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Schorschi und der Arschkopf

Kinder und Narren sagen die Wahrheit, heißt es. Und: Kindermund tut Wahrheit kund. Kann ich nur bestätigen, sogar beweisen. Meine Nichte Maria wird bald dreieinhalb. Und von Tag zu Tag frecher. Autofahren findet sie blöd. Weil der Dolf stinkt, der Meretz zu laut ist und der Wolf hässlich. In Sachen Mobilität steht sie auf ihr Laufrad. Womit sie täglich in der Siedlung unterwegs ist. Natürlich in voller Montur inklusive Helm. Neulich durfte ich sie bei einer Tour begleiten.

Nach ein paar Metern kamen uns der Maier-Sepp und sein Sohn Jean-Jacques, genannt Schorschi, radelnd entgegen. Der Schorschi, ein eher schweigsamer Einzelgänger vom Typ Lone Rider, fuhr voraus. Wie es sich gehört, hatte er einen Helm auf dem Kopf. Dicht dahinter schnaufte sein Vater Sepp. Der Sepp ist intellektuell-kognitiv und auch motorisch eher ein Low-Performer. Auf bairisch: a Depp hoid. An ihm ist alles langsam. Er radelt in Zeitlupe, der Slow-Motion-Sepp.

Und wie die beiden so vorbeirollen, hält Maria plötzlich an. Fixiert den Sepp mit dem für Kinder typischen Killerblick, stampft mit dem rechten Fuß auf den Asphalt und brüllt: Sie tragen keinen Helm, Sie Arschkopf. Was dann geschah, lässt sich schwer beschreiben. Denn ich musste gleichzeitig lachen, husten, mich schämen, mich ärgern, rot werden, weiß werden, jubeln, nicken, klatschen und den Kopf schütteln.

Schmarrn. In Wirklichkeit habe ich einfach nur blöd geschaut. Und der Sepp? Der Depp hat so getan, als hätte er nichts gehört. Vielleicht hat er die komplexe Message aber auch erst zuhause verstanden. Der Schorschi jedenfalls hat der Maria nur kurz cool zugenickt. Dann radelte der Lone Rider weiter in den Sonnenuntergang.

Christian Fischer