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Relief links: Landrichter Christoph Lenberger (1538 bis 1541).

Auf die Kopfbedeckung kommt es an

Berchtesgaden – Die Kirchenführer der Stiftskirche Berchtesgaden beschreiben ausführlich deren Baugeschichte, deren kunsthistorische Ausstattung und Einrichtung oder die Vielzahl an Grabmonumenten. Eigentlich, so scheint es, ist alles Wesentliche erfasst und dokumentiert. Doch dem ist nicht so. Nachfolgend wird eine Grabplastik vorgestellt, die in der einschlägigen Literatur, aber auch in früheren Bauakten nicht genannt ist.


Im vorderen Kirchenschiff, oberhalb der sechsstufigen Treppe an der Südwand des Hochchores (dem Presbyterium), befindet sich rechts ein überlebensgroßes Grabdenkmal. Es zeigt Fürstpropst Wolfgang I. Lenberger (regiert von 21. Januar 1523 bis 2. Juni 1541), gearbeitet ist es aus Adneter Rotmarmor. Das Grabdenkmal ist ganz in Renaissanceformen gehalten, aber durch die Wahl von Scheckmarmor in der plastischen Wirkung sehr beeinträchtigt. Das Hochrelief entstand bereits zu Lebzeiten des Propstes in Adnet; ausführender Steinmetz dürfte Wolfgang Kaltenberger gewesen sein.

Propst Wolfgang I., einem Nachkommen aus niederbayerischem Beamtenadel, waren zeitlebens die finanzielle Gesundung, die wirtschaftliche Förderung und die innere Konsolidierung der Fürstpropstei ein Anliegen. Seine Gruft befindet sich unmittelbar vor dem Grabmal und enthält auch noch Gebeine (Schädel) von Propst Reinald Zeller (1351 bis 1355), wie in der Dokumentation über die Neupflasterung der Stiftskirche im Jahr 1877 beschrieben ist. Auch dort wird der eigens ebenfalls aus Adneter Marmor angefertigte Sockel unterhalb des Lenberger-Denkmals in typischer Renaissanceornamentik mit wappenhaltendem Engel nicht erwähnt.

Diese Steinmetzarbeit verdient vor allem wegen der Porträts besondere Aufmerksamkeit und Beachtung. Um die beiden dargestellten Persönlichkeiten richtig zu unterscheiden und zuordnen zu können, muss man deren Kopfbedeckungen genau betrachten. Rechts außen neben dem persönlichen Lenberger-Wappen (Blumenkranz) erkennt man auf dem gerahmten Relief den Onkel des Propstes, den namensgleichen Wolfgang Lenberger (1516 bis 1521). Als Stiftsdekan trägt er passend zu seiner Augustiner-Chorherrenfunktion im Stift ein dreiflügeliges Barett, das »Pfaffenkäpplein«.

Links außen neben dem Stiftswappen (gekreuzte Petrusschlüssel) befindet sich ein weiteres Porträt, nämlich das von Christoph Lenberger, dem Bruder des Fürstpropstes. Er war von 1538 bis 1541 Landrichter in Berchtesgaden und ist deshalb ebenfalls passend zu seiner amtlichen Funktion in der Stiftspropstei mit dem runden, geschlossenen Richterbarett dargestellt.

Es war durchaus keine Seltenheit, nahe Verwandte nicht nur aus Pietätsgründen zum Hervorheben der verwandtschaftlichen Bindung oder wegen der amtlichen Stellung an Grabmonumenten wie hier an dem separaten Sockel darzustellen. Aus den verschiedenen Kopfbedeckungen kann man auf die unterschiedliche Amtsfunktion schließen und personell schlüssig zuordnen: Pfaffenkäpplein oder Richterbarett? Johannes Schöbinger