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Peter Parzinger aus Kammer freut sich über den originalgetreuen Nachbau der Haustür des ehemaligen Armenhauses. (Foto: Oberkandler)

Eine Haustür als letzte Erinnerung an das Armenhaus – Adventskalender Tür #15

Traunstein – Adventsserie: Die Geschichte einer großzügigen Schenkung in der ehemaligen Gemeinde Kammer


Wer auf einer Radtour oder einem Spaziergang durch Haunstätt kommt, einem Bauernanwesen zwischen Kammer und Neuhausen, dem fällt vielleicht die Haustür am neuen Bauernhaus auf. Ihre Entstehung hat eine ganz besondere Geschichte, die zurückreicht in eine Zeit, in der Gemeinden noch Armenhäuser hatten, um Bedürftige oder (zum Beispiel durch einen Brand) in Not geratene Familien unterzubringen. Die Eichentür des neuen Bauernhauses in Haunstätt ist ein originalgetreuer Nachbau der Haustür des Armenhauses in Kammer, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet wurde.

Als das Armenhaus im Frühjahr 1978 abgerissen wurde, da konnte, werwollte, das Abbruchholz mitnehmen und als Brennstoff verwenden. Auch was sonst noch verwertbar war, durfte man mitnehmen. Zwei die davon Gebrauch machten, waren Peter Poller und Peter Parzinger sen. Der alte Haunstätter Bauer nahm unter anderem die Eingangstür des Hauses mit. Jahrzehnte lag sie auf der Tenne des Brandlhofs. Als Parzingers gleichnamiger Sohn 2015 das Wohnhaus neu baute, erinnerte er sich an die alte Tür, die ihm schon immer besonders gut gefallen hatte.

So eine Haustüre wollte er für seinen Neubau haben. Bei Forstarbeiten im Bayerischen Wald hatte er beim Schreinermeister Hubert Friedberger in der Nähe von Waldkirchen ein Zimmer. Und im abendlichen Gespräch erwähnte der Brandl Peter auch die alte Haustür, die ihm so gut gefiel. Schließlich kam man überein, dass Friedberger die Tür aus Eichenholz originalgetreu nachbaut. Heute ist sie als Haustür ein schöner Blickfang des 2016 bezugsfertig gewordenen neuen Brandl-Wohnhauses in Haunstätt.

Das Original war der Eingang eines Gebäudes, das auf dem Grundstück stand, welches heute die Anschrift Balthasar-Permoser-Straße 10 trägt. Wie sich im Laufe von eineinhalb Jahrhunderten die Nutzung eines Grundstücks ändern kann, soll hier beschrieben werden. Heute steht an der Balthasar-Permoser-Straße 10 das Haus der ehemaligen Raiffeisenbank, inzwischen ein Privathaus mit abgetrenntem Schalterterminal des Geldinstituts. Viele Jahre stand auf diesem Grund eine Einrichtung, um die Kammer seinerzeit von vielen Nachbarorten beneidet wurde: das Armenhaus. Wenn Menschen in Not gerieten, zum Beispiel bei der Zwangsversteigerung ihres Hofs weil der Ernährer gestorben war, konnten sie vorübergehend in das gemeindliche Armenhaus einziehen. Zu verdanken hatte Kammer dieses Haus einer großherzigen Spenderin, der alten Reichsbergerin Walburga Maier. Sie hatte keine Kinder und verkaufte ihr Anwesen nach dem Tod ihres Mannes an Jakob Wimmer, der aus Egerdach in der Gemeinde Wonneberg stammte.

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Das zuletzt als Armenhaus genutzte Gebäude sollte ursprünglich als Wohnhaus für den künftigen Priester von Kammer dienen. Es wurde im Frühjahr 1978 abgebrochen.

Walburga Maier zog nach Kammer, das damals noch zur Filialkirche Otting gehörte. Zu jener Zeit hoffte man, dass Kammer endlich kirchlich selbständig würde. Dafür erfüllte der kleine Ort aber nicht die Voraussetzungen. Vor allem fehlte auch ein Pfarrhof, in dem der Geistliche wohnen konnte. Ohne sich vorher mit den zuständigen kirchlichen Stellen in Verbindung gesetzt zu haben, kaufte die Reichsbergerin das Haus mit der schönen Eingangstür von Maria Pammer, der ehemaligen Landlbäuerin. Sie wollte, dass der künftige Priester hier einziehen konnte. Eine Wohnung für den geistlichen Herrn konnte man jetzt also bieten. Deshalb gingen Bürgermeister und Gemeinderäte nach Otting, um den dortigen Pfarrer Michael Öttl (1876 bis 1896 im Amt) ihr Anliegen vorzutragen. Sie baten ihn, Kammer freizugeben, so dass man einen eigenen Seelsorger bekommen könnte. Doch Pfarrer Öttl ging auf dieses Ansinnen nicht ein.

Die Auseinandersetzung zwischen den Kammerern und dem Pfarrer wurde im alten Kammerer Heimatbuch von 1988 wie folgt geschildert: »Den Männern stieg die Hitze’ in den Kopf, und der damalige 2. Bürgermeister Georg Haberlander sagte voller Enttäuschung, 'dann müssen wir halt warten, bis du tot bist.' Sie nahmen ihre Hüte und gingen zurück nach Kammer.« Man hatte halt nicht bedacht, dass man vor dem Kauf eines Pfarrhauses mit dem Ordinariat hätte verhandeln müssen.

Walburga Maier aber überlegte nicht lange und schenkte den vermeintlichen Pfarrhof der Gemeinde. Und diese verwendete ihn schließlich als Armenhaus. Erst nach Ende des Ersten Weltkriegs wurden die Wohnungen vermietet. Als Pfarrhof wurde es nicht mehr benötigt. Als nämlich im Jahr 1923 endlich der Wunsch der Gemeinde in Erfüllung ging und Kammer zur Expositur erhoben wurde, stand das ehemalige Schulhaus (heute Pfarrhof) für den Geistlichen zur Verfügung.

Klaus Oberkandler

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