Wie kam es dazu, die Chiemgau-Arena nach so langer Zeit als verantwortlicher Stadionchef und Geschäftsführer so plötzlich zu verlassen, Herr Schweiger?
Für viele Außenstehende kam das vielleicht plötzlich, aber das kann man so nicht behaupten, da ich mich schon seit längerer Zeit mit dem Gedanken beschäftigte. Es war meine einzigallein persönliche Entscheidung, die dann konkret etwa Mitte August nach einigen Monaten Überlegungsphase final gefallen ist. Ich habe dann einen Tag nach der Biathlon-Sommer-Weltmeisterschaft meinen Vertrag beim Kommunalunternehmen Gemeindewerke unter Einhaltung der siebenmonatigen Kündigungsfrist zum 31. März 2023 gekündigt, wollte dies aber nicht vorher bekannt geben, um keine zusätzliche Unruhe in die bevorstehende Biathlon-Sommer-WM reinzubringen. Auch habe ich mich nicht aktiv nach einem anderen Job bemüht, dennoch wollte ich mich nach so langer Zeit im Veranstaltungsbereich noch einmal beruflich verändern. Das einzige, was mir noch im Veranstaltungsbereich gefehlt hat, sind Olympische Spiele, die sind aber in den nächsten zehn Jahren in unserer Region nicht realistisch.
Es hat durch die »Meine Volksbank und Raiffeisenbank e.G.« keine Abwerbung stattgefunden, sondern das zukünftige Gesamtkonzept und die Philosophie der Wertegemeinschaft VR-Bank hat mich überzeugt. Die darauffolgenden Gespräche wurden mit sehr viel gegenseitigem Respekt und Wertschätzung seitens der VR-Bank geführt. Letztendlich hat man mir den Geschäftsführer-Posten von »Meine Bergwelt GmbH« angeboten und ich habe aus den vorgenannten Gründen zugesagt.
Ihr Vertrag in der Chiemgau-Arena wurde dann wohl vorzeitig aufgehoben?
Richtig! Eigentlich war immer mein Ansinnen, den bevorstehenden Biathlon-Weltcup 2023 noch vollumfänglich durchzuführen, da ich ja noch viele Vorbereitungsentscheidungen getroffen habe. Mit meinem bisherigen Arbeitgeber wurde aber dann Mitte Oktober einvernehmlich mit allen Beteiligten ein Aufhebungsvertrag, mit Zustimmung des Verwaltungsrats des Kommunalunternehmens, zum 31. Dezember vereinbart, da ja der Pachtvertrag der Rauschbergbahn GmbH zum Betrieb der Unternbergbahn zum Jahresende ausläuft. Trotz langer und intensiver Bemühungen seitens der Bank ist eine Übergangsregelung bis 31. März 2023 nicht zustande gekommen. Die »Meine Bergwelt GmbH« übernimmt zum 1. Januar 2023 den Betrieb der Sesselbahn sowie den Betrieb der Skilifte mit dem dazugehörigen Personalstamm. Die bisherigen Geschäftsführer Iven Matheis und Franz Hofmann von der VR-Bank haben eine großartige Vorarbeit geleistet, darauf kann man in Zukunft sehr gut aufbauen.
Mit wem haben Sie sich beraten?
Zunächst natürlich in erster Linie mit meiner Frau Sabine, mit den beiden Söhnen und meinen Eltern, die zu jeder Zeit zu 100 Prozent hinter mir gestanden sind. Aber ich habe auch mit meinem engsten Freundeskreis diese für mich weitgreifende Entscheidung abgewägt.
Was hinterlassen Sie für ein Team?
Ich denke, ein nahezu perfektes Team, für das wir in Ruhpolding national und international im Veranstaltungsbereich allerorts beneidet werden. Ich war immer stolz auf mein langjähriges Team um Alois Reiter, Hubert Neidhardt, Claudia Hummel und all den weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit mir in den letzten Jahren alle Umstrukturierungen vom Regiebetrieb in den Eigenbetrieb Chiemgau-Arena und zuletzt in eine Chiemgau-Arena GmbH und in ein Kommunalunternehmen Gemeindewerke erfolgreich mitgegangen sind.
Ist der Abschied mit Wehmut verbunden?
Darüber hatte ich noch gar nicht die Zeit, richtig nachzudenken, weil es ein fließender Übergang in die neue Tätigkeit war. Mein Herz wird aber immer an der Chiemgau-Arena und am Wintersport hängen, dafür war ich zu lange in diesem Bereich tätig. Ich habe im Skisport nebenbei auch viele ehrenamtliche Positionen bekleidet, angefangen als Skisprungtrainer, als Sportwart im Verein und SV Chiemgau, neun Jahre als 1. Vorstand des Ski-Clubs Ruhpolding, zwei Jahre als 1. Vorstand des Skiverbands Chiemgau, sechs Jahre als Vizepräsident im Bayerischen Skiverband und im Vorstand Sportbeirat des BLSV und in den verschiedensten DSV-Gremien.
Wo werden Sie den Biathlon-Weltcup im Januar schauen?
Ich werde sicherlich mal an der Strecke sein, aber wie oft, das kann ich noch nicht sagen. Das hängt auch etwas von meinem neuen Job und den schwierigen Witterungsbedingungen ab, auf die man häufig kurzfristig reagieren muss.
Ziehen Sie doch mal Bilanz über Ihre Arbeit in der Chiemgau-Arena.
Ich habe alle sechs Biathlon-Weltmeisterschaften – mit Sommer-WM und Junioren-WM – in Ruhpolding miterlebt, 22 Biathlon-Weltcups und vier Weltcups in der Nordischen Kombination. Bei der Biathlon-WM 1978 war ich Skiclub-Taferlbua. Bei der WM 1985 war ich als Vorläufer auf der Strecke dabei, bei der WM 1996 war ich Assistent vom WM-Generalsekretär Alois Auer. Es war eine sehr lehrreiche Funktion, denn ich war im OK-Team unter Alt-Bürgermeister Herbert Ohl bei allen Entscheidungen mit dabei. Da habe ich also sehr früh das Thema Organisation von Großveranstaltungen mitbekommen.
Genug Empfehlung also, um 1. Mai 1999 die Stadionleitung zu übernehmen?
Gerhard Hallweger, damals Bürgermeister, hat mich abgeordnet, das Biathlonzentrum, so hieß es damals noch, von Seiten der Gemeinde zu betreuen. Es gab dort sonst keine Mitarbeiter, ein Mann war zur Betreuung des Schießstandes von der Bundeswehr abgestellt und wir hatten noch eine geringfügig Beschäftigte als Reinigungskraft – mehr nicht. Es war vor Ort keinerlei Struktur da, es gab auch keine Übergabe. Das ist auch jetzt wieder der Fall. Ich sehe mich gerade in diese Zeit zurückversetzt.
Ab 2002 war Bürgermeister Andreas Hallweger dann Ihr Chef.
Richtig. In seiner Amtszeit bis 2008 haben wir dann, mit sehr viel Engagement und Herzblut, uns beim DSV und der FIS dafür eingesetzt, dass Ruhpolding Weltcupstandort in der Nordischen Kombination wurde. Und zeitgleich wurden die Weichen in vielen IBU-Tagungen und Besprechungen dafür gestellt, dass Ruhpolding wieder Ausrichter der Biathlon-Junioren-WM 2008 und zum Biathlon-WM-Standort 2012 wurde, was wir dann auch geschafft haben. Unser Ziel war es, den Standort für alle »World Snow Events« auszulegen.
Weil auch reichlich Millionen flossen...
Ja, ab 2008 unter Bürgermeister Claus Pichler flossen nach einer eindrucksvollen und unvergesslichen WM-Vergabe im September 2008 in Prag mit übergreifender Hilfe aller politischen Fraktionen reichlich an Fördermittel aus dem Konjunkturpaket II, um die Chiemgau-Arena für 16 Millionen Euro in nur einem Jahr umzubauen. Es bestand damals die Gefahr, die A-Lizenz für die Ausrichtung von Weltcups und Weltmeisterschaften zu verlieren. Als Bauherrnvertreter zusammen mit dem Gemeinderat war ich stolz darauf, dass das Budget eingehalten wurde. Leider konnten nicht alle Bauwünsche erfüllt werden.
Die WM 2012 mit über 200 000 Besuchern war der absolute Höhepunkt, oder?
Natürlich, es war ein riesiges internationales Fest für alle Beteiligten und für die Besucher. Aber danach ist eine schwierige Zeit eingetreten, vor allem in finanzieller Hinsicht, weil sich die Rahmenbedingungen durch die Fernseh- und Marketingverträge der IBU für uns so verschlechtert hatten, dass wir in eine finanzielle Schieflage gekommen sind. Bis zu WM 2012 hatten wir 13 Jahre lang großartig arbeiten können und nach jedem Weltcup ist etwas übrig geblieben. Aus den Weltcup-Einnahmen wurde auch der Skisprungbetrieb in der Chiemgau-Arena finanziert. Aber ab 2013 war das anders. Wir haben in den letzten Jahren schwer kämpfen müssen, dass der Weltcup und der Gesamtjahresbetrieb kein dauerhaftes Minusgeschäft wird. Erst mit der Umstellung auf einen kommunalen Eigenbetrieb Chiemgau-Arena ab 2018 und durch Verbesserungen in den Veranstalterverträgen waren wir dann wieder auf dem richtigen Weg, wobei es nach wie vor Luft nach oben gibt.
Ihre schönste Erinnerung?
Natürlich die WM 2012, aber auch die vielen Kontakte zu den nationalen und internationalen Veranstalter-OKs im Wintersport. Da sind viele Freundschaften entstanden. Die große Wertschätzung, die Ruhpolding als Organisator da erfahren hat, ist für mich ein Thema, worauf ich schon sehr stolz bin.
Die schlimmste oder traurigste Erinnerung bei den Veranstaltungen?
Was uns alle sehr mitgenommen hat, war bei der WM 2012 der Sicherheitsaspekt um Magdalena Neuner, weil es ihre letzte WM war. Es gab Drohungen gegen sie und alles musste im Hintergrund ablaufen. Das war schon schlimm. 2019 hatten wir das Schneechaos mit Terminverschiebung, weil wir nicht wussten, ob wir die Start-Freigabe bekommen. Ähnlich war es 2022, wo einen Tag vor dem ersten Wettbewerb von der Politik aufgrund der Pandemie-Situation entschieden wurde, dass keine Besucher ins Stadion dürfen. Da haben wir uns von der Politik schon etwas im Stich gelassen gefühlt.
Wie sehr hat Sie der schwere Unfall Ihres Vaters belastet?
Es war natürlich für mich eine Tragödie Anfang März 2005 während der Biathlon-WM in Hochfilzen. Er hatte, wie die vielen Jahrzehnte zuvor auch, an der Schanze am Zirnberg mitgearbeitet, fiel plötzlich in die Anlaufspur, rutschte herunter und stürzte unter eine Pistenraupe, die unterhalb des Schanzentisches stand. Ich war als Ersthelfer vor Ort. Seit dieser Zeit ist er nun aufgrund der schweren Verletzungen gesundheitlich sehr stark eingeschränkt.
Und Ihr neuer Job wird spannend?
Es war für die Gemeinde ein wichtiges touristisches Ziel, dass am Unternberg alles wieder läuft. Das heißt, die Bahn, auch die Skilifte, also der gesamte Betrieb. Es geht aber in Zukunft auch um Sommer-Maßnahmen, die noch in der Genehmigungsphase sind. Wir werden in jedem Fall eine Freizeiteinrichtung für Ruhpolding schaffen, die für die Gemeinde touristisch notwendig und wichtig ist, zumal die Rauschbergbahn vorerst wegfällt. Seit Mitte November bin ich an der Unternbergbahn und arbeite diverse Themen ab. Viele rechtliche Angelegenheiten sind zu klären, um den Betrieb am 1. Januar aufnehmen zu können. Es geht um die Weiterführungsgenehmigung der Sesselbahn, um die Skilifte, die Genehmigung für die Pistenraupen und vieles mehr. Und ich habe ständig viele Gespräche mit dem vorhandenen Personal geführt.
Nimmt die VR-Bank richtig Geld in die Hand?
Es ist in diesem Jahr bereits Großartiges geschehen. Man muss die hohen Erwartungen zunächst aus zeitlichen Gründen etwas dämpfen. Ein Investitionsstau von über 30 Jahren ist in wenigen Monaten nicht aufzuholen. Es ist der Beginn einer Reihe von Maßnahmen für eine neue Zukunft. Es wurde schon eine Menge an Finanzmittel investiert. Die Sesselbahn wurde erneuert, es gibt neue Schlepplifte und auch die Liftgebäude sind erneuert worden. Bei der Beschneiungsanlage wurde der erste Bauabschnitt durchgeführt. Die Wasserbereitstellung ist nun im Sommer der nächste Schritt.
Wie sieht die Führung dann ab 1. Januar 2023 aus?
Direktor Franz Hofmann und ich werden die neuen Geschäftsführer der »Meine Bergwelt GmbH« sein, wobei sich Herr Hofmann auf die Verbindung zur Bank konzentriert und ich vor Ort den Betrieb leite. Das ist eine sehr gute Vernetzung zum Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Altmüller und zu seinen Vorstandskollegen. Zusammen mit dem Leiter Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, Iven Matheis, werden wir gemeinsam ein Winter- und ein neues Sommerkonzept erstellen. Ich freue mich auf meine zukünftigen Gestaltungsmöglichkeiten, und der Ruhpoldinger Tourismusstandort kann sich schon jetzt darauf freuen.
Karlheinz Kas