Nah dran waren der in Tengling wohnende Ferstl und seine Mannschaftskollegen aber mehrmals, wie sie mit mehreren Top-Ten-Plätzen im Weltcup und bei den Olympischen Spielen in Peking (China) demonstrierten. Beim Super-G in Wengen (Schweiz) hatten Romed Baumann (Kiefersfelden) als Viertem gerade einmal 0,03 Sekunden zum Podest gefehlt, auch Ferstl als Sechster (+ 0,28 auf den späteren Super-G-Olympiasieger Mathias Mayer aus Österreich) war nicht weit weg vom 3. Platz.
Sturz in der Saisonvorbereitung
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angehörige des Zoll Ski Teams schon den ersten Sturz in der unmittelbaren Saisonvorbereitung verkraftet. Mitte Oktober in Sölden hatte er sich dabei einen Faszienriss zugezogen. »Ich bin vier Wochen ausgefallen für die finale Vorbereitung, bin aber in die USA mitgeflogen.«
Schon dort war gerade im Super-G trotz Rang 26 der Abstand zum 15. Platz (+ 0,25 Sekunden) für den 33-Jährigen gering. Besser lief es in Gröden (Italien), obwohl Ferstl in der Abfahrt »mit Zwischenbestzeit abgewunken wurde – dann musste ich nochmal starten und bin Neunter geworden.« Als Elfter im Super-G untermauerte er seine ansteigende Form und bestätigte diese in Wengen.
Insgesamt »lief die Weltcup-Saison relativ gut – bis auf Kitzbühel«: Dort stürzte Ferstl im Training heftig, musste wiederum mit dem Helikopter weggebracht werden. Doch tags darauf machte er schon wieder das Training mit und fuhr auch beide Abfahrtsrennen. »Ich musste schon kämpfen mit der Psyche und der Physis, trotzdem habe ich mein Bestes probiert. Ich wollte da unbedingt mitfahren, trotz der Schmerzen.« Mit diesen Schmerzen ging's auch zu den Olympischen Winterspielen, wo er (23. Abfahrt, 18. Super-G) »nicht mein volles Potenzial abrufen konnte.«
Positiv überrascht war er dort aus sport-organisatorischer Hinsicht. »So gesehen waren die Spiele in Peking sehr gelungen. Wir waren in einem Zentrum mit Rodel, Bob und Alpin. Eine Gondelbahn hat direkt ins Olympische Dorf geführt, es gab kurze Wege. Da war vieles beeindruckend, auch die Strecke war hervorragend. Das war olympia-würdig«, lobt er. Zwar sei der Wind ein leichtes Problem gewesen, »aber die Wettkämpfe waren weitgehend fair.« Sogar das Olympia-Flair sei besser gewesen als 2018 in Pyeongchang. »Diesmal sind wir auch mit anderen Sportlern zusammengekommen, in Südkorea waren nur die Alpin-Sportler zusammen.« »Klar: Politisch gesehen und wegen der Menschenrechtslage muss man sich schon distanzieren. Außerdem ist China einfach kein Wintersport-Land. Da muss man schon die Nachhaltigkeit in Frage stellen. China will künftig zwar mehr für den Wintersport tun – aber ob es deshalb gleich Olympia sein muss...«
Beim deutschen Speed-Team seien die Erwartungen sehr hoch gewesen – und das, obwohl mit Thomas Dreßen ein Aushängeschild des Teams bereits das zweite Jahr pausieren musste. »Alle haben mit kleineren Problemen gekämpft, und ohne Podestplatz war die Saison etwas ernüchternd.«
Das soll das deutsche Team aber nicht aufhalten. »Wir haben uns diese Erwartungshaltung ja auch erarbeitet. Wir haben ja auch die Zeit mitgemacht, wo wir schon abgeschrieben waren, bevor wir dann vom 'Zero zum Hero' geworden sind«, freut er sich.
»Schon heiß auf die nächste Saison«
Dies wolle man weiter bestätigen. »Deshalb sind wir schon heiß auf die nächste Saison«, betont Ferstl. Schließlich steht 2023 die Alpine Ski-WM in Courchevel und Méribel (Frankreich) als attraktives Ziel auf dem Programm.
Auch wenn heuer bei ihm »teilweise der Wurm drin« gewesen sei, verweist Ferstl auf einen weiteren Erfolg: »Heuer war ich zum ersten Mal in meiner Karriere beim Weltcup-Finale in beiden Speed-Disziplinen startberechtigt. Und das, obwohl ich die Saison als 29. im Super-G und etwa als 40. in der Abfahrts-Rangliste in Angriff nehmen musste.« In den kommenden Winter kann er von einer besseren Ausgangsposition (21. Super-G, 22. Abfahrt) aus starten.
Wie lange er noch aktiv mitmischen wird, weiß der 33-Jährige noch nicht. An den Winterspielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo (Italien) teilzunehmen, »wäre schon cool, wenn alles – gesundheitlich, sportlich und familiär – passt. Aber grundsätzlich denke ich von Jahr zu Jahr«, betont Ferstl. Seine Stürze hätten ihm »auch gezeigt, dass ich verwundbar bin.«
Das soll ihn aber nicht bremsen. Zwar bekomme man »mit jedem Sturz auch einen kleinen Dämpfer beim Selbstvertrauen, schließlich ist es schon eine besondere Sache, wenn man mit gut 120 Stundenkilometern stürzt.« Aber: »Man kann es sich auch erarbeiten, da drüberzustehen. Ich wurde heuer dreimal mit dem Helikopter geholt und habe immer weitergemacht. Ich wollte diese Herausforderung bewältigen, denn für eine Sache zu stehen, gehört doch zum Leben«, betont er. Es gelte, sich von Rückschlägen nicht beirren zu lassen, denn: »Manchmal führen ja auch Umwege zum Erfolg.«
who