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Ron Otto (mit Maske) überreicht die Auszeichnung an Schülerinnen der Mädchenrealschule; dahinter Schulleiter Ulrich Anneser und Landrat Bernhard Kern, rechts Konrektor Nicholas Mayer, Elternbeiratsvorsitzende Ursula Ahne, Pate Onur Bakis, FOS-Schulleiter Dr. Jochen Gollhammer und Bürgermeister Markus Hiebl (l.).

Wertetreppe als Symbol gegen Rassismus

Freilassing – Rassismus in all seinen Ausprägungen ist aktuell ein viel diskutiertes Thema. Wie kann man dem Alltagsrassismus mit Engagement und Courage entgegentreten? Eine Frage, die sich auch die Schulfamilie der Mädchenrealschule Freilassing stellte. Die Antwort wurde in einem Werte basierten Projekt gefunden, mit dem sich die Schule am Netzwerk »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« bewarb. Im Rahmen eines Festakts wurde nun der Schule die Auszeichnung verliehen und sie darf sich damit zu den deutschlandweiten 3 600 »Courage-Schulen« zählen.


40 Nationen besuchen die Mädchenrealschule

»Herzlich willkommen an unserer Schule« – mit einer »Body Percussion« begrüßten Schülerinnen der 5 c ihre Gäste in der vollbesetzen Schulturnhalle. Schulleiter Ulrich Anneser erinnerte an die Bibel, in der von der Volkszählung durch Kaiser Augustus berichtet wird: »Wenn sich heute all unsere Schülerinnen und Schüler am Geburtsort oder im Heimatland registrieren lassen müssten, dann wäre unsere Schule nur noch zu zwei Dritteln belegt.« Er verwies auf eine Umfrage, wonach Schülerinnen aus 40 Nationalitäten die Schule besuchen und der Migrationshintergrund bei knapp der Hälfte liegt. »Dass es bei uns an der Schule ein so gutes Miteinander gibt, gründet auch im täglichen Umgang, den wir untereinander pflegen«, betonte Anneser. Er verlieh seiner Freude Ausdruck, dass sich die Schule mit 90 Prozent der Befragten für die Teilnahme am Projekt »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« entschieden hat »und heute die Auszeichnung entgegennehmen kann«. Die Schülersprecherinnen Anna Abfalter und Anna Salbeck stellten die »Wertetreppe« als sichtbares Symbol des Schulprojekts vor. »Aus einer großen Auswahl haben wir uns für die fünf Werte Respekt, Ehrlichkeit, Vertrauen, Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft entschieden«, erklärten sie. Anna Abfalter fügte ganz unbescheiden hinzu: »Wir gehen in unserer Schule sehr respektvoll und hilfsbereit miteinander um, deshalb finde ich, dass wir uns den ›Preis‹ auch verdient haben«. Anhand von Schautafeln und Collagen stellten Vertreterinnen verschiedener Klassen die Wertetreppe vor und berichteten, wie die einzelnen Wertebegriffe mit konkreten Inhalten und Aktionen gefüllt wurden.

»Fly me to the moon« – beim musikalischen Zwischenspiel bewies Schulleiter Anneser, dass er nicht nur mit seinen Schülerinnen, sondern auch mit dem Saxofon recht gut umgehen kann – oder, wie es Landrat Bernhard Kern später ausdrückte: »Wenn sich der Rektor ans Instrument macht, dann ist das aller Ehren wert.«

Verschiedenartigkeitist ein Gewinn

Zuvor ergriff Freilassings Bürgermeister Markus Hiebl das Wort. Er zitierte den Blues-Musiker Oliver Mally: »Rassismus ist definitiv die ausgeprägteste Form von Farbenblindheit.« Es seien gerade die vielfältigen Farben der Gesellschaft, das Bunte, das Fröhliche, welches der Rassismus auszulöschen versuche. Der negative Trend des Rassismus müsse gestoppt und am besten schon im Keim erstickt werden. An die Schülerinnen gewandt betonte Hiebl: »Euch ist bewusst, dass Verschiedenartigkeit kein Defizit, sondern vielmehr ein Gewinn für alle ist.« Er gratulierte zu der Auszeichnung, »die euch stolz machen darf und immer wieder daran erinnern soll, dass sich jede Gemeinschaft aus vielen unterschiedlichen Individuen zusammensetzt und dass es oft genau das ist, was sie erfolgreich macht«. Auch Landrat Bernhard Kern beglückwünschte die Schulfamilie zu der Auszeichnung. »Demokratiefeindliche Kräfte stellen unsere offene Gesellschaft, unsere Meinungspluralität und unsere kulturelle Vielfalt zunehmend in Frage.« Kern appellierte an die Anwesenden: »Seid mutig, eure Meinung zu sagen und für sie einzustehen. Schaut nicht weg, wenn es zu Gewalt und Diskriminierung kommt, sondern setzt euch aktiv mit der Situation auseinander.«

Onur Bakis istPate des Projekts

Im Konzept »Schule ohne Rassismus« ist festgelegt, dass sich alle teilnehmenden Schulen Patinnen oder Paten aussuchen. Es sind meist bekannte oder in der Öffentlichkeit stehende Personen, die von den Schülerinnen und Schülern ausgewählt werden und die sie in ihrem Engagement unterstützen. Mit Onur Bakis, dem Leiter des Freilassinger Jugendprojekts »Doyobe« und siebenfachen österreichischen Breakdance-Meister hat die Schule einen kompetenten und sachkundigen Paten gewinnen können. »Ich habe die Welt bereist und viele Kulturen kennengelernt – aber eines ist immer gleich, es sind alle Menschen«, sagte Onur Bakis. An die Schülerinnen appellierte er: »Ihr seid die Botschafter, ihr habt euch schon so viel Wissen zum Thema ›Rassismus‹ angeeignet. Tragt es hinaus in die Stadt, in die Region, in die ganze Welt.« Nach einer Tanz- und Song-Einlage war es soweit: Ron Otto, Regionalkoordinator für die oberbayerischen Courage-Schulen, stellte das seit 1980 bestehende Netzwerk vor und ging auf die Zertifizierung der Mädchenrealschule ein: »Ich bin beeindruckt von der Idee der ›Wertetreppe‹ und noch mehr davon, wie toll das hier umgesetzt und erklärt wurde«, erklärte Otto. Er wies darauf hin, dass Schülerinnen und Schüler der Courage-Schulen eine durch ihre Unterschrift dokumentierte Selbstverpflichtung eingehen. Dort heißt es unter anderem: »Ich werde mich dafür einsetzen, dass es zu einer zentralen Aufgabe meiner Schule wird, nachhaltige und langfristige Projekte, Aktivitäten und Initiativen zu entwickeln, um Diskriminierungen, insbesondere Rassismus, zu überwinden.«

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Die »Wertetreppe« im Eingangsbereich des Schulgebäudes. (Fotos: Norbert Höhn)

Ron Otto bat die Schulfamilie auf die Bühne, um unter großem Beifall Urkunde und Schild »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage« zu überreichen. Elternbeirats-Vorsitzende Ursula Ahne gratulierte im Namen der Elternschaft: »An der Wertetreppe kann jeder Besucher sehen, was der Schule wertvoll und wichtig ist.« FOS-Schulleiter Dr. Jochen Gollhammer erinnerte in seinem Schlusswort daran, dass vor zwei Jahren bereits »der kleine Bruder Fachoberschule« dem Netzwerk beigetreten ist und sich mit dem Beitritt der Mädchenrealschule nun ein Kreis schließt.

Norbert Höhn