In Berchtesgaden und den Nachbargemeinden Bischofswiesen, Marktschellenberg, Ramsau und Schönau am Königssee war am Abend Land unter. Rund 900 Helfer aus dem südostbayerischen Raum waren bei circa 500 Einsätzen, pumpten Keller leer, räumten mit schwerem Hilfsgerät umgestürzte Bäume von Straßen, halfen, wo es nur ging, bei der Sicherung mit Sand-säcken. Ganze Hangabschnitte hatten sich in Bischofswiesen gelöst, kamen murengleich Richtung Tal. Die Baustelle des Bischofswieser Bahnhofs war zeitweise überflutet.
Besonders hart getroffen hat es den Bischofswieser Ortsteil Winkl: In einem Wohngebiet mit mehreren Reihenhäusern drang das Wasser in die Keller, überflutete sturzflussartig die Straße. Die braune Brühe bahnte sich ihren Weg von den Ausläufern des Untersbergs aus ins Tal, riss Geröll und Bäume mit sich. Felder wurden überflutet, Wohn- und Gewerbegebiete waren überschwemmt.
In Berchtesgaden musste am späten Abend eine Schleuse der Ache an der Bavaria-Kreuzung geöffnet werden – per Hand. Das Flussbett konnte die Wassermassen, in denen Bäume, Möbel und sogar Stahlcontainer trieben, nicht mehr führen. Dutzende Personen waren aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Viele wurden evakuiert. Das Landratsamt warnte Anwohner der Ache davor, nicht mehr ihre Keller zu betreten. »Die Schäden sind immens«, sagte ein Feuerwehrmann.
Auch der Berchtesgadener Fußballplatz war überschwemmt. Selbst das Gelände der Feuerwehr Berchtesgaden stand zeitweise kniehoch unter Wasser. So auch im Markt von Berchtesgaden, wo mehrere Autos wegen eines Motordefekts liegen blieben. Auch im Forstbetrieb Berchtesgaden beklagt man Schäden, wie ein Mitarbeiter berichtete. »Viele unserer Forstwege sind ausgeschwemmt.«
80 Bewohner mussten aus der Fischmichlsiedlung und der Siedlung an der Vorbergstraße gerettet werden. Es bestand die Gefahr von größeren Hangrutschen aus den Hängen des Grünsteins. Ein Geologe ist im Einsatz. Des Weiteren wurde die Entscheidung getroffen, Teilbereiche an der Königsseer Ache zu evakuieren. Auch die Gemeinde Marktschellenberg war überflutet. Die Ache, die sonst nur etwa 1,5 Meter Wasser führt, trat dort über ihre Ufer. In den engen Gassen stand das Wasser. Talwärts drückten die Regenmengen von den Berghängen.
Die gesamte Nacht auf Sonntag hindurch waren Feuerwehrler aller hinzu gerufener Wehren stark beschäftigt. Unterstützt wurden sie vom Technischen Hilfswerk, etwa in Schönau am Königssee, sowie von Wasserwacht und Bergwacht.
Ein Teilstück der Bundesstraße 20 unweit des Berchtesgadener Bahnhofs musste am späten Abend gesperrt werden. »Die Straße wurde unterspült, es herrscht absolute Lebensgefahr«, sagte ein Polizist dem »Berchtesgadener Anzeiger«. Die Bundesstraße wird längere Zeit nicht befahrbar sein, so lautet die Prognose.
Das letzte große Unwetter, das Berchtesgaden Hochwasser bescherte, war im Jahr 2013. Damals lag der Pegel der Ache bei 3,21 Meter – rund 60 Zentimeter niedriger als am Samstagabend.
Aufgrund der aktuellen Lage wurde entschieden, sowohl die Schulen als auch die Kindertageseinrichtungen in den Gemeinden des südlichen Landkreises (Berchtesgaden, Bischofswiesen, Marktschellenberg, Ramsau und Schönau am Königssee) am heutigen Montag geschlossen zu halten. Eine Notbetreuung wird sichergestellt. Anfragen sind an die Einrichtungsleitungen zu richten. Ob die Schließung auf Dienstag ausgeweitet werden muss, wird noch bekannt gegeben. Diese Maßnahme dient der Sicherheit der Kinder, aber auch der Reduzierung der Verkehrsströme im Talkessel.
Der Bahnverkehr zwischen Bad Reichenhall und Berchtesgaden wurde komplett eingestellt. Zwischen Bayerisch Gmain und Freilassing wurde ein Schienenersatzverkehr eingerichtet.
Kilian Pfeiffer