»Für mich ist diese Goldmedaille immer noch präsent. Es ist so, als wäre es gestern gewesen«, erinnert sich Schlussläufer Fritz Fischer. Der Ruhpoldinger hatte vor 30 Jahren beim letzten Schießen die Konkurrenz der sechs ehemaligen Staaten der Sowjetunion (GUS) mit Sergei Tschepikow und den Norweger Mikael Löfgren abgekocht. Mit der deutschen Fahne überquerte der damals 35-Jährige an jenem 16. Februar 1992 die Ziellinie in Les Saisies. »Die Fahne hat mir die Uschi Disl in die Hand gedrückt«, erzählt Fischer, der danach zur Biathlon-Legende aufstieg.
»Wir waren alle so begeistert und es ist spontan passiert. Ich dachte mir, dass der Fritz nicht ohne deutsche Flagge über die Ziellinie laufen kann. Gedanken an die Sportgeschichte haben wir uns nicht gemacht«, sagt Disl, die 1992 mit der Damenstaffel ebenfalls einen Erfolg feierte und Silber gewinnen konnte.
Dabei hatte es zunächst nicht nach einem Gold-Erfolg des deutschen Herren-Quartetts ausgesehen. Startläufer Ricco Groß stürzte und übergab mit zwei Nachladern an Jens Steinigen als Dreizehnter. »Ich denke immer noch gerne daran, als der Fritz mit der deutschen Fahne ins Ziel gekommen ist. Das war schon emotional«, erinnert sich Groß, der aktuelle Trainer der österreichischen Männermannschaft ist. Groß war damals mit 22 Jahren neben Mark Kirchner der Jüngste im Team. Er war nach der Wende von Sachsen nach Ruhpolding gezogen und schloss sich dort dem Skiclub an.
Auch Steinigen hatte es nach Ruhpolding verschlagen, Wolfgang Pichler nahm sich seiner an und brachte ihn zum SLLV Ruhpolding. »Auf die Staffel werde ich oft angesprochen«, so der mittlerweile 55-Jährige, der heute beruflich als Anwalt tätig ist. »Auf meiner Runde habe ich immer gedacht: Mein Gott, es läuft nicht!« Aber er kämpfte sich auf den fünften Platz vor. Steinigen galt in dieser Zeit als Rebell und Nestbeschmutzer, da er sich weigerte, bei den Dopingpraktiken in der ehemaligen DDR mitzumachen. Dank der Wiedervereinigung konnte er sich wieder in die Mannschaft zurückkämpfen. »Wir wollten damals einfach gewinnen und jeder hat sein Bestes gegeben«, beschreibt er die Situation damals.
Für den dritten Mann der Staffel, Mark Kirchner, waren es seine ersten Olympischen Spiele. »Ich konnte drei Medaillen gewinnen, zweimal Gold und einmal Silber. Das werde ich nie vergessen«, sagt der heutige Bundestrainer der deutschen Biathleten, der für den WSV Oberhof startete und später zu Scheibe-Alsbach wechselte. »Das Drumherum mit der Wiedervereinigung hat bei mir keine so große Rolle gespielt. Grundsätzlich ging es mir um den Sport und um bei Olympia dabei zu sein. Die geschichtliche Dimension wurde erst später proklamiert«, so der heute 51-Jährige weiter.
Im damaligen Rennen zeigte Kirchner eine starke Leistung und übergab mit 15 Sekunden Vorsprung an Schlussläufer Fritz Fischer. »Wenn ich darauf angesprochen werde, ist das schön, es war ja ein besonderer toller Moment«, hebt Kirchner hervor.
Was dann folgte, ist mittlerweile ein Teil der ganz großen Sportgeschichte geworden. »Ich hatte ganz am Anfang des Rennens in der Wachskabine nicht mehr gedacht, dass ich um die Goldmedaille laufen werde. Plötzlich war die Chance da und ich weiß noch, dass ich am Anfang in der Loipe Selbstgespräche geführt habe und mir ist alles Mögliche durch den Kopf gegangen«, erinnert sich der heute 65-jährige Fischer zurück, der dem Biathlonsport immer noch verbunden ist. »Ich hatte plötzlich Angst, dass das Rennen abgebrochen wird, weil es ziemlich neblig geworden ist. In Erinnerung habe ich noch, dass der Schnee sehr sulzig war. Aber wir hatten sehr schnelle Bretter«, ergänzt er weiter.
Schließlich brachte Schlussläufer Fritz Fischer dank seiner schnellen Schießeinlagen den Sieg der Staffel für Deutschland ins Ziel. »Für mich war damals schon klar, dass wir Sportgeschichte geschrieben haben. Unglaublich, ich war 35 Jahre alt und ich, der Hobbyangler aus Kehlheim, bin plötzlich Olympiasieger«, freut sich Fischer, der zuvor bei Olympia 1988 auf dem Flug nach Calgary krank geworden war. Mit der Staffel gewann er dort noch Silber, im Sprint und Einzel blieb er unter seinen Möglichkeiten. Immerhin hatte er zuvor den Gesamtweltcup gewonnen.
Eine gemeinsame Feier der vier erfolgreichen Olympioniken wird es heute nicht geben – und das aus einem einfachen Grund: Kirchner und Groß sind mit ihren Teams bei Olympia in Peking noch im Einsatz, Steinigen und Fischer sind in Ruhpolding. »Wir planen aber ein Online-Treffen«, verrät Steinigen – und angesichts der Zeitverschiebung ergibt sich dabei folgende Konstellation: »Der Fritz und ich frühstücken und der Mark und der Ricco sind dann beim Abendessen«, erzählt Steinigen weiter. So ein wenig muss dieses besondere Jubiläum dann eben doch zusammen gewürdigt werden.
SHu