»Es ist alles gerade total überwältigend«
»Es ist alles gerade total überwältigend. Dass es vorbei sein soll, geht mir noch gar nicht so richtig in den Kopf«, sagte Herrmann-Wick mit feuchten Augen in der ARD. Direkt hinter der Ziellinie wurde sie von Ehemann Thomas Wick und vielen Weggefährten empfangen. Sie bekam einen Superwoman-Umhang und wurde kurzerhand »Herrminator« getauft, ehe sie zur Sektdusche ansetzte. »Es war eine emotionale Herausforderung«, sagte Herrmann-Wick, ehe sie sich in einen voraussichtlich langen Partyabend verabschiedete.
Am Samstag erreichte sie zuvor ihr letztes sportliches Ziel. Die Weltmeisterin gewann nicht nur den abschließenden Sprint ihrer Laufbahn, zur Krönung gab es auch noch die kleine Kristallkugel für den Gewinn des Disziplin-Weltcups. »Es ist wirklich der reinste Genuss«, sagte die Wahl-Ruhpoldingerin nach einem perfekten Auftritt ohne Schießfehler. »Ich bin unglaublich stolz und froh, dass wir den Tag so genießen können«, sagte Herrmann-Wick. Freunde und Familie hatten sie das ganze Wochenende in Norwegen angefeuert und unterstützt.
Sie alle sahen auch, wie sich die ehemalige Langläuferin eine Audienz bei Norwegens König Harald verdient hatte. Nur die Siegerinnen und Sieger dürfen in die Loge auf der Haupttribüne. Herrmann-Wick nutzte die seltene Gelegenheit für ein Selfie, danach wurde sie von Trainern und Betreuern bei einer kleinen Feier jubelnd in die Luft geworfen. Am Sonntag leistete sie sich dann drei Schießfehler und schaffte es kein weiteres Mal auf das Podest. Beim Sieg der Schwedin Hanna Öberg wurde Hanna Kebinger überraschend Vierte.
Nach Jahrzehnten des sportlichen Wettkampfs freut sich Herrmann-Wick auf neue Erfahrungen. »Für mich ist es jetzt auch ein Ziel, mal spontan zu sein, mal flexibel zu sein. Das ist nicht meine größte Stärke. Aber nach so vielen Jahren Strukturiertheit und Durchgeplantheit ist das jetzt auf der Tagesordnung«, sagte sie.
Während Herrmann-Wick ihr Karriereende bereits am Dienstag verkündet hatte, teilte Bundestrainer Kirchner der Mannschaft erst am Samstag mit, dass er nach 13 Jahren als Chef der Männer aufhören wird. Der sonst rationale Thüringer musste dann mit Mühe seine Tränen unterdrücken, als er seinen Rücktritt live vor einem Millionen-Publikum in der ARD öffentlich machte. »Die Arbeit hat mir bis zuletzt viel Freude bereitet. Aber jetzt ist für mich der Zeitpunkt gekommen, um den Weg für neue Impulse freizumachen«, sagte der 52-Jährige.
Eigentlich war erwartet worden, dass er das Team in Richtung Olympia 2026 in Italien führt. Doch das übernimmt nun Kirchners bisheriger Assistent Uros Velepec, der neuer Coach der Herren wird. Der 55-jährige Slowene wird zukünftig gemeinsam mit dem ehemaligen Weltklasse-Langläufer Jens Filbrich (44) das Trainer-Duo bilden. Filbrich soll die Skijäger in den Bereichen Lauftechnik und Athletik voranbringen.
Kirchner, der als Aktiver dreimal Olympiasieger wurde, bleibt dem Deutschen Skiverband erhalten und soll als übergreifender Nachwuchstrainer die strategische Athletenentwicklung koordinieren und intensivieren. »Ich möchte den Koffer in die Ecke stellen, öfter mein eigenes Bett nutzen, nicht mehr 170 Tage im Jahr im Hotel wohnen und unzählige Stunden auf Reisen sein«, sagte Kirchner, der seit 2010 Bundestrainer der Männer war.
Johannes Thingnes Bö baut Superserie aus
Zur Saison 2018/2019 hatte er auch die Verantwortung für die Frauen übernommen. Unter seiner Führung reiften Athleten wie Arnd Peiffer, Simon Schempp, Erik Lesser und Benedikt Doll zu Olympiasiegern und Weltmeistern. Bei der Heim-Weltmeisterschaft in Oberhof waren die deutschen Männer allerdings das erste Mal seit 1976 in WM-Rennen ohne Medaille geblieben.
Auch am Abschluss-Wochenende gab es nichts mehr zu feiern. Doll wurde als bester Deutscher Verfolgungsvierter, Roman Rees im Massenstart 13. Norwegens Superstar Johannes Thingnes Bö gewann alle drei Rennen am Holmenkollen und baute seinen Siegrekord auf 19 Erfolge in einer Saison aus.
