Im November 1915 in Münchens Stadtteil Schwabing geboren, lernte der 26-Jährig beim Schlittschuhlaufen im Prinzregentenstadion die neun Jahre jüngere Antonie Rieder kennen, die aus dem später eingemeindeten Salzberg bei Berchtesgaden stammte und als Hausangestellte in der bayerischen Landeshauptstadt arbeitete. Allein schon durch diese familiäre Bindung war Sommer häufig Gast im Berchtesgadener Land und vermutlich stets mit Mal- und Zeichen-Utensilien im Gepäck.
Im Salzberger Kehlsteinhäusl am Sommerbichlweg wohnten die Eltern von Konrad Sommers Ehefrau Antonie und hierher kam das Paar ab der 1940er- bis in die 1980er-Jahre zu regelmäßigen Besuchen. Die für den Maler und Zeichner oft auch Gelegenheit zum Arbeiten boten. Viele Bilder seines künstlerischen Nachlasses deuten darauf hin. Über Jahrzehnte hinweg schuf Sommer ein vielseitiges, in sich auch wandelndes Werk – und niemand hat es gemerkt. Das trifft vor allem für die Kunstinteressierten im Berchtesgadener Land zu.
Museumschefin Friedl Reinbold und der Berliner Martin von Ostrowski erklären in Übereinstimmung, dass der Maler ein zurückgezogenes Leben führte, seinen Blick auf die Kunst richtete und wohl kaum an öffentlichen Bekundungen Interesse zeigte. Keine Ausstellungen gab es zu Lebzeiten des Künstlers, lediglich an einer Gruppenausstellung war er beteiligt. »Erst nach seinem Tod gelangten Werke an die Öffentlichkeit – eine für einen Künstler höchst ungewöhnliche Rezeptionsgeschichte«, schreibt von Ostrowski in einem kleinen, die Ausstellung im Adelsheim begleitenden Katalog. Der Kunsthistoriker ist zugleich auch Sammler und stellte alle Bilder der zweiteiligen Werkschau zur Verfügung und ermöglicht so dem Betrachter, die Entwicklung einer Künstlerpersönlichkeit fast lückenlos nachvollziehen zu können.
Der Linkshänder
Am 9. November 1915 in München-Schwabing geboren, siedelte er elfjährig in das von den Eltern erbaute Haus in München-Moosach mit ihnen um und lebte dort bis zu seinem Tod. Konrad Sommer war ein Linkshänder, musste allerdings nach damaligen Vorgaben beim Schreiben die rechte Hand benutzen. In seiner Kunst allerdings unterwarf er sich diesem unsinnigen Zwang nicht. Mit 15 Jahren begann Sommer eine Ausbildung als Chemigraf an der Fachschule für »Photographen, Chemigraphen, Kupfer- und Tiefdrucker« und ließ sich parallel in den Sparten Metallretusche, Strich-, Autotypie- und Farbätzerei in der »Graphischen Kunstanstalt Brend´Amour, Simhardt & Co. ausbilden. Bei dieser Firma arbeitete er bis zum Wehrdienstantritt im November 1937. Den Beruf des Chemigraphen gibt es längst nicht mehr. Es war ein Schreiber, Zeichner oder Maler, der Chemie nutzt. Das machen heute Mediengestalter für Digital- und Printmedien.
Bereits früh zeichnete und aquarellierte Konrad Sommer, was darauf schließen lässt, dass er seine beruflichen Wünsche auf ein Leben als Künstler ausrichtete. Nach seinem zweijährigen Wehrdienst wurde Konrad Sommer als Soldat im begonnenen Krieg eingesetzt, zwei Jahre darauf allerdings aus der Wehrmacht entlassen, weil er als Anzeichner in der Rüstungsindustrie eingesetzt werden sollte. In der Münchner Firma Krauss-Maffei fand er eine Anstellung, dort war auch sein Vater Tobias beschäftigt.
Begegnung beim Schlittschuhlaufen
Seine spätere Frau Antonie lernte Sommer auf dem Eis kennen, beim Schlittschuhlaufen. Sie war 17 Jahre alt, er 26. Antonie, die in Salzberg bei Berchtesgaden zu Hause war, arbeitete in München als Haushälterin, gab allerdings nach der Hochzeit unmittelbar nach Kriegsende den Beruf auf, um die Mutter ihres Mannes, die an Multiple Sklerose litt, zu pflegen. Als die Mutter 1952 starb, hatte das Paar mehr Zeit für gemeinsame Ausflüge und der Künstler Konrad Sommer mehr Gelegenheit, sich mit Skizzenblock in der Natur aufzuhalten und sie festzuhalten. Der Maler hatte als weiteres Mittel auch längst die Fotografie entdeckt. Aber auch die Besuche der Schwiegereltern in Berchtesgaden häuften sich. Die Natur, die Berge, die Sommer so sehr schätzte, lagen unmittelbar vor der Haustür.
Die produktiven 1970er-Jahre
Ab 1959 arbeitete Konrad Sommer wieder als Chemigraf in einem Münchner Verlag und blieb dort bis Ende 1973. Die chemische Abteilung gab es von da ab nicht mehr. Sein Zeugnis hebt vor allem sein herausragendes Farbempfinden hervor. Als Arbeitsloser hatte er nun wieder mehr Zeit, seiner eigentlichen Berufung nachzugehen. Die 1970er- Jahre wurden, so schildern es seine Biografen, die produktivsten seines Künstlerlebens. Das allerdings im Wortsinn getrübt wurde, denn sein Sehvermögen verschlechterte sich zunehmend. Operationen an beiden Augen folgten. Zwar zwang ihn das zur Aufgabe der Fotografie, seine zeichnerischen und malerischen Aktivitäten setzte er jedoch fort, so lange es möglich war. Zwischen 1984 und 1997 entstand Sommers so genanntes Alterswerk, das trotz der Seheinschränkungen seine großartigsten malerischen Arbeiten hervorbrachte. Im Jahr vor der Jahrtausendwende erblindete Konrad Sommer vollständig. Im Jahr 2012 verstarb der Künstler. Seine Frau Antonie kümmerte sich um den sehr umfangreichen künstlerischen Nachlass bis zu ihrem Tod im Jahre 2021.
Martin von Ostrowski, der sich einen Großteil des künstlerischen Nachlasses von Konrad Sommer gesichert hat, teilt die Schaffenszeit des Künstlers in Frühwerk, Personalstil sowie Spätwerk ein und beschreibt immense Veränderungen in Sichtweise und Malstil im Laufe der Jahrzehnte. Sommer habe seine Kunst mit einem enormen Zeitaufwand betrieben, wie sie nur ein »von Malerei Besessener« entfalten könne. Zuerst habe ihn der Realismus des 19. Jahrhunderts fasziniert. Wie die Maler dieser Epoche, habe er Farbflecken dicht nebeneinandergesetzt, um eine belebte Flächenstruktur zu erreichen. In der als Personalstil bezeichneten Schaffensperiode, die bei Sommer erstaunlicherweise erst nach Vollendung seines 40. Lebensjahres einsetzte. Nun, so beschreibt es von Ostrowski, bediene sich der Maler weiter einer fleckenhaften, durch strukturierte Pinselstriche geprägten Malerei, die allerdings einen blockhaften Ausbau in der Komposition bewirke. In der späten Phase, die beeinflusst von der schwindenden Sehfähigkeit war, übermalte Sommer frühere Werke, um die Ausdruckskraft der Bilder zu steigern.
Ausstellung bis zum Jahresende
Aber das alles ist Theorie. Selten gibt es für Leser und Betrachter Gelegenheit, nur Beschriebenes in der Realität zu überprüfen. Im Museum Schloss Adelsheim sind die Werke von Konrad Sommer bis zum Jahresende zu sehen. Im Nebengebäude sind in umfangreicher Werkschau Gemälde zu sehen, die das Arbeitsfeld von Konrad Sommer ab der 1940er-Jahre fast ein halbes Jahrhundert verfolgen lassen. Die im so genannten Kabinett ausgestellten Aquarelle, die in Mehrzahl durch Frische und mutige Farbgebung überzeugen, umfassen etwa den gleichen Zeitraum.
Ist der Künstler und sein Werk auch erst sehr spät und ohne eigenes Zutun in die Öffentlichkeit gekommen, sollten Interessierte die Möglichkeit nutzen, um sich mit dem immens beachtenswerten Können Konrad Sommers vertraut zu machen. Zum ersten Mal und, wer kann es wissen, vielleicht auch zum letzten Mal.

Dieter Meister