Mehr als ein Vierteljahr ist seit dem gewaltsamen Tod einer Studentin in Aschau vergangen. Ein Tatverdächtiger sitzt in Untersuchungshaft – er schweigt. Vertreten wird der junge Mann von Strafverteidiger Harald Baumgärtl. Wir sprachen mit ihm über den Stand der Ermittlungen und das »sehr aufwändige« Verfahren.
Der Haftbefehl lautet auf Mord. Wieso?
Das ist ein üblicher Vorgang für Strafverfolgungsbehörden. Anhand der Ermittlungen wird dann überprüft, ob Mordmerkmale vorliegen. Das trifft auch auf den in U-Haft-Sitzenden zu – falls dieser der gesuchte Täter ist.
Gibt es daran Zweifel?
Bis ein Urteil gesprochen wird, wird es immer Zweifel geben.
Steht schon fest, ob es zur Anklage kommen wird und wenn ja, wann?
Nach jetzigem Stand wird es wohl zur Anklage vor der Jugendkammer kommen. Das wird aber wohl nicht zeitnah geschehen, denn es ist noch einiges an Ermittlungsarbeit zu leisten.
Es wird also voraussichtlich Jugendstrafrecht angewandt?
Von 14 bis 18 Jahren muss zwingend Jugendstrafrecht angewandt werden. Im Bereich von 18 bis 21 Jahren wird anhand verschiedener Kriterien ausgearbeitet, ob Erwachsenenstrafrecht oder Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen muss. Entscheidend ist hier der Reifegrad. Ich sage immer, wenn jemand mit 20 die Firma des Vaters mit 200 Angestellten führt, dann ist vermutlich Erwachsenstrafrecht anzuwenden, wenn jemand noch bei den Eltern wohnt, eine Ausbildung macht, keine Freundin hat – dann eher Jugendstrafrecht.
Das ist ja nicht unerheblich für den Angeklagten, oder?
Das ist sogar sehr wichtig und entscheidend. Im Jugendstrafrecht werden ganz andere Kriterien angeführt als im Erwachsenenstrafrecht.
Die Ermittler haben im Fall Hanna über 1000 Zeugen vernommen. 200 stehen noch aus. Diese Akten müssen Sie vermutlich alle durchsehen, oder?
Natürlich. Es ist ein wahnsinniger Aktenaufwand – wobei die Staatsanwaltschaft vorsortiert. Wenn 500 Zeugen vernommen wurden, aber all diese sagten, 'wir haben nichts gesehen', dann fließt das nicht in die Hauptakte mit ein. Diese bekomme ich regelmäßig von der Staatsanwaltschaft. Das läuft sehr gut. Sobald die Freigabe da ist, gibt sie neue Erkenntnisse an mich weiter.
Wurden Ihnen mittlerweile die DNA-Gutachten vorgelegt?
Es gibt eine Reihe von DNA-Gutachten, die in Auftrag gegeben wurden. Erste Ergebnisse liegen meines Wissens vor. Diese werde ich zeitnah bekommen.
Bislang macht der Verdächtige von seinem Schweigerecht Gebrauch. Wieso? Haben Sie ihm dazu geraten?
Wir leben in einem Rechtsstaat, der es Beschuldigten ermöglicht, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Es gibt Verfahren, wo es besser ist, zu schweigen.
Aber mit Ihnen spricht der junge Mann?
Ja. Ich bin jede Woche ein- bis zweimal bei ihm. Aber es gibt auch Fälle, wo Beschuldigte überhaupt nichts sagen. Auch nicht zum Anwalt, der sie vertritt.
Wie kamen Sie an das Mandat? Es ist auffällig, dass Sie in den meisten schlimmen Fällen Strafverteidiger der Beschuldigten sind....
Grundsätzlich gilt: Zunächst wird ein Beschuldigter gefragt, ob er einen Anwalt will und ob er einen kennt, der ihn vertreten soll. Wenn dem nicht so ist, schlägt der Ermittlungsrichter einen vor. Schwierige Fälle kannst du nicht an Anfänger geben. Da muss ein Verteidiger gesucht werden, der das auch kann. Und ich bin über 30 Jahre im Strafrecht tätig...
Würden Sie sagen, dass dieser Fall ein schwieriger ist?
Schwurgerichtsverfahren sind immer schwierig und sehr aufwändig. Doch im Großen und Ganzen handelt es sich hier um ein normales Verfahren in einem Tötungsdelikt.
Das klingt für Außenstehende vermutlich sehr nüchtern, ist aber Teil Ihrer Arbeit als Strafverteidiger. Was antworten Sie jemandem, der Sie fragt, wieso Sie für einen brutalen Vergewaltiger oder Mörder das Beste rausholen wollen?
Jeder Angeklagte hat das Recht, rechtsstaatlich verteidigt zu werden. Und wenn es der Staatsanwaltschaft nicht gelingt, den Tatnachweis zu führen, dann ist dieser freizusprechen. Es gibt für jede Tat einen Strafrahmen – beispielsweise für eine Vergewaltigung zwei bis 15 Jahre. Bei einer schweren Vergewaltigung mit Raub sechs bis neun Jahre – das wird keine Bewährungsstrafe, nur weil der Verteidiger blumig redet. Wir leben schließlich in einem Rechtsstaat.
Klara Reiter