Ihm sei schon im Vorfeld klar gewesen, dass sein Projekt etwas Verrücktes sei. »Aber ich habe nicht gedacht, dass es so brutal werden wird«, betont er. Es sei auch ein ständiger mentaler Kampf gewesen – und das gleich vom ersten Tag an.
Bei Dauerregen startete Holger Birkicht frühmorgens in Bernau am Chiemsee. »Es war kalt, es war die ersten zwei Stunden ziemlich nass – kein einfacher Start«, blickt er zurück. Zudem habe er nicht seinen besten Tag gehabt. »Und ich habe zu spät mit der Energie-Auffüllung begonnen.« So kam er auch später als gedacht an der Unterkunft an. Der erste Tag seiner Challenge sei unter dem Strich schon viel anstrengender gewesen, als er im Vorfeld gerechnet hatte.
»Meine Leidenschaft zum Laufen wurde dabei auf eine harte Probe gestellt.« Und das nicht nur einmal! Hätte er erahnt, wie viele Schmerzen ihm sein Laufabenteuer bereiten würde, »wäre ich wohl nicht gestartet«, gibt er ehrlich zu. Dennoch machte Birkicht immer weiter, auch weil sein Kopf sich über Nacht gut von den Strapazen des Vortrags erholt habe. Und: »Weil ich so viele motivierende und superliebe Nachrichten bekommen habe.« Diese haben ihn schließlich bis zum Gardasee getragen. »Mit so einem Support hätte ich wirklich niemals gerechnet. Das war wirklich unglaublich«, dankt der Bergener für die großartige Unterstützung.
So habe er also Tag für Tag immer wieder zum Laufen angefangen. »Ich habe dabei auch halbwegs schnell in meinen Laufrhythmus gefunden.« Er setzte sich dabei immer wieder neue Zwischenziele: Er legte Gehpausen ein, plante die nächste Verpflegung. »So habe ich mich immer wieder aufs Neue motivieren können«, blickt er zurück. Und er spulte somit Kilometer um Kilometer runter und kam seinem großen Ziel näher und näher.
Dennoch ging seine mentale Achterbahnfahrt ebenfalls weiter. Schlimm sei es auch noch einmal am dritten Tag gewesen. »Da hat es sich abends ordentlich gezogen und ich hatte wirklich zu kämpfen.« Doch ans Aufgeben dachte er da schon längst nicht mehr: Der Gardasee war nur noch rund 69,5 Kilometer von ihm entfernt!
Doch erst die letzten 20 Kilometer war sich Holger Birkicht ganz sicher, »dass jetzt nichts mehr passieren kann«. Und plötzlich lag ihm der Gardasee praktisch vor Füßen. Im ersten Moment sei er überrascht gewesen, sagt Birkicht, weil er nicht damit gerechnet habe, schon einige Kilometer vor dem eigentlichen Ziel einen Blick auf den Gardasee zu haben. »Es war auf jeden Fall der tollste und auch der emotionalste Moment«, erzählt er. Endgültig am Ziel in Torbole angekommen fiel dann »eine große Last von mir ab«. Mit seinem Laufabenteuer hat er jedenfalls »meine eigene Geschichte geschrieben und ich habe dabei auch viel Neues über mich selbst gelernt«. Etwa, »dass ich so langsam laufen kann«.
Realisiert hat Holger Birkicht seine Wahnsinnsleistung noch immer nicht so richtig. »Es kommt mir nach wie vor surreal vor«, lacht er. »Doch es ist auch schon jetzt wahnsinnig viel Stolz dabei und es war ein Erlebnis, das mir jetzt keiner mehr nehmen kann«, ergänzt er.
Ob er ein solches Projekt noch einmal in Angriff nehmen wird, ließ Birkicht erst einmal offen. »Ich werde das in Zukunft genau überdenken, ob es wirklich nochmal solche Extreme sein müssen.« Er werde wohl eher mindestens einen Gang zurückschalten, »damit das Laufen auch weiterhin ein geliebter Teil von mir bleibt«, sagt der ambitionierte Hobbysportler.
Jetzt sammelt Holger Birkicht erst einmal neue Kräfte – und dann geht's mit der Wettkampfsaison weiter! Für ihn steht als Nächstes der Mozart100 in Salzburg auf dem Zettel – und auch dort will er wie bei seinem Projekt »Lake to Lago« groß auftrumpfen.
SB