Jahrgang 2025 Nummer 22

100 Jahre Trachtenkapelle D’Rauschberger-Zell

Verärgerung beim Waldfest sorgte für die Gründung – Auszug aus der Chronik von Dr. Josef Haßlberger

Trachtenkapelle D’Rauschberger-Zell in den Anfangsjahren. (Repros: Schick)
Kapellmeister Martin Geisreiter, Kurhaus 1957.
Festzug in Traunstein in historischer Tracht.

Ihr hundertjähriges Bestehen feiert heuer die Trachtenkapelle D'Rauschberger-Zell. Ihre Gründung ist eng mit dem traditionellen Waldfest verbunden, das der Trachtenverein bereits seit den Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts in Fritz am Sand immer an Pfingsten abhielt. Damals verfügte der 1903 gegründete Verein noch über keine eigene Musikkapelle, sodass eine sogenannte »Ruhpoldinger Musikkapelle« zur Unterhaltung aufspielte. Den Berichten zufolge war im Jahr 1924 eine »9-stimmige Blechmusik« angetreten, die den Ärger der Vereinsmitglieder und Besucher auf sich zog, zumal sie zu wenig spielten, zu lange Pausen machten und mehr tranken, als der Musik zuträglich war. Angeblich gingen sie sogar zum Kegelscheiben und Kartenspielen.

In alten Aufzeichnungen heißt es: »Zum Schluss spielten nur noch einer mit der Geige und einer mit der Klarinette die Melodie. Es hat fürchterlich geklungen.« Bezahlt werden mussten die Musikanten trotzdem. Aus heutiger Sicht muss man dem desolaten Verhalten der Spieler direkt dankbar sein, sonst wäre es vielleicht gar nicht zur Gründung der weit über die Grenzen des Chiemgaus bekannten Rauschberger Musi gekommen. Ludwig Jackl, einer der späteren Kapellenmitglieder und der einzige, der Noten kannte, kam quasi aus demBauch heraus auf die Idee, eine eigene Vereinsmusik aufzubauen. Der Idee folgten gleich über zwanzig Interessierte. Sogleich wurden Nägel mit Köpfen gemacht; einer ersten Besprechung im Faschinghäusl in der Fuchsau folgte bald die Gründungsversammlung unter dem offiziellen Namen »Trachtenkapelle D’Rauschberger-Zell«.

Bis heute ist sie Teil des Trachtenvereins, wobei man Wert darauf legt, dass sie als erste Trachtenkapelle Bayerns bezeichnet werden kann. Zur Erläuterung: Die bereits erwähnte Ruhpoldinger Musikkapelle trug zu dieser Zeit eine Art Schützentracht. Noch heute erinnert eine geschnitzte Inschrift im Deckenbalken der guten Stube des Faschinghäusls an die Gründung.

Die erste Zeit war ausgefüllt mit der Beschaffung von Blasinstrumenten und dem Erlernen des Notensystems, und so konnte man noch im selben Jahr einige einfache Walzer und Bauerntänze spielen. Als Josef Purzeller, der vorherige Musikmeister von Inzell, die Leitung übernahm, gab es einen beachtlichen Aufschwung. Allerdings mussten die Musikanten zweimal in der Woche mit dem Fahrrad zur Probe in die Schmelz nach Inzell fahren, solange, bis Purzeller nach Ruhpolding zog. Die Mühe lohnte sich. Nicht nur die Klangfülle wurde erweitert, auch das Repertoire, das sich neben dem gewohnten Standardprogramm nun auch auf Konzertstücke und Militärmärsche ausdehnte. Dazu musste natürlich das Marschieren im Gleichschritt geübt werden.

1926 konnte erstmals die musikalische Gestaltung des Waldfests übernommen werden; ein großes Ereignis für die Musikanten sowie für den ganzen Trachtenverein, war doch innerhalb zweier Jahre die vereinseigene Kapelle entstanden. 1931 trat Purzeller als Musikmeister zurück (es gab Probleme mit seiner Zuverlässigkeit), die Arbeit der »Rauschberger« und ihr Erfolg aber gingen weiter. 1934 übernahm Hans Wallner die Führung und blieb bis 1953 in dieser Position. Er verstand es, mit Einfühlungsvermögen und Energie das Können der Musikanten zu vertiefen. Gerade in der Zeit ab 1933, als die Fremdenverkehrswelle durch Dr. Degener-Touropa einsetzte, stellte sich die Kapelle mit Erfolg auf die gestiegenen Anforderungen ein. 1934 wurde unter Mithilfe junger Musikanten das neue Rauschbergkreuz aufgestellt, 1937 eröffnete die Kapelle den Festakt zur Einweihung der neuen Vereins-Almhütte in Fritz am Sand.

Der zweite Weltkrieg unterbrach die Aktivitäten, denn viele Mitglieder mussten einrücken. Aber gleich nach 1945 scharte Hans Wallner seine Männer wieder um sich und baute die Kapelle entgegen einiger Widerstände neu auf. Denn von Seiten der Miesenbacher gab es Bestrebungen, nur noch ihre Blaskapelle im Ort bestehen zu lassen, wohl um sich der unliebsamen Konkurrenz zu entledigen. Einem Vertragsentwurf zufolge sollten Instrumente sowie das Vermögen der Rauschberger von der Miesenbacher Kapelle übernommen werden. Wie man weiß, kam dieser »Deal« nicht zustande und die Rauschberger Musi konnte sich wieder ihrem liebsten Hobby widmen, nämlich wunderbare Blasmusik zum Besten zu geben.

1953 übernahm Martin Geisreiter die Leitung der Kapelle, die nahezu – aufgeteilt in zwei Perioden – an die drei Jahrzehnte dauern sollte. Viele Höhepunkte fielen in seine Ägide. Nach Sepp Haberlander, der von 1962 an die Kapelle dirigierte, übernahm 1974 erneut Martin Geisreiter das Zepter als Dirigent und Jugendausbilder. Das musikalische Können wuchs stetig und so konnte beim 21. Bezirksmusikfest ein »1. Rang mit Auszeichnung« in der Mittelstufe erreicht werden. 1982 übergab Geisreiter an Dr. Josef Haßlberger, der ihn bereits seit 1980 als zweiter Dirigent bei Auftritten und der damit verbundenen Probenarbeit entlastete. Mit dem »Boider Sepp« vollzog sich ein echter Generationenwechsel, der sich auf vielen musikalischen Ebenen wohltuend bemerkbar machte. Und das bei zahlreichen Gelegenheiten im In- und Ausland, beispielsweise bei Gastspielen in USA während des Oktoberfests des »Phoenix Club« in Anaheim/Los Angeles.

Als jüngsten Kapellmeister verzeichnet die Chronik den damals 26-jährigen Erwin Ringsgwandl, der sich bereits einen Namen als Komponist und Arrangeur gemacht hatte. Ihm folgte nochmal Routinier Sepp Haberlander von 1991 bis 1995, ehe Martin Geisreiter jun. erfolgreich in die Fußstapfen seines Vaters trat. Anlässlich des 70-jährigen Bestehens bekam er offiziell den Dirigentenstab überreicht.

Seit 2010 hören nun die Musikanten auf das Kommando von Stefan Huber, dessen Vorliebe sie für die böhmisch-mährische Blasmusik teilen. Zur Freude der stetig wachsenden Zuhörerschar, die sich nach einigen Gastspielen in der deutschen Ansiedlung Blumenau sogar in Brasilien finden lässt. Die Menschen für gediegene Blasmusik zu begeistern, war von jeher die Intention aller Dirigenten und Musikanten, die sich im vergangenen Jahrhundert in den Dienst der Trachtenkapelle D’Rauschberger-Zell gestellt haben. Deshalb wäre es müßig, auch nur im Ansatz alle weltlichen, kirchlichen Einsätze, Konzerte, Auftritte und Unternehmungen innerhalb der Dorfgemeinschaft oder in der Funktion als klingende Botschafter ihrer Heimatgemeinde rund um den Globus zu erwähnen.

Bleibt zu hoffen, dass ihnen die Liebe zur Musik und ihr Engagement auch in den nächsten 100 Jahren erhalten bleibt.

 

Ludwig Schick

 

22/2025