Eines Tages werden sie wieder weithin hörbar sein. Wann sie genau ertönen, steht jedoch in den Sternen. In der Kirche St. Georg und Katharina im Stadtpark herrscht schon seit Monaten große Stille. Weil der Pfarrer bereits seit geraumer Zeit krank ist, gibt es schon lange keine Gottesdienste mehr. Wann sie wieder losgehen, ist nach wie vor ungewiss. Und so haben auch die beiden Kolosse, die sich weit oben im Turm der Kirche in einer abgelegenen Kammer verbergen, nichts zu tun. Schon Jahrhunderte tragen die beiden Glocken, die zu den ältesten in Traunstein zählen, auf ihrem Buckel. Doch nach einer Restaurierung vor einigen Jahren sind sie nach wie vor in Schuss. Und sie warten nur darauf, wieder loslegen und schlagen zu dürfen.
Wer die Tür der früheren Friedhofskirche öffnet – wo heute der Stadtpark ist, war früher einmal der Friedhof –, kommt ins Innere des Gotteshauses, das heute die Rumänische Gemeinde Heilige Dreieinigkeit Traunstein nutzt. Und dort beginnt dann der atemberaubendste Zugang zu einem Kirchengeläut, den Traunstein und wohl auch die gesamte Region zu bieten hat. Um die Glocken erreichen zu können, müsse man, wie Wilfried Prüller von der Kirchenverwaltung St. Oswald – er ist für das Gotteshaus im Stadtpark zuständig – ausführt, eine Leiter aufstellen und dann auf ihr mindestens zehn Meter emporsteigen, bis man eine circa 40 mal 50 Zentimeter große Öffnung erreicht. In luftiger Höhe müsse man dann von der Leiter in diese Engstelle hineinkriechen. Diese Kraxelei sei, wie Prüller erläutert, der »schwierigste Teil« des Wegs zu den Glocken. Wenn man dann durch die Öffnung das Dachgewölbe der Kirche erreicht habe, sei der Rest leicht zu schaffen. Dann führe ein gesicherter Weg über Stege und Leitern zu den Glocken.
Nicht nur innen, auch außen könne man zum Ziel gelangen, so Prüller weiter. In diesem Fall benötige man aber eine Hebebühne oder etwas ähnliches. Wenn sie ausgefahren werde, dann könne man über eine Dachgaube ins Innere der Kirche zu den Glocken gelangen.

So speziell der Zugang zu ihnen ist, so besonders sind auch die Glocken selbst. Wertvolle Schätze lassen sich eben nicht leicht entdecken... Das schwergewichtige Kirchengeläut stammt aus einer fernen Zeit, »überlebt« haben die beide Kolosse all jene kriegerischen Zeiten, als sie begehrte Rohstoffe für die Waffenschmieden waren. Vielfach sind alte Glocken im Ersten und Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen worden – jene zwei Exemplare, die heute im Turm der Kirche St. Georg und Katharina hängen aber nicht.
Die eine der beiden Glocken ist die mit Abstand älteste in der Stadt Traunstein. Datiert wird sie auf das Jahr 1509. Nach Angaben von Stadtarchivar Franz Haselbeck hat sie einen Durchmesser von 60 Zentimetern, sie wiegt rund 150 Kilogramm. Die Inschrift laute »* s lvcas * s marcvs + s iohannes * s mathevs * orate pro nobis * devm * amen * 1509« – was so viel bedeute wie »hl. Lukas * hl. Markus und hl. Johannes * hl. Mathäus * betet für uns * zu Gott * Amen * 1509«. Wer das gute Stück einst gefertigt hat und alles andere, weiß man hingegen nicht. Haselbeck: »Nachrichten über die Entstehung dieser Glocke haben sich nicht erhalten.«
Die Glocke ist älter als die Kirche St. Georg und Katharina, die sie heute schmückt. Sie stammt laut Haselbeck aus einem Vorgängerbau am Stadtplatz, der ebenfalls dem heiligen Georg und der heiligen Anna geweiht war. 1405 habe diese Kapelle die erste Erwähnung in den Urkunden erfahren. 1639 sei dann ein neuer Friedhof – dort, wo heute der Stadtpark ist – geweiht worden. Und auch ein Gotteshaus, die heutige Kirche St. Georg und Katharina, sei damals geschaffen worden. Im Gegenzug habe man die alte Kapelle St. Georg und Katharina abgetragen. Und in diesem Zusammenhang habe man dann auch die Glocke von 1509, zusammen mit der anderen, die dort hing, von der alten in die neue Kirche St. Georg und Katharina gebracht – womit sie nun also schon seit 383 Jahren dort untergebracht ist.
Im Kirchturm überdauerte sie die Zeiten – und damit auch die Umwandlung des vormaligen Friedhofs in den heutigen Stadtpark. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der alte Gottesacker für die immer weiter wachsende Stadt hoffnungslos überfüllt. Und so eröffnete man 1908 den heutigen Waldfriedhof – womit die alte Ruhestätte Schnee von gestern war und sich zur grünen Pracht von heute entwickelte.

Die zweite Glocke, die neben der alten von 1509 in der Kirche im heutigen Stadtpark ein dauerhafte Bleibe gefunden hat, trägt laut Haselbeck die Inschrift »A fulgure et tempestate libera nos domine Jesu Christe« – »Vor Blitz und Unwetter befreie uns, oh Herr Jesus Christus.« Der Durchmesser werde mit 64 Zentimetern angegeben, über das Gewicht lasse sich keine genaue Aussage treffen. In früheren Zeiten seien Sachverständige davon ausgegangen, dass diese Glocke aus der Zeit um 1800 stammt, so Haselbeck. Dann aber habe er im Stadtarchiv einen Beleg gefunden, der ihn annehmen lasse, dass die größere der beiden Glocken im Turm der Georgskirche nach Lage der Dinge gut 150 Jahre älter sein müsse. Gefertigt worden sei sie vom damals bekannten Glockengießer Bernhard Ernst aus der Residenzstadt München.
Laut Haselbeck hat in der Zeit nach 1659 diese von Ernst geschaffene Glocke das kleinere der beiden alten, noch aus der Vorgängerkirche am Stadtplatz stammenden Klanginstrumente von St. Georg und Katharina ersetzt. Die aussortierte Glocke wiederum sei als Ersatz für eine dort zerbrochene in die – 1959 dann demolierte – Spitalkirche nach Heilig-Geist gebracht worden.
pü
In der Adventszeit öffnen wir Türen. Und es lohnt sich, unsere Serie zu verfolgen. Denn am Ende gibt es ein Gewinnspiel. Unter allen Teilnehmern verlosen wir zwei Übernachtungen auf Gut Ising für zwei Personen im Doppelzimmer mit Genießerfrühstück, Fondue-Melange und einem Menü im Restaurant »Zum Goldenen Pflug« inklusive Nutzung des Wellnessbereichs im Wert von 800 Euro.
Zurück zum Adventskalender