Die Wandertruppe, gekleidet und mit Pappkoffern, Materialrollwägelchen, ein paar Scheinwerfern und einem Laken für neckische Schattenspiele ausgestattet à la Fünfzigerjahre, heißt »Opera Incognita«. Sie wird perfekt und hochintelligent angeleitet von Andreas Wiedermann. Auf der Bühne des Gasthauses »jakobmayer« in Dorfen mehrere Abende zuvor erprobt, ist sie für drei Termine in Bayerns Opernhauptstadt gelandet, nicht ohne von dort den bewährten Dirigenten Ernst Bartmann mit seinem ihm willfährigen neunköpfigen Orchester mitgebracht zu haben, der so viel mitreißenden Verismo wie nötig zum »bösen« Spiel um Eifersucht und Ehekrise Klang werden zu lassen.
Kenner von Leoncavallos Oper stutzen, weil ihr gewohntes Pendant »Cavalleria Rusticana« fehlt. Ganz und gar irritiert mögen sie über Silvios »echten« Tod sein. Der erklärt sich aus der ins Libretto hineingetragenen Zusatz-Story einer queeren Liebschaft zwischen Opfer (Silvio) und Mörder (Canio). Diese Version ist in der Tat schockierend und gibt der Geschichte einen Touch des Zeitgemäßen, aber auch Ergreifenden.
Die Rasanz auf dem von zwei Seiten her »bespielten« Mittel-Podium ist von ergreifendem Drive, nicht erlahmender Spannung, beinahe überkandidelter Verve. Alle seine Darsteller, besonders Florian Dengler als Silvio, führt Wiedermann bis an die Grenze des Outrierens.
Dass sie alle über fulminantes darstellerisches Können verfügen, ist ihr und des Publikums Glück. Dass sie dabei noch respektable Gesangsakrobatik abliefern, ist nicht selbstverständlich. Dorothee Koch ist eine Nedda, die glutvoll ihr Vogellied singt und für ihren Schwarm Silvio Pferde stehlen ginge. Mantas Gacevicius zieht einen schon mit seinem bravourösen Prolog ins immer heißer und kühner werdende Spiel im Spiel. Und Max Prodinger hat das Zeug zu einem tenoral auftrumpfenden Bajazzo der großen Opernbühne. Hans Gärtner