Berlin (dpa) – Catherine Deneuve gehört ohne Zweifel zu den Grandes Dames der französischen Filmkunst. Man denke nur an ihre ergiebige Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Roman Polanski (»Ekel«), Luis Buñuel (»Belle de Jour«), Lars von Trier (»Dancer in the Dark«) und François Ozon (»8 Frauen«).
In den vergangenen Jahren ist es etwas ruhiger geworden um die Aktrice, die im Oktober sechsundsiebzig Jahre alt wird. Umso schöner, wenn man die Deneuve mal wieder in einem neuen Streifen erleben kann. Unter der Regie von Julie Bertuccelli (»The Tree«) schlüpft sie in die Rolle einer so betagten wie distinguierten Dame, die sich auf ihren Tod vorbereitet. Chiara Mastroianni, gemeinsame Tochter von Deneuve und Darstellerlegende Marcello Mastroianni, ist in »Der Flohmarkt von Madame Claire« als Deneuves Filmtochter zu erleben.
In einer der ersten Szenen wird Madame Claire, eine gut situierte, allein in einem üppigen Landhaus residierende Dame, gefragt, ob es ihr gut gehe. Woraufhin die Dame mit den schneeweißen Haaren erwidert: »Nein, aber nett, dass Sie fragen!«. Madame Claire, dieser Eindruck drängt sich schnell auf, hat genug vom Leben. Ohnehin ist sie überzeugt, dass dies heute ihr letzter Tag sei.
Warum sich also nicht trennen von den mit so vielen Erinnerungen aufgeladenen Gegenständen, die ihr Haus bis an den Rand füllen: von dem alten Schreibtisch, von den Sitzmöbeln, von all den wunderbaren Figuren, den skurrilen Puppen, dem entzückenden Spielzeug? Flugs ist ein Trödelmarkt organisiert, schnell scheint das ganze Dorf auf den Füßen – nur um eine von Claires Preziosen zu ergattern. Die sie zudem zu Spottpreisen verkauft. Nicht nur die Antiquitätenhändlerin des Ortes macht sich Sorgen um Claires Geistesverfassung. Auch Tochter Marie, die angereist kommt – lange wohl hatten Mutter und Tochter überhaupt keinen Kontakt –, ist sich nicht sicher, was es auf sich hat mit Mamas Großreinemachen.
Auch wenn der Film durchaus französische Leichtigkeit atmet und vieles mit einem Augenzwinkern inszeniert ist, so ist die Geschichte doch um einiges ernster als es der sommerleichte deutsche Verleihtitel vorderhand suggeriert. Der Originaltitel »La dernière folie de Claire Darling«, der von der »letzten Torheit« der Madame kündet, mutet passender an. Die Lebensbitterkeit, die sowohl Claire als auch Tochter Marie in ihrem Gesicht tragen, kündet von all den Verletzungen, all den auf dieser Familie lastenden Traumata.
Es dauert eine Weile, bis wir erfahren, dass Claire vor vielen Jahren innerhalb kürzester Zeit ihren Sohn und ihren Mann verloren hat. Das Verhältnis zur Tochter, die sich mitschuldig fühlt am Tod des Bruders, war fortan zerrüttet. Die Zeitebenen fließen ineinander in diesem Film wie Wasserfarben auf weißem Papier; Regisseurin Bertuccelli zeigt hier mehr als einmal, was sie kann.
Deneuve dominiert mit ihrem wunderbar lässigen und doch tiefsinnigen Spiel das Geschehen. Neben ihrem Spiel, das sie mit viel Süffisanz und einiger Selbstironie unterlegt, ist es vor allem die famose Ausstattung, die am »Flohmarkt« fasziniert. Fast führen die rätselhaften Figuren und Puppen, mit denen sich Claire Darling umgibt, ein Eigenleben, man erlebt sie beinahe als Film-Protagonisten. Der »Flohmarkt« beginnt denn auch mit einer rückblickenden Szene rund um eine Uhr in Elefantenform. Die eigentliche Geschichte, die Geschichte einer traumatisierten Familie, muss wegen Deneuves Dominanz, wegen der Präsenz der Gegenstände hintanstehen. Eine Geschichte, die weiterzuentwickeln sich wohl durchaus gelohnt hätte.