Plötzlich zückt der aggressive Ehemann ein Messer und stürmt auf den nur eine Armlänge entfernten Polizisten los. Der versucht noch schnell nach seiner Waffe zu greifen, um den Angreifer zu stoppen. Der Polizist hat keine Chance, er erleidet massive Stich- und Schnittwunden am Oberkörper und im Bauchbereich. Lebensgefahr.
Was bei einem Polizei-Einsatztraining noch passieren darf, kann im Ernstfall für einen Streifenbeamten im Einsatz tödlich enden. Daher müssen Polizisten, die im Außendienst tätig und damit besonders gefährdet sind, mindestens vier Mal im Jahr die unterschiedlichsten Situationen üben – vom Familienstreit bis zum Terrorangriff.
Seit kurzem gibt es in Rosenheim dafür ein eigenes Trainingsgebäude im Süden der Stadt. Die Räume des ehemaligen Umspannwerks werden dazu jeweils den unterschiedlichen Übungsszenarien angepasst. Eine eigene Abteilung beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd ist dafür zuständig, an den Polizeialltag angelehnte Szenarien zu entwickeln.
Mit Tisch, Couch, Kühlschrank und ein paar Requisiten ist die kahle Industriehalle rasch in eine Wohnküche verwandelt. An diesem Tag werden Einsätze bei Streitigkeiten im häuslichen Umfeld geprobt; dabei darf auch Kunstblut zur besseren Anschaulichkeit nicht fehlen. Die Polizisten wissen auch bei den Trainings stets nur soviel, wie sie bei einem normalen Einsatz an Vorinformation hätten. Etwa das, was ein Nachbar der Polizei über einen eskalierenden Familienstreit mitteilt.
Allein im vergangenen Jahr wurden im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd rund 1500 Straftaten "häusliche Gewalt" begangen – rund vier Straftaten pro Tag. Für Streifenbeamte stellt dies eine der größten Herausforderungen dar. Gleich zur Waffe zu greifen, ist dabei aber keinesfalls das Ziel der Einsatzkräfte. "Wir versuchen es zunächst mit Kommunikation, solange es die Situation zulässt", sagt Polizeihauptkommissar Christian Walter, zuständig für die Einsatztrainings. vew