Der Engpass macht sich im Regal bemerkbar: Die Liste der fehlenden Präparate ist lang, weiß Florian Schmidt von der Antonius-Apotheke in Berchtesgaden. 400 Medikamente sind nicht verfügbar. Schwierig ist es bei Antidepressiva, heißt es aus Berchtesgaden. Auch Fiebersäfte für Kinder sind derzeit kaum zu bekommen. Bestimmte Blutdrucktabletten fehlen im Angebot, ebenso wie Präparate zur Senkung der Blutfettwerte.
»Die globale Knappheit von Rohstoffen ist mit Sicherheit ein Problem«, weiß Stefan Niklas. »Die Verlagerung der Produktion nach Indien und China ist der ursächliche Grund der Misere«, ergänzt Apotheker Florian Schmidt. Die Situation habe sich im Laufe der vergangenen Monate zugespitzt und sei jetzt auf ihrem Höhepunkt angekommen. Hinzu kommen die exorbitant gestiegenen Atemwegserkrankungen, an denen die Deutschen derzeit leiden. »Eine Welle mit so vielen Krankschreibungen hatten wir noch nie«, weiß Florian Schmidt. »Eine riesige Nachfrage trifft hier auf ein normales Angebot«, bestätigt Stefan Niklas. Mittlerweile ist das Angebot stark reduziert. Bei Kinderpräparaten wie Ibuprofen-Säften sei der Engpass »extrem auffällig«, sagt Niklas. Paracetamol-Säfte seien momentan überhaupt nicht mehr verfügbar.
Das Problem sei, dass Hausärzte Medikamente verschreiben, die gar nicht lieferbar sind, bestätigen beide Apotheker. Rückfragen beim Arzt sind dann nötig. Doch bei den Praxen telefonisch durchzukommen, sei wegen des allgemeinen Personalmangels derzeit schwierig, sagt Nik-las. »Der Patient muss am Ende nochmals beim Arzt vorbeischauen.«
An eine vergleichbare Situation können sich die Apotheker nicht erinnern. »In den vergangenen Jahrzehnten waren die Lieferschwierigkeiten nie größer.« Aktuell schickt Stefan Niklas so manchen Kunden unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Von Tag zu Tag habe sich die Situation verschlechtert, sagt Florian Schmidt aus Berchtesgaden. Im besten Fall können noch wirkstoffgleiche Ersatzpräparate gefunden werden. Oder aber man kombiniert verschiedene Wirkstoffstärken miteinander.
In normalen Zeiten reicht eine Meldung beim Großhandel, der ein nachgefragtes Präparat umgehend liefert. Doch der Großhandel steht bei manchem Medikament mit leeren Händen da. Niklas steht dann vor der Herausforderung, ein Präparat woanders nachzufragen. Die Erfolgsaussichten sind gering. Apotheken müssen gewöhnlich eine Lagerhaltung für zwei Wochen vorhalten können, weiß Florian Schmidt. Doch das, was da ist, wird zunehmend überschaubar.
Zwar ist die Kernkompetenz der Apotheken, gewisse Medikamente selbst herzustellen, grundsätzlich erfüllbar. »Natürlich können wir einen Fiebersaft produzieren«, sagt Niklas. Doch fehlt das Personal. »Da geht schnell mal ein Vormittag drauf«, so der Apotheker.
Auch der »Klopapiereffekt« hat bereits eingesetzt. Wer mehrere Fiebersäfte nachfragt, bekommt vom Reichenhaller Apotheker derzeit nur einen ausgehändigt, vorbehaltlich der Verfügbarkeit. »Bei uns ist der Klopapiereffekt noch nicht vollends angekommen«, sagt Florian Schmidt. Er bestätigt aber, dass es Kunden gab, die verschreibungspflichtige Medikamente in doppelter Menge ausgehändigt bekommen wollten. »Am Ende wäre dann aber nicht ausreichend für alle da«, sagt Schmidt.
Die Prognosen bleiben vage. »Ich vermute, dass der Mangel in der nächsten Zeit noch größer wird«, sagt Nik-las. »Meine Hoffnung ist klar: Dass die Politik die Problematik nun endlich erkennt und tatsächlich handelt«, sagt Florian Schmidt.
Kilian Pfeiffer