Die Serie massiver Betrügereien an älteren Mitbürgern in Bayern begann mit der Tat in Prien. Die Täter hatten ihre späteren Opfer telefonisch kontaktiert und sich als Kripobeamte ausgegeben. Sie gaben an, dass sie eine Einbrecherbande ausgeforscht und dabei Unterlagen gefunden hätten, die darauf hindeuten, dass der Angerufene möglicherweise selbst Opfer eines Einbruches werden würde. Die falschen Beamten boten den Opfern an, ihre Wertgegenstände zur Aufbewahrung an die Polizei zu übergeben, bis die Täter festgenommen worden wären.
Am 21. Mai 2019 übergab schließlich eine 61-Jährige auf dem Supermarktparkplatz an der Franziska-Hager-Straße in Prien an einen falschen Kriminalbeamten Goldbarren und Golddukaten im Gesamtwert von etwa 600.000 Euro.
In weiteren Fällen wurden verschiedene Opfer aus Bayern von den unbekannten Tätern zur Übergabe von Bargeld und Wertgegenständen, jeweils zwischen 30.000 und 50.000 Euro, überredet. Anschließend wurde das Vermögen auch abgeholt.
Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass die Anrufe über türkische Callcenter geführt wurden. Als Abholer wurden über Soziale Medien verschiedene Personen angeworben. In der Regel erhielten diese dafür eine Provision zwischen sieben und zehn Prozent der Beute. Den Restbetrag übergaben die Abholer wiederum an unbekannte Täter, die diesen außer Landes brachten.
Die zuständigen Ermittler des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd konnten bei den akribisch geführten Untersuchungen einen Zusammenhang mit Straftaten in Niederösterreich herstellen. Das dortige Landeskriminalamt wurde bereits Mitte Juni 2019 von den oberbayerischen Ermittlern um Unterstützung ersucht.
Bis Ende Juli hatten die deutschen Behörden drei österreichische Tatverdächtige namentlich ermittelt. Daraufhin konnte die Staatsanwaltschaft Traunstein europäische Haftbefehle gegen die drei mutmaßlichen Täter im Alter von von 21, 23 und 25 Jahren erwirken. Diese wohnten in den Bezirken Neunkirchen und Wiener Neustadt und waren laut Polizei abwechselnd als Abholer tätig. Die Österreicher arbeiteten als selbstständige Versicherungsagenten in Wiener Neustadt und kannten sich bereits persönlich.
Am 3. September 2019 wurde den Beamten des LKA Niederösterreich ein weiterer Betrug aus Passau gemeldet: Dort hatte ein Anwohner 35.000 Euro an einen falschen Beamten übergeben, der als der 21-Jährige aus dem Bezirk Neunkirchen identifiziert wurde. Nach der Übergabe hat dieser die Bundesrepublik umgehend verlassen.
Bereits wenig später konnte der junge Mann im Gemeindegebiet von Neunkirchen angehalten und festgenommen werden. Auf dem Beifahrersitz saß ein 24-Jähriger, der ebenfalls als Abholer tätig war und festgenommen wurde. Noch am gleichen Tag konnten im Zuge der Ermittlungen sowohl der 23- als auch der 25-Jährige ausgeforscht und aufgrund der vom Amtsgericht Traunstein ausgestellten EU-Haftbefehle festgenommen werden.
Bei der anschließenden Befragung zeigten sich die Verdächtigen geständig. Der in Passau abgeholte Bargeldbetrag in Höhe von 34.850 Euro konnte im Wagen der beiden Betrüger in einem Versteck unter dem Armaturenbrett sichergestellt werden.
Auch ein 32-jähriger Türke aus Istanbul, der das Geld am Folgetag auf einem Parkplatz am Flughafens Wien Schwechat entgegennehmen wollte, konnte ausgeforscht und festgenommen werden.
Bei den fortgesetzten Ermittlungen konnten weitere Täter der Gruppe ermittelt werden, denen in der Zeit vom 17. April bis zum 4. September 2019 insgesamt vier Taten in Passau und die Tat im Mai in Prien zur Last gelegt werden. Die Gruppe um den 23-Jährigen aus dem Bezirk Wiener Neustadt Land erhielt rund 140.000 Euro als Provision aus den Taten, bei denen ein Gesamtschaden von 700.000 Euro verursacht wurde. Die vier Festgenommenen und der Übernehmer aus der Türkei sitzen in Untersuchungshaft.