In Frankreich, so berichtet Pilzexperte Till Lohmeyer aus Petting, ist soeben eine wissenschaftliche Arbeit über Morcheln erschienen. Philippe Clowez und Pierre-Arthur Moreau schreiben darin unter anderem, dass man bestimmte Arten von Morcheln auch züchten kann. Es gibt weitaus mehr Arten als man bisher angenommen hat. Völlig neu ist nicht nur für Lohmeyer, dass Morcheln »Bio-Indikatoren für archäologische Fundstätten« sind. Die Pilze erscheinen vermehrt auf ehemaligen menschlichen Siedlungen, die von der Natur zurückerobert werden oder worden sind, schreiben die Autoren. Ein weiterer Tipp, den man in diesem Buch bekommt: Morchelsammler sollten auf die Nadelwaldarten der Gebirgswälder achten. Es gibt diese »Gebirgsmorcheln« auch bei uns, aber wir sind nur selten nach der Schneeschmelze im Gebirge unterwegs. Die Morchel, die auf der größten Höhe gewachsen ist, bekam Lohmeyer von dem Tittmoninger Naturfreund Ludwig Brandmayer. Er hat sie auf einer baumlosen Almweide am Jenner-Nordhang in etwa 1500 Meter Höhe gefunden.
Die Morchelpirsch hat auch bei uns eine lange Tradition. Da aber die Pioniere der bayerischen Mykologie Südostbayern zur Morchelzeit nie besucht haben, konnte man in der Literatur keine frühen Fundangaben finden. Mündlich überliefert sind die Pilzwanderungen des Tenglinger Schusters Wallner, der nordwestlich des Tachinger Sees bereits in den 1940er-Jahren Morcheln sammelte. Noch etwas weiter zurück gehen die Erinnerungen an den Morchelsammler Leonhard Gasteiger aus Gars am Inn, der nach Auskunft seiner Enkelin Elisabeth Hofmayr bereits vor 100 Jahren den begehrten Pilzen nachspürte.
Unser Autor hat in den 1960er-Jahren in einem Auwald bei Tacherting beim Morchelsammeln einen alten Bauern getroffen, der gerade Brennholz gemacht hat. Und der habe ihn gefragt, ob er »Mauracher« suche. Als ihm der Sammler die Pilze im Korb zeigte, da erzählte er, dass schon sein Opa in diesem Wald unterwegs gewesen sei, um »Mauracher«, also Morcheln, fürs Abendbrot heimzubringen.
Nach diesem Blick in die Vergangenheit, ein paar Erfahrungen von heute: Wo voriges Jahr Morcheln wuchsen, müssen heuer nicht unbedingt welche sein. Ein paar Meter weiter aber, wo es seit einigen Jahren keine mehr gab, sprießen sie heuer ganz üppig aus dem Boden. »45 Stück rund um eine uralte absterbende Esche«, so berichtet unser Autor, habe er dieser Tage im Gemeindebereich Traun-reut an der Traun gefunden. Die nächsten drei Kilometer flussabwärts aber keine einzige mehr.
Man muss schon viel Leidenschaft für diese Pilzart entwickeln, wenn man oft stundenlang durch die Auwälder streift, ohne einen einzigen Fruchtkörper zu entdecken. Umso beglückender ist es aber, wenn man doch ein paar findet. Und der Genuss eines selbst zubereiteten Morchelgerichts ist der abschließende Höhepunkt einer jeden Tour in den Auwald.
Einen weiteren Aspekt sollte man beim Sammeln von Morcheln zumindest im Hinterkopf behalten: Die Arten dieser Gattung sind in Deutschland durch die Bundesartenschutzverordnung geschützt. Das Sammeln von Morcheln in freier Natur ist nur in geringen Mengen für den eigenen Bedarf erlaubt. Till Lohmeyer: »Daran hält sich zwar keiner, wenn er so ein Massenvorkommen vor sich hat, aber strenggenommen kann man belangt werden, wenn man es übertreibt.«
-K.O.-