Das Schlimmste für den 35-Jährigen ist, dass er seine beiden Kinder nicht sehen kann. Sein zehnjähriger Sohn und die dreijährige Tochter wissen nicht, dass ihr Vater im Knast ist. Sie glauben, dass er arbeitet. Frühestens im April wird Christian G. frei sein. Warum er hinter Gittern ist? »Fahren ohne Fahrerlaubnis«, antwortet er. Über die Vergangenheit mag er nicht sprechen, die spukt schon genug in seinem Kopf herum. »Ich denke oft darüber nach, was ich falsch gemacht habe«, sagt er. Die Zukunft soll besser werden. »Ich will viel in die Natur gehen, auf die Berge mit meinen Kindern.«
Noch muss der Nachwuchs auf den Vater verzichten. »Meine Kleine weint viel«, weiß der Inhaftierte. Was zu Hause passiert, das bekommt er im Großen und Ganzen mit. Zwar darf er im Monat nur eine Stunde lang Besuch empfangen, doch Briefe kann er schreiben und bekommen, so viele er mag. »Da glaubt man gar nicht, wie viel man da schreibt«, erzählt der gelernte Mechaniker, »es kommen immer so um die vier Seiten zusammen«. Ob er sich da den Kummer von der Seele schreibt? »Ich schreibe auch Unwichtiges, zum Beispiel, was es zum Essen gegeben hat«, antwortet der Familienvater ausweichend. Wann er vor seiner Zeit im Gefängnis das letzte Mal einen Brief abgeschickt hat, das weiß er gar nicht mehr. »Das ist mindestens 15 Jahre her.«
Doch hinter Gittern ist eben vieles anders. So auch der Kontakt mit seinen Liebsten. Die einstündige Besuchszeit, die ihm im Monat zusteht, teilt er auf. Wenn die Familie nur eine halbe Stunde da bleibt, dann kann er sie noch ein zweites Mal sehen. Allerdings: nur durch eine halbhohe Glasscheibe hindurch und in Gegenwart eines Justizvollzugsbeamten. »Heute kommen noch meine Mutter, meine Freundin und meine Tochter«, erzählt Christian G. mit einem Strahlen in den Augen. Die Dreijährige würde noch gar nicht verstehen, wo sie ist, darum dürfe sie mit. »Und sie darf auch zu mir herüber«, erzählt er glücklich.
Eine zusätzliche Besuchszeit an Weihnachten ist nicht drin. Nicht einmal Geschenke dürfen die Liebsten mitbringen. Das einzige Zugeständnis: der »Sondereinkauf zu Weihnachten«. Für 100 Euro dürfen die Häftlinge extra einkaufen. »Ich hab' mir Konserven, Süßigkeiten und Salami gekauft«, erzählt Christian G.
Das Geld ist kein Geschenk des Staates. Es ist den Angehörigen oder den Häftlingen selbst. Einige von ihnen können im Gefängnis arbeiten, doch es gibt nicht genügend für jeden zu tun. Christian G. ist glücklich, dass er zu denen gehört, die 31 Stunden in der Woche arbeiten können. »Heute bekleben wir Schuhkartons«, sagt er. Er ist froh um jede Abwechslung – und um den Kontakt mit Mithäftlingen. »Da bilden sich Freundschaften«, sagt er. Bei Problemen höre man sich gegenseitig zu.
Abends, in seiner Zelle, will Christian G. alleine sein. Anfangs war er in einer Gemeinschaftszelle untergebracht, zusammen mit drei anderen. Dann zog er freiwillig in eine Einzelzelle um. »Ich wollte mehr Privatsphäre haben.«
In seiner Zelle wird der 35-jährige Familienvater auch den Heiligen Abend verbringen. Alleine, mit seinen Süßigkeiten und der Salami, der Sehnsucht nach seinen Lieben und der großen Hoffnung, dass das Leben nach seiner Haft ein besseres sein wird.
Sandra Schwaiger