlande, Belgien, Italien und Irland haben die kleinen Münzen bereits abgeschafft. Der Endbetrag an den Kassen wird zum Beispiel in den Niederlanden abgerundet.
Der Vollständigkeit halber sei hier noch eine Besonderheit erwähnt: das Zwanzgerl, in Richtung Berchtesgaden hin auch Zwoanzgerl ausgesprochen. Das ist in sofern eine Besonderheit, als es zu D-Mark-Zeiten nie Münzen zu zwanzig Pfennig gegeben hat. Der Begriff »Gib mir a Zwanzgerl« war aber durchaus geläufig – eine Besonderheit, deren Ursprung dem Autor dieses Beitrags leider nicht bekannt ist. Vielleicht hat ja einer unserer Leser eine Erklärung dafür.
Unter den Zwei-Pfennig-Münzen gibt es zwei »Perlen«, für die Münzsammler viel Geld bezahlen: Sie tragen die Prägezeichen 1967 G (Karlsruhe) und 1969 J (Hamburg). Zwei Pfennig G 1967 sind äußerst seltene Stahlmünzen mit Kupferplattierung – aber es gibt auch 27 Millionen Stück G 1967 aus normaler Kupferprägung. Sofern Ihre 1967 G allerdings magnetisch ist (also aus Stahl und nicht aus Kupfer), könnten Sie bei einer Auktion gut und gerne 3000 bis 5000 Euro dafür bekommen. 4000 bis 5000 Euro wert ist J 1969: Als man in Hamburg den Jahrgang 1969 (eigentlich schon aus Eisen) prägte, entstanden noch etwa 550 Stück aus restlichen Kupferronden, die dadurch erkennbar sind, dass sie nicht magnetisch sind. Die Wahrscheinlichkeit, eine solche Münze zu finden, ist ziemlich gering – vom Jahrgang 1969 J in Eisen wurden rund 40 Millionen Stück geprägt.
Klaus Oberkandler
37/2024