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»Mein Essen zahl ich selbst« heißt eine Ärzteinitiative, die Kollegen für die Einflussnahmeversuche der Pharmaindustrie sensibilisieren will.

Wie eine »Kaffeefahrt für Mediziner«

Traunstein – »Was umsonst ist, ist immer erst mal mit Vorsicht zu genießen«, sagt Eva Greipel, Fachärztin für Allgemeinmedizin und seit Kurzem neue Vorsitzende des Vereins »Hausärzte Stadt Traunstein«. Zu dieser Überzeugung kam die junge Ärztin im Rahmen ihrer Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin.


Denn in dem Krankenhaus, in dem sie damals arbeitete, priesen immer mal wieder Pharmareferenten dem Chefarzt ihre neuesten Produkte an. »Und wer in seiner Gunst am Höchsten stand, der machte das Rennen«. Dabei waren die neuen Medikamente fast immer deutlich teurer als die bisher bewährten.

Über die für sie zuständige Fachschaft, die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), wurde sie auf die »Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte MEZIS e.V.« aufmerksam. Dabei steht die Abkürzung MEZIS für die Aussage »Mein Essen zahl ich selbst«.

Fortbildungen, Leitlinien, Marketingkampagnen

»Hochpreisig gesponserte Fortbildungen für Ärzte, Leitlinienautoren mit finanziellen Verflechtungen zu pharmazeutischen Unternehmen, Anwendungsbeobachtungen, die das Verschreibungsverhalten der Ärzte steuern, gezielte Marketingkampagnen, die Patienten verunsichern und Krankheitsängste schüren – der Einfluss der pharmazeutischen Industrie auf das Gesundheitswesen bleibt ungebrochen«, schreibt der Verein MEZIS auf seiner Internetseite.

Als Eva Greipel im Juli 2017 ihre Hausarztpraxis in Traunstein übernahm, kamen auch zu ihr anfangs noch Pharmareferenten. »Da gab's schon noch viele Päckchen und Informationen zu Medikamenten. Das ist anfangs ein bisschen aufwändig, aber ich habe da ein Schreiben aufgesetzt, in dem ich höflich darum gebeten habe, von weiteren Besuchen abzusehen. Und mittlerweile kommt keiner mehr.«

Deshalb könne sie ihre Patienten ja trotzdem mit Medikamenten versorgen. »Man braucht sehr wenig Akutmedikamente in der Praxis, und die kann ich mir über den Sprechstundenbedarf quasi selbst verordnen.« Alles andere verschreibe sie dem Patienten, der sich die Medizin in der Apotheke holt.

Über die DEGAM wurde sie darauf aufmerksam, dass man sich als Arzt auch unabhängig von Pharmafirmen informieren kann in Fachzeitschriften, die eben nicht vom Anzeigenverkauf leben. »Die sind natürlich entsprechend teurer, aber dafür sind die Quellen der Informationen gut dargelegt. Und da finde ich auch alles, was ich brauche, Neuerungen ebenso wie laufende Überprüfungen alter Therapieprinzipien.«

Bei Fortbildungen »unheimliche Bandbreite«

Um jederzeit am aktuellen Stand der Forschung dran zu bleiben, sind Ärzte zu regelmäßigen Fortbildungen verpflichtet. »Und da gibt es eine unheimliche Bandbreite«, sagt Greipel. Das reiche von wirklich unabhängigen Fortbildungen bis zu »reinen Verkaufsveranstaltungen« – überspitzt formuliert also eine Art »Kaffeefahrten für Ärzte«.

Zwar sei es mittlerweile Mindeststandard, dass Interessenskonflikte von Vortragenden bei Fortbildungen angegeben werden sollten, doch »ist das eher allgemein gehalten«, so Greipel. Glücklicherweise gebe es inzwischen auch Fortbildungen, bei denen klar deklariert sei, welche Firma wie viel zahlt oder welche das Essen, Reise- und Übernachtungskosten zahlt. Vorbild sei hier der in den USA gesetzlich verankerte »Physician Payments Sunshine Act«, demzufolge dort offen gelegt werden muss, welche Firma wie viel Geld an welchen Arzt zahlt.

»Das Problem ist grundsätzlich in Medizinerkreisen bekannt«, sagt Greipel weiter. Interessanterweise hielten sich aber fast alle Kollegen selbst für unbestechlich, auch wenn Pharmareferenten ihnen vom Kugelschreiber bis zur Praxis-Software mehr oder weniger teure Geschenke machten. Ihre Kollegen hielten dagegen manche Ärzte schon eher mal für beeinflussbar.

»Ich habe den Eindruck, dass das Bewusstsein für die Thematik sich gerade zunehmend entwickelt. So ziehen inzwischen einzelne Landesärztekammern, die für die Akkreditierung von Fortbildungs-Anbietern zuständig sind, Anbietern Fortbildungspunkte ab, wenn das Ganze zu pharmalastig ist. Das ist ein guter Schritt in die richtige Richtung«, sagt Greipel. Auf ihre Umfrage unter den Kollegen in Raum Traunstein habe sie ausgesprochen positive Resonanz erhalten.

Hausärzte in Traunstein sind gut vernetzt

Überhaupt habe sie unter den Kollegen noch keinerlei Konkurrenzgehabe erlebt. »Im Endeffekt sind hier alle froh, wenn die Patienten gut versorgt werden können. Denn teilweise müssen Kollegen lange nach Nachfolgern suchen, wenn sie ihre Praxis aus Altersgründen abgeben.« Und so fühle sie sich trotz ihrer erst 31 Jahre gut akzeptiert und willkommen. Zudem seien die Hausärzte in Traunstein über den Verein »Hausärzte Stadt Traunstein« gut vernetzt.

»Da gibt es regelmäßige Treffen zum Erfahrungsaustausch und auch intern kleinere Fortbildungen. Das schafft Vertrauen, man kennt und schätzt einander.« In diesem Sinne werbe sie auch unter Kollegen für den Verein MEZIS. Denn es gehe keineswegs darum, irgendwen zu diskreditieren. Ziel sei eine Sensibilisierung für das Thema, »und da gibt es noch einiges zu tun. Aber wir sind da dran.« coho