Wie kamen Beruhigungsmittel ins Blut des Opfers?

Traunstein. Der Totschlagsprozess des Schwurgerichts Traunstein gegen einen 53-jährigen Mann aus Neumarkt- St. Veit wird nicht, wie geplant, am heutigen Dienstag, sondern erst am Donnerstag, 27. Februar, um 9 Uhr fortgesetzt, und zwar mit weiterer Beweisaufnahme. Wann das Urteil ergeht wird, ist derzeit nicht absehbar.


Der Grund: Die Kammer mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs hält zusätzliche Untersuchungen für erforderlich. Dabei geht es um die Frage, ob das Opfer, die 39-jährige Ehefrau des Angeklagten, vor dem gewaltsamen Tod möglicherweise mit betäubt worden war (wir berichteten).

Der Angeklagte hatte zu Prozessbeginn gestanden, seiner Ehefrau nach deren Tod ein Narkosemittel in den Mund geflößt zu haben. Ein Motiv dafür konnte er nicht nennen. Im Körper der Getöteten hatten Spezialisten des Rechtsmedizinischen Instituts an der Universität München bei der Obduktion zwei Beruhigungsmittel nachgewiesen, eines im Herzblut, ein anderes in der Oberschenkelvene. Der Sachverständige Professor Matthias Graw konnte am letzten Verhandlungstag »nicht mit Sicherheit« sagen, ob die Substanzen vor oder nach dem Tod in den Körper des Opfers gelangt waren.

In der Regel erfolge eine Verteilung im Körper nur bei intaktem Kreislauf, so der Experte. Jedoch sei eine Verteilung postmortal nicht auszuschließen – durch vielfaches Umlagern der Leiche zum Beispiel durch Polizeibeamte, Notarzt, weitere Ermittler und auch im Verlauf der Obduktion. Der Sachverständige meinte, weitere Untersuchungen könnten möglicherweise zu genaueren Ergebnissen führen.

Die Schwierigkeit dabei: Für nähere Untersuchungen benötigt man das Medikament im Original oder die Reinsubstanz daraus. Das eine Mittel, entwickelt in Deutschland im Zweiten Weltkrieg, sei seit Jahrzehnten in Deutschland und Europa nicht mehr erhältlich. Zu bekommen sei es nur noch in Indien, China und Kanada. Die zweite Substanz werde in der Bundesrepublik noch ab und zu verwendet, etwa in der Tiermedizin. Staatsanwalt Dr. Martin Freudling regte daraufhin an, man solle versuchen, beide Substanzen zu besorgen und vergleichende Untersuchungen zu veranlassen.

Wenn das Opfer schon vor seinem Tod betäubt worden sein sollte, so könnte das dem Totschlagsprozess eine unerwartete Wendung geben. Dann stünde sogar der Vorwurf Mord im Raum. Dass sich die – möglicherweise durch Beruhigungsmittel außer Gefecht gesetzte – 39-Jährige nicht wehren konnte, dafür sprach nach Ansicht des Rechtsmediziners ein weiteres Indiz: »An der Leiche haben wir keinerlei Kampf- und Abwehrspuren gefunden. Das könnte auf eine Betäubung hindeuten. Opfer in Todesangst entwickeln normalerweise Abwehrreaktionen.«

Bislang hatte der vielfach vorbestrafte 53-Jährige, dem Verteidiger Erhard Frank aus Burghausen zur Seite steht, eingeräumt, nach schon länger anhaltenden Eheproblemen und einem heftigen Streit am Tatabend über Geld und seinen Alkoholkonsum im Wohnzimmer seine Ehefrau mit den Händen gewürgt und sie dann durch Drücken seines Knies auf ihren Hals getötet zu haben. Er habe die Tote ins Schlafzimmer getragen, ihr dort das Narkosemittel Äther eingeflößt und sich dann an ihr sexuell vergangen. Im Anschluss verfrachtete er die Leiche in den Kofferraum des Autos, mit dem ihn seine ahnungslose Tochter am nächsten Morgen zur Dienststelle der Polizeiinspektion Mühldorf fuhr. kd

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