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Ludwig van Beethovens Cellosonate Nr. 3, interpretiert von Felix und Simon Nagl (Cello). Mutter Monika blättert um. (Foto: Janoschka)

Kammermusikmarathon mit vier Konzerten an zwei Tagen

Einen wahren Kammermusikmarathon absolvierten die Brüder Simon und Felix Nagl im Musikzimmer ihres Elternhauses in Ruhpolding mit zwei anspruchsvollen Sonaten von Ludwig van Beethoven und Dmitri Schostakowitsch. Viermal fand dieses Konzert mit jeweils etwa 20 Besuchern statt. Ein neu überholter Steinway Flügel garantierte hervorragende Klangqualität.


Werke der Künstlerin Monika Nagl-E schmückten die Wände, wovon eines als Performance zu den Klängen einer klassischen Sonate entstanden war. Der Vater Georg NagI, Vorsitzender des Vereins Kulturinitiative e.V., ist Hauptorganisator der Konzerte im Rahmen der Opern- und Konzerttage Ruhpolding.

Im Stil eines Gesprächskonzertes hieß der künstlerische Leiter der Veranstaltungsreihe, Simon Nagl, die Gäste willkommen und informierte im Dialog mit seinem Bruder Felix über die Sonate Nr. 3 in A-Dur für Violoncello und Klavier, op. 69 von Ludwig van Beethoven (1770-1827) und die Sonate in d-Moll für Violoncello und Klavier, op. 40 von Dmitri Schostakowitsch (1906-1975).

Den Zyklus mit Beethoven-Sonaten hatten die Musiker vergangenes Jahr mit den Sonaten Nr. 1 und Nr. 2, die mit Opus 5 zum Frühwerk des Komponisten gehören, begonnen. Die Sonate Nr. 3 besteht aus den drei Sätzen »Allegro, ma non troppo, Scherzo mit der Tempobezeichnung Allegro molto, Adagio cantabile – Allegro vivace«. Einen langsamen Satz hat Beethoven hier nicht komponiert, mit Ausnahme der Adagio-Einleitung zum dritten Satz.

Gesanglich und lyrisch stellte der Cellist Simon Nagl das Thema solistisch vor, bevor Bruder Felix einsetzte und seinerseits die Themenmelodie am Flügel solistisch wiederholte. Gleichberechtigt und sich wunderbar ergänzend, bewegten sich die beiden Instrumente durch Durchführung und Reprise, was den Musikern Einiges an Virtuosität abverlangte. Der zweite Satz unterscheidet sich in seinem Charakter von den Ecksätzen durch seine »eigenwillige, trotzige Energie«, wie Felix Nagl in der Einführung feststellte. Den beiden Interpreten gelang es sehr gut, die jeweilige Intention des Komponisten herauszukristallisieren und hörbar zu machen.

Der Dialog zwischen den Instrumenten einerseits und das Miteinander andererseits ebenso wie die große Spannungslinie, die die beiden Instrumentalisten kongenial aufbauten, machten den dritten Satz zu einem besonderen Genuss.

Nach der Pause hieß es »andere Musik, andere Zeit, anderes Land«. Um unter Stalin als Komponist bestehen zu können, hielt sich Schostakowitsch scheinbar an die formalen Vorschriften, drückte seine Ablehnung des Systems jedoch durch musikalische Ironie aus. So könne man in seinen 15 Sinfonien die gesamte Geschichte Russlands herauslesen, informierte Simon Nagl und ergänzte, dass die 9. Sinfonie, die nach Kriegsende entstand, eine parodistische Zirkussinfonie ist. »Aber Stalin hat dies alles – glücklicherweise – nicht kapiert.«

Die Sonate op. 40, seine einzige Cellosonate, entstand 1934, als Schostakowitsch 28 Jahre alt war. Was in seinem Gesamtwerk an Intentionen steckt, ist bereits in dieser frühen Sonate angelegt: In einer deutlichen Entwicklung von einem neoromantischen Zelebrieren der Gefühle im »Allegro non troppo« über anscheinend angepasste schnelle marschartige Partien im 2. Allegro-Satz und tiefe Tragik im »Largo« endet das Finale im »Allegro« leicht grotesk mit verfremdeten Elementen, besonders im Cello. Ein paar Takte klingen jazzig, bevor sich der Komponist ironisch selbst diszipliniert und wieder »brav« weiterkomponiert.

Die beiden Brüder hatten nicht nur die Hintergründe der Musik Schostakowitschs studiert und ihrer Interpretation zu Grunde gelegt, sondern fanden auch den Zusammenhang zwischen Beethoven und seinem Kollegen des 20. Jahrhunderts wichtig und erwähnenswert: »Die Musik beider Komponisten hat miteinander zu tun,« so Felix Nagl. »Schostakowitsch greift klassische Formen auf, sprengt sie manchmal und füllt sie mit reibungsvoller, dissonanter Tonsprache.«

Als Zugabe hörten die begeisterten Gäste das »Andantino sostenuto e cantabile« für Klavier und Violoncello, KV. Anh. Nr. 46, herausgegeben von Felix Schroeder, der Wolfgang Amadeus Mozarts (1756 bis 1791) nur als Fragment überliefertes Werk ergänzt hatte. So konnten sich die Besucher auf einen geführten Spaziergang durch die Musikgeschichte mitnehmen lassen und Musik hautnah und auf hohem Niveau erleben. Brigitte Janoschka