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Hofft auf ein Scheitern des CETA-Abkommens im Deutschen Bundesrat: Kundgebungsredner Karl Bär vom Verein »Umweltinstitut München«. (Foto: Wittenzellner)

»Wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut«

Traunstein – Sie sorgen für ein großes Misstrauen in Teilen der Bevölkerung und spalten Befürworter und Gegner in zwei Lager: Die Freihandelsabkommen, die seit einigen Jahren von der Europäischen Union mit Kanada und den USA ausgehandelt werden. Am Freitag gingen in Traunstein nach dem Motto »Protest lebt von Beteiligung und nicht stiller Zustimmung« Bürger auf die Straße, um gegen CETA zu demonstrieren. Durch die Unterschriftenaktion »Bayern stoppt CETA« wollen sie zusätzlich Druck auf die Landes- und Bundespolitiker ausüben.


Über 30 große Abkommen mit wirtschaftlich bedeutenden Regionen stehen an oder sind im Verhandlungsstadium. Gibt es über das TTIP-Abkommen mit den USA noch viele ungelöste Fragen, ist das CETA-Abkommen mit Kanada bereits viel weiter. 2009 wurden die Verhandlungen aufgenommen, 2014 offiziell abgeschlossen, im Februar wurde die offizielle Rechtsförmigkeit bekannt gegeben. Doch es formiert sich Widerstand in vielen europäischen Ländern.

Demonstrieren für den Erhalt der Demokratie

So wurden am Freitag und am Samstag bei einer Reihe von Anlaufstellen im Landkreis Traunstein und im Berchtesgadener Land viele Unterschriften gesammelt, die – bei Erreichen von mindestens 25 000 Unterstützern – in ein Volksbegehren in Bayern münden soll.

Der Widerstand formiert sich: Geht es in den Augen vieler Kritiker bei CETA wie auch TTIP nicht nur um reine Handels- und Investitionsabkommen, sondern in weiten Teilen auch um eine Abschaffung der Demokratie, wie auch auf einem Demo-Plakat gewarnt wird. Entsprechend groß war die Resonanz an der Demonstration am Freitag. Veranstalter und die Polizei, die zeitweise die Straßen Richtung Stadtplatz für den Demonstrationszug sperrte, sprachen von bis zu 500 Teilnehmern. Ab 17 Uhr versammelten sich die Abkommens-Gegner am Bahnhofsplatz, zeigten ihre Transparente und hörten verschiedenen Rednern zu, die unisono die großen Freihandelsabkommen in der geplanten Form ablehnten und wie zum Beispiel Bernhard Reithmaier von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) scharfe Kritik an den EU-Vertretern übten und den Stopp von CETA forderten.

»Den Clowns nicht überlassen, wie es uns geht«

Seelsorger Karl-Heinz Hellinger aus Braunau wollte mit Blick auf die EU-Verantwortlichen den »Clowns nicht überlassen, wie es uns geht.« Edmund Halletz von Greenpeace war wieder in die Rolle des mittelalterlichen Herold geschlüpft, der vor den beiden nordamerikanischen Freihandelsabkommen mit der EU warnte: »Ich komme aus dem Mittelalter und das droht uns, wenn CETA und TTIP kommen.« Weitere Redner sprachen sich gegen die Abkommen aus und forderten die Teilnehmer auf, sich in die Unterschriftslisten einzutragen.

Gemeinsam ging es dann unter Protestgesängen (»Wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut«), Anti-Freihandelsabkommen-Slogans und Trillerpfeifkonzert in einem Protestmarsch auf den Traunsteiner Stadtplatz, wo die Hauptkundgebung stattfand. Beate Rutkowski vom Bund Naturschutz monierte die niedrigeren Umweltstandards, die mit den Abkommen drohten. »Jetzt können wir noch über Glyphosat diskutieren, dann müssen wir es im wahrsten Sinne des Wortes schlucken.« Man wolle einen fairen Handel, einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen und eine gerechte Verteilung des Reichtums für alle Menschen. Franz Rieger von der »Initiative Stopp TTIP BGL/TS« forderte mehr Beschlüsse von bayerischen Städten und Gemeinden, dass die kommunale Daseinsvorsorge in kommunaler Hand bleiben müsse.

»Zu viele Verlierer, zu wenige Gewinner«

Karl Bär vom Verein »Umweltinstitut München« betonte, dass man in Bayern mit rund 500 Ständen eine breite Basis habe, um die nötigen 25 000 Unterschriften für die Einsetzung eines Volksbegehrens zusammenzubekommen. Die Hürde, mindestens knapp eine Million Unterstützer zur Unterschrift in die Rathäuser zu mobilisieren, sei dann eine andere Herausforderung, »aber so wie es aussieht, haben wir die Kraft es zu schaffen«. Man wolle den Bayerischen Ministerpräsident dadurch zwingen, bei der Abstimmung im Bundesrat mit »Nein« zu stimmen. »Und dann ist das Ding politisch tot und auch TTIP ist dann tot.« Die Freihandelsabkommen seien in ihrer Ausgestaltung und dem Prozedere »schwer mit der Demokratie zu vereinbaren, es trifft uns alle.«

Der 14-jährige Ludwig Essig vom »Greenteam Schwabenpower« aus dem baden-württembergischen Weissach sagte unter dem Applaus der Teilnehmer: »Wenn uns unsere Rechte etwas wert sind, dann müssen wir jetzt laut werden.«

Margot Rieger von der »Initiative Stopp TTIP BGL/TS« holte weiter aus und sagte, man lehne die heutige Form der Globalisierung ab: »Zu viele Verlierer, zu wenige Gewinner.« Eine Reihe weiterer Redner gingen auf spezifische Risiken für die Menschen ein, die durch die Freihandelsabkommen auf sie zukämen, der kleinteiligen Landwirtschaft in der Region drohe das Aus.

Veranstaltet wurde der CETA-Protest von der »Plattform parteiunabhängiger Organisationen BGL/ TS«, der unter anderem der Bund Naturschutz, das Forum Ökologie Traunstein und der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter angehören. Bernadette und Josef Irgmaier aus Tittmoning sorgten am Stadtplatz als »Tudo Tranquilo« für die musikalische Untermalung. Die Polizei zeigte sich über den ruhigen und geordneten Verlauf der Protestveranstaltung zufrieden. »Die Versammlung wurde nur vom durchwachsenen Wetter gestört«, heißt es in einer Pressemitteilung.

Von Altenmarkt über Berchtesgaden bis Waging wurden am Wochenende weitere Unterschriften gesammelt, mit dem Ziel die Hürde Volksbegehren in einem ersten Schritt zu nehmen. »Alleine an den Infoständen während der Demonstration und der anschließenden Kundgebung haben rund 400 Menschen unterschrieben, während am Samstag dann über 3300 Unterschriften in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein gesammelt wurden«, teilt die »Initiative Stopp TTIP BGL/TS« mit. awi

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