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Bob-Cheftrainer Christoph Langen geht mit verhaltenem Optimismus zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi. Foto: Anzeiger/Wechslinger

»Realistisch sind wir nicht schnell genug«

Berchtesgaden – Bob-Bundestrainer Christoph Langen, in seiner aktiven Zeit der erfolgreichste Bobfahrer der Welt, gibt sich vor Olympia keinen Illusionen hin. Die bescheidenen Platzierungen seiner Aktiven den gesamten Winter über und auch das schwache Abschneiden bei den Weltcuprennen am Königssee lässt beim Berchtesgadener keine Euphorie aufkommen. Dennoch steuert Christoph Langen, wie er kurz vor seiner Abreise nach Sotschi gegenüber dem »Berchtesgadener Anzeiger« betonte, mit seinen Teams Edelmetall an.


Wenn Bobfahrer auf Reisen gehen, dann haben sie ja neben neun Bobs einiges an Material dabei. Wie läuft das logistisch ab?

Christoph Langen: Wir haben wie immer bei Flugreisen die Bobs in Container verladen, die eine Spedition übernimmt und sie nach Sotschi transferiert. Von dort werden sie direkt an die Bobbahn gebracht, wo sie in eine Art geschlossene Container-Werkstatt kommen. Dort können wir die Bobs herrichten. Die gesamte Aktion läuft über den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB).

Ihr seid ja auf die Shuttledienste der Russen angewiesen. Welche Erfahrungen gibt es da?

Langen: Das bringen die Veranstalter schon gut hin. Alleine in Turin klappte es schlecht. Vom olympischen Dorf in Krasnaja Poljana geht sogar eine Sesselbahn zur Bobbahn.

Wie darf man sich die ersten Aktionen vorstellen und stehen die Trainingszeiten schon fest?

Langen: Ich bin ja schon einen Tag vor dem Team in Sotschi und kenne mich dann schon aus. Zunächst beziehen wir nach individueller Anreise der Aktiven und des Personals das olympische Dorf und räumen die Bobwerkstatt ein. Danach gibt es eine Teambesprechung mit allen Aktiven, Trainern und Betreuern. Später gehen wir die Bahn ab und machen uns mit den Umständen vertraut. Die Trainingszeiten stehen auch schon im Detail fest.

Es taucht immer wieder die Frage auf, ob Manuel Machata in Sotschi mit dabei ist.

Langen: Machata ist zunächst nicht dabei, aber akkreditiert. Er würde bei einem Ausfall eines Piloten nachkommen. Wir dürfen ja keinen Ersatzpiloten und nur zwei Anschieber zusätzlich mitnehmen.

Würde das dann mit den Bobs für Machata passen?

Langen: Die Bobs sind identisch, da müsste nur die Sitzposition verändert werden. Es gibt auch kein Problem mit den Anschiebern, die sind ja alle eingespielt.

Stimmt es, dass das ganze Bob-Team nach der Eröffnungsfeier für eine Woche nach Istanbul geht?

Langen: Unser erster Wettkampf findet ja erst mit Zweierbob am Sonntag, 16. Februar, statt. Davor haben wir nur am 5. und 6. Februar zwei Trainingstage. Um einem Lagerkoller zu entgehen, habe ich nach Alternativen gesucht. So würden wir eine Woche im recht engen olympischen Dorf herumhängen, was nicht gut für die Psyche ist. Auch die Trainingsmöglichkeiten sind beschränkt, wir können ja nicht nach Sotschi, da dürfen wir gar nicht hin. Und so habe ich nach dem kürzesten Weg zu einer besseren Location gesucht. Nachdem in Istanbul die Leichtathletik-Hallenweltmeisterschaften waren, habe ich beim Kongress der Rodler Verbindung zu den Organisatoren in Istanbul aufgenommen. Dort haben wir nach nur einer Stunde Flugzeit beste Trainingsmöglichkeiten. Wir kommen dann am 12. Februar zum offiziellen Training wieder zurück nach Sotschi.

Gibt es da die Möglichkeit, die interessante Stadt am Bosporus zu besichtigen?

Langen: Nein, das ist eine reine Trainingsmaßnahme. Wir müssen uns vollkommen fokussieren und dürfen uns keine Fehler erlauben. Von unseren drei Piloten war nur Thomas Florschütz bisher bei Olympischen Spielen, für Francesco Friedrich und Maximilian Arndt und die Anschieber bis auf Kevin Kuske ist alles neu. Wir fahren nicht zu Olympia, um zu genießen, wir wollen Medaillen holen. Zudem wollen wir weg von den Medien und uns mental bestens vorbereiten.

Von deutschen Bobfahrern werden Medaillen erwartet.

Langen: Ich habe nie Prognosen abgegeben, die Vorgabe des Deutschen Olympischen Sportbunds sind drei bis fünf Medaillen. Erfolge kann man aber nur teilweise planen. Mein Ziel ist es, in Sotschi unsere besten Leistungen der gesamten Saison abzurufen. Fahrerisch und athletisch haben wir alles bestens vorbereitet. Dass wir beim Material Probleme haben, hat man ja gesehen, die bekommen wir auch nicht mehr zu hundert Prozent in den Griff. Das hat ja auch das Ergebnis vom Königssee gezeigt. Da gibt es nichts zu beschönigen, ich bin Realist genug, unsere Lage richtig einschätzen zu können.

Zu den Siegern vom Königssee wird als großer Favorit auf seiner Heimbahn noch Aleksander Zubkov dazu kommen, der zuletzt in Sotschi trainiert hat.

Langen: Ja, klar, der ist daheim natürlich der erklärte Favorit. Die Russen haben einen neuen Zweierbob gebaut und gerade im Bewerb der kleinen Schlitten sind wir derzeit nicht bei den Besten dabei. Dies aber nicht, weil wir schlecht trainiert haben, das hat andere Gründe.

Warum laufen die Bobs nicht wie erwartet?

Langen: Wenn ich das wüsste, würde ich es sofort abstellen. Wir haben alles versucht und sogar noch an Weihnachten an den Bobs gearbeitet. Wir haben an der letzten Schraube gedreht, sind aber nicht drauf gekommen, warum wir langsamer als die Weltspitze sind. Der Wurm steckt im Detail und wir finden ihn nicht. Nicht das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten oder irgendeine andere unterstützende Organisation werden nach Medaillen abgerechnet, sondern alleine wir als Verband.

Wie sehr freuen Sie sich auf Sotschi?

Langen: Es sind Olympische Spiele und ich freue mich natürlich darauf, aber ich bin total fokussiert auf unsere Belange. Denn ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Olympische Spiele nur schön sind, wenn man auch erfolgreich ist. Ich will unbedingt Medaillen holen, Olympische Spiele haben bekanntlich eigene Gesetze. Im Frauen- wie im Männerbereich haben wir jeweils drei Teams, die um die Medaillen fahren können. Die aktuellen Zweier und Viererweltmeister sowie der Silbermedaillengewinner der letzten Olympischen Spiele Thomas Florschütz sind bei uns dabei. Wir gehen mit einer richtig starken Mannschaft nach Sotschi, uns fehlt nur noch das letzte Quäntchen. Ich hoffe, das kommt dann bei den beiden letzten Trainingseinheiten. Dann holen wir auch die von uns erwarteten Medaillen. Christian Wechslinger