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Die Nachfrage nach Wärmepumpen ist in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land groß. (Foto: Pfeiffer)

Die Menschen sind bereit, in ihre Gebäude zu investieren – Beratungszahlen bei der Energieagentur Südostbayern erreicht bereits im Juli den gesamten Vorjahreswert

Viel Zeit bleibt für die Energiewende nicht mehr, sagt Bettina Mühlbauer, Geschäftsführerin der Energieagentur Südostbayern, die für die Landkreise Traunstein und Berchtesgadener Land zuständig ist. Die Zahl der Energieberatungen befindet sich wegen Preisexplosionen bei Energiekosten auf einem Höchststand. Die Bereitschaft zu investieren, sei groß. Im Interview mit unserem Mitarbeiter Kilian Pfeiffer zeigt sie sich aber auch wenig zuversichtlich, dass die Energiewende auf politischer Ebene klappt.


Bei Energieberatern boomt das Geschäft derzeit. Hatten Sie schon mal so viel Arbeit wie momentan?

Als zum Jahreswechsel 2019/2020 die Förderungen für den Heizungstausch auf bis zu 45 Prozent angehoben wurden, konnten wir damals schon einen sprunghaften Anstieg bei der Nachfrage für Beratungen verzeichnen. Die Beratungszahlen waren im vorvergangenen Jahr um 80 Prozent höher im Vergleich zu 2019 – und haben sich auf diesem Niveau gehalten. Einen solchen Sprung erleben wir in der Energieberatung für Bürger nun wieder. Ende Juli hatten wir bereits die Beratungszahlen des gesamten Jahres 2021 erreicht. Da von den hohen Energiepreisen aber jetzt neben Bürgern auch Kommunen und Unternehmen betroffen sind, ist die Arbeit nicht knapp in der Energieagentur.

Der Ukrainekrieg, Lieferengpässe, Preissteigerungen bei den Energiekosten - die Folgen erzeugen bei den Verbrauchern Panik. Wie würden Sie die aktuelle Situation beschreiben?

Eine Panik bei den Verbrauchern können wir bisher nicht feststellen. Sobald aber die ersten Abrechnungen der Energieversorger eingehen, wird die Bevölkerung nach Lösungen verlangen. Die aktuelle Situation kann – und muss eigentlich – einen Wandel im Hinblick auf den Energieverbrauch, den Konsum im Allgemeinen und die Energieversorgung darstellen. Was aber in den vergangenen 30 Jahren versäumt wurde, kann leider nicht in einem Jahr aufgeholt werden.

Mit welchen Anliegen kommen die Bürger auf Sie vor allem zu?

Die möglichen Alternativen zur Öl- oder Gasheizung in den Gebäuden und die Versorgung mit der eigenen Photovoltaikanlage liegen nach wie vor ganz vorn bei den Beratungsthemen.

Wärmepumpen stehen derzeit hoch im Kurs. Allerdings: Auch diese sind energieintensiv, zudem sind die Lieferzeiten lang. Was raten Sie Interessenten?

Mühlbauer: Gerade bei Wärmepumpen in Bestandsgebäuden ist es entscheidend, den Energiebedarf zu senken, sodass sie effizient betrieben werden können. Es ist daher durchaus sinnvoll, vor der Anschaffung einer Wärmepumpe die Qualität der Fenster zu prüfen, die oberste Geschoßdecke, die Kellerdecke oder gar die Fassade zu dämmen. Umso niedriger der Energiebedarf des Hauses, desto kleiner ist die Rolle der Heizung im Keller, da die Wärme im Haus gehalten wird.

Energetische Sanierungen sind sinnvoll. Sie sind aber auch teuer in Zeiten explodierender Preise. Sind die Menschen noch bereit, ihr Geld zu investieren oder halten Sie es am Ende lieber zurück?

Trotz steigender Bau-Preise sind die Menschen bereit, ihr Geld weiterhin in ihre Gebäude zu investieren. Die Geldanlage bei Finanzinstituten oder am Geldmarkt ist nach wie vor wenig attraktiv beziehungsweise in der heutigen Zeit sehr risikobehaftet. Es ist vielen lieber, ihr Geld in ihr Gebäude zu investieren. So können sie den Wert der Immobilie steigern für die Zukunft. Die Menschen zahlen inzwischen lieber ein Darlehen an ihrem Haus ab, als das Geld an Energielieferanten zu zahlen.

Gibt es gute Finanzierungsmöglichkeiten?

Für energetische Sanierungsmaßnahmen existieren, neben den jeweiligen Angeboten der Hausbanken, verschiedene Förderungen vom Staat: Es gibt ein zinsgünstiges Darlehen mit Tilgungszuschuss für den Kauf oder den Bau eines Effizienzhauses Stufe 40 mit Nachhaltigkeits-Klasse über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Darüber hinaus gibt es Darlehen mit Tilgungszuschuss bei einer Komplettsanierung zum Effizienzhaus über die KfW. Dabei gilt: Je besser der Effizienzhausstandard, desto höher der Tilgungszuschuss.

Wer beispielsweise auf ein Effizienzhaus 55 saniert, erhält 15 Prozent von maximal 120 000 Euro Kreditbetrag als Tilgungszuschuss. Für einzelne Sanierungsmaßnahmen wie neue Fenster oder einen Heizungstausch auf Basis erneuerbarer Energien gibt es Zuschüsse zwischen 15 und 40 Prozent. Das alles ist aber nicht als abschließend zu betrachten, da es in einigen Fällen auch Zuschüsse vom Sozialamt, vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für barrierefreies Bauen oder von einzelnen Kommunen geben kann. Ebenfalls werden Beratungs- und Begleitung-leistungen von Energieberatern gefördert.

21 Grad galten in der Vergangenheit als optimale Raumtemperatur. Raten Sie, sich im Winter lieber dicker anzuziehen und die Heizung runterzudrehen?

Wer Heizkosten sparen möchte, sollte diesen Tipp beachten, ja. Ein Grad weniger Raumtemperatur bringt in etwa sechs Prozent Heizkostenersparnis. Allerdings dürfen Gebäude auch nicht zu wenig geheizt werden. Bei älteren Häusern besteht sonst Schimmelgefahr. Hier ist Augenmaß gefragt und regelmäßiges Stoßlüften. Werden Räume nicht beheizt, sollte darauf geachtet werden, die Zimmertüren geschlossen zu halten. Dann kann sich die Feuchtigkeit der warmen Luft nicht an den kalten Wänden absetzen.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass die politisch angestrebte Energiewende auch gelingt?

Gerade in unserer Region bin ich sehr zuversichtlich, dass wir die angestrebte Energiewende schaffen. Die Landkreise und Kommunen sind in Sachen erneuerbare Energien, nachhaltige Wärmeversorgung und Energieeffizienz teilweise schon länger aktiv. Sie haben sich große Ziele gesteckt und sind damit auf dem richtigen Weg für sich selbst, die Menschen der Region und das Klima. Werden hier die Anstrengungen noch weiter vertieft und die Ziele klar verfolgt, leistet unsere Region ihren Beitrag zur Energiewende.

Auf größerer politischer Ebene bin ich leider nicht so zuversichtlich, da hier große Hürden, wie verschiedene Interessenverbände, aber auch zahlreiche kleinteilige Hürden, wie Verordnungen und Gesetze, im Weg stehen. Nachhaltige Änderungen auf den Weg zu bringen, benötigt leider immer viel Zeit, die wir aber nicht mehr haben.

fb/red