Um eine Strafe wegen zweifachen »versuchten Mords«, wegen zwei gefährlicher Körperverletzungen und eines schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr geht es in dem Verfahren nicht. Aber die Frage einer zeitlich unbegrenzten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wie von Staatsanwalt Dr. Florian Richter beantragt, steht im Raum. Der 21-Jährige hatte damals seine unbedingt erforderlichen Medikamente offenbar nicht genommen. Details über die Verfassung des Beschuldigten berichtet noch ein Sachverständiger.
Der schlimme Verkehrsunfall ereignete sich am Abend des 23. März 2022 auf der Staatsstraße 2352. Der 21-Jährige fuhr mit dem Arbeitskollegen kreuz und quer durch die Gegend. Gemäß Antragsschrift wollte er in einem Krankheitsschub Selbstmord begehen – durch einen Frontalzusammenprall mit einem anderen Fahrzeug bei hoher Geschwindigkeit. Der 23-jährige Lenker des entgegenkommenden Pkw – der an dem Tag Geburtstag hatte und dessen Freundin in ihrem eigenen Auto hinter ihm herfuhr – versuchte noch, eine Frontalkollision zu vermeiden. Bei dem seitlichen Zusammenprall erlitt der 23-Jährige ein Thoraxtrauma, mehrere Verletzungen an der Wirbelsäule und Prellungen. Auch der 20-jährige Beifahrer des Beschuldigten trug Verletzungen und Schmerzen davon, musste deshalb aber nicht zum Arzt. Der 21-Jährige entstieg seinem völlig zerstörten Wagen, entfernte sich über die angrenzenden Bahngleise und sprang in den Innkanal, laut Staatsanwalt in Suizidabsicht. Durchnässt begab er sich wenig später zurück zur Unfallstelle.
Der Beifahrer erinnerte sich, kurz vor dem Unfall habe der Beschuldigte Gas gegeben und den Wagen auf vollkommen gerader Straße nach links gezogen. Er habe gerufen: »Was machst Du? Hör auf.« Der 21-Jährige habe nicht reagiert, sei »einfach stur drauf los gefahren«, nach seinem Eindruck mit Absicht. Er selbst habe gerade auf sein Handy gesehen gehabt. Als er aufblickte, habe es schon gekracht. Der Zeuge schilderte weiter, rückblickend sei dies der krasseste Unfall gewesen, den er je miterlebt habe. Er habe einige Zeit nicht mehr Autofahren können und habe Schlafprobleme gehabt.
Schon von Weitem sah der 23-jährige Nebenkläger das ihm entgegenkommende Fahrzeug: »Es kam schnell auf mich zu. Ich bin runter vom Gas, habe gebremst und versucht, möglichst weit nach rechts zu gelangen. Kurz bevor es gekracht hat, habe ich nochmals versucht gegenzulenken. Dann habe ich nichts mehr gesehen. Ich denke, ich war ohnmächtig.« Seine Freundin aus dem nachfolgenden Pkw habe seinen Namen gerufen und gefragt, ob er seine Beine bewegen könne. Eine männliche Person, offensichtlich der unter Schock stehende Beschuldigte, sei zu ihm gekommen. Er habe ein »Gefühl von Scham, von Traurigkeit« vermittelt. Dann seien Polizei und Krankenwagen eingetroffen. Der Zeuge informierte über einen Tag Klinikaufenthalt. Inzwischen schlafe er wieder besser, befinde sich aber seit längerer Zeit und weiterhin in psychologischer Behandlung. Den Sachschaden habe eine Versicherung reguliert und einen Vorschuss auf Schmerzensgeld bezahlt.
Die 22-jährige Freundin meinte im Zeugenstand, alles sei relativ schnell gegangen. Sie sei mit ihrem Wagen hinter dem des Freunds gefahren, habe Bremslichter gesehen, das Unfallgeräusch gehört. Der Wagen des Beschuldigten sei schräg auf das Fahrzeug des Freunds zugeschlittert. Dieser sei kurze Zeit nicht ansprechbar gewesen. Sie habe das andere Fahrzeug wahrgenommen, aber nicht bewusst verfolgt.
Der 21-Jährige hat bislang selbst mit keinem Wort beigetragen, die Vorgeschichte und das Unfallgeschehen aufzuklären. Sein Verteidiger, Harald Baumgärtl aus Rosenheim, hatte am ersten Verhandlungstag vorgetragen, sein Mandant könne sich an nichts erinnern. Das Gedächtnis des jungen Waldkraiburgers setze erst nach dem Unfall wieder ein.
Das Sicherungsverfahren wird am Montag, 2. Januar, um 9.30 Uhr mit dem Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen fortgesetzt. Mit dem Urteil ist noch am gleichen Tag zu rechnen.
kd