Ein nächtlicher Brand, gelegt von einer 61 Jahre alten Rentnerin in ihrer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Riedering (Landkreis Rosenheim), brachte sieben schlafende Menschen in höchste Gefahr. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Das Schwurgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Volker Ziegler verhängte nun eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren und ordnete die Unterbringung der Frau in einer psychiatrischen Einrichtung an – wegen siebenfachen versuchten Mords aus Heimtücke, versuchter Brandstiftung mit Todesfolge und schwerer Brandstiftung.
Im ersten Stock des Fünfparteienhauses lebte die 61-Jährige seit elf Jahren. In der gleichen Etage sowie im Dachgeschoss und im Erdgeschoss schliefen in der Nacht des 18. August 2022 die anderen Bewohner, darunter die Vermieterin und eine Familie mit drei minderjährigen Kindern. Staatsanwalt Wolfgang Fiedler zufolge entfernte die 61-Jährige vor der Brandlegung die Rauchmelder in ihrer Wohnung. Dann verschüttete sie Benzin um einen Holzschrank im Flur des Treppenhauses, zündete es an und fuhr mit ihrem Pkw weg.
Der Brand breitete sich in der Wohnung und im Flur des ersten Stockwerks schnell aus. Im gesamten Gebäude entwickelten sich starke Hitze und erheblicher Rauch. Die Flammen griffen über auf das Treppenhaus, den einzigen Fluchtweg für die Bewohner der oberen Etagen. Ein Knall in der Wohnung der Angeklagten, der Rauch und das Knistern des Feuers weckten die Mitbewohner. Jemand setzte um 1.45 Uhr einen Notruf ab. Die Mieter des Erdgeschosses konnten direkt ins Freie flüchten. Nach der Alarmierung durch die Einsatzzentrale in Rosenheim um 1.48 Uhr war die erste Wehr bereits um 1.55 Uhr am Einsatzort, um 1.59 Uhr die nächste. Dazu der Vorsitzende Richter: »Es ging Schlag auf Schlag – um 2.01 Uhr, 2.03 Uhr, 2.04 Uhr.« Den Feuerwehren gelang es, zügig die Flammen zu löschen. Die Menschen in den oberen Etagen brachten Feuerwehrleute mit Leitern über die Balkone in Sicherheit. Die Wohnung der 61-Jährigen war hinterher ausgebrannt, das Treppenhaus schwer in Mitleidenschaft gezogen. Der Staatsanwalt ging von einem Schaden von circa 300 000 Euro aus. Ein Beamter der Kripo Rosenheim informierte, an den abmontierten Rauchmeldern seien Fingerabdrücke und DNA-Material der 61-Jährigen gefunden worden.
Vor dem Brand in Riedering hatte die 61-Jährige offenbar in Raubling bei Verwandten im Freien Brennbares mit kaum Schaden entzündet. Danach war sie nach Riedering zu der Haupttat gefahren. Ihr ausgebrannter Pkw wurde später am gleichen Tag bei Lenggries an der Bundesstraße 13 entdeckt. Sie selbst wurde verletzt auf einem Trampelpfad in den Isar-Wäldern bei Hohenwiesen aufgegriffen und mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik geflogen.
Zu dem Pkw-Brand meinte der Sachverständige Dr. Hans Zwicknagl vom Bayerischen Landeskriminalamt, auf dem Rücksitz seien brennbare Flüssigkeiten verschüttet und angezündet worden. Durch die Stichflamme habe die Fahrerin vermutlich nach einem Schreckmoment das Auto reflexartig verlassen. Die Sachverständige Dr. Barbara Stöttner vom Rechtsmedizinischen Institut an der Universität München stellte an der 61-Jährigen kurz darauf Brandverletzungen ersten und zweiten Grads an Händen und Armen sowie versengtes Kopfhaar fest. Die Art der thermischen Verletzungen sei mit einer Stichflamme im Pkw vereinbar, bestätigte die Gutachterin. Die Angeklagte hatte nach eigenen Angaben in Riedering wie in Lenggries in Selbstmordabsicht gehandelt. Verteidiger Raphael Botor aus Rosenheim hatte am ersten Prozesstag erklärt, seine Mandantin leide seit Langem unter schweren Depressionen. Sie habe nicht mehr weitergewusst. Dazu der Rechtsanwalt: »Die Probleme führten zu einer inneren Explosion. Sie fasste den Beschluss, ihr Leben zu beenden.« Der Verteidiger zitierte die Frau: »Es sollte nichts mehr von mir übrig bleiben – als ob es mich nie gegeben hätte.« Sie habe aber »nie gewollt, dass jemand zu Schaden kommt«, ließ die 61-Jährige über den Verteidiger wissen.
Näheres zu ihrer Person wurde nicht bekannt. Das psychiatrische Gutachten erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ebenso die Plädoyers. Staatsanwalt Wolfgang Fiedler beantragte abschließend acht Jahre Haft und Unterbringung mit Verurteilung im Sinn der Anklage. Verteidiger Raphael Botor hielt vier Jahre Freiheitsstrafe plus Unterbringung, allerdings »nur« wegen schwerer Brandstiftung, für angemessen.
In der Urteilsbegründung sprach der Vorsitzende Richter von »einem perfiden Plan«. Ein hoher Brandschaden sei entstanden. Die Mieter im Obergeschoss hätten monatelang nicht in ihre Wohnungen zurückkehren können. Mordmotiv sei »Heimtücke« gegenüber den wehrlosen Personen, die sich im Haus in Sicherheit glaubten. Das Schwurgericht habe einen »Tötungsvorsatz« bejaht angesichts des hochgefährlichen Geschehens mit Benzin als Brandbeschleuniger. Zu Lasten der 61-Jährigen gingen die Folgen der Tat, ihr Vorgehen und die Verwirklichung gleich mehrerer Delikte. Zur unbefristeten Unterbringung führte Volker Ziegler aus, unbehandelt bestehe eine hohe Wiederholungsgefahr für ähnliche Taten.
kd