Praktisch in jeder Gemeinde im Kreis Traunstein hat sich nach der Flüchtlingswelle ein Asylhelferkreis gebildet. Sie sind ganz unterschiedlich groß, wie Natalia Wolf ausführt: »In Engelsberg sind es acht Helfer und in Traunstein über 100«, führt sie beispielhaft an. Als der Landkreis vor allem ab der zweiten Jahreshälfte 2015 viele Flüchtlinge zugewiesen bekam, mussten die Ehrenamtlichen bei Null anfangen. »Es gab vor Ort keine Infrastruktur«, erinnert sich Natalia Wolf. Die Konsequenz: Die freiwilligen Helfer mussten alles auffangen.
»Viele stiegen so tief ein, dass sie quasi 24 Stunden am Tag gearbeitet haben«, erzählt die Sozialpädagogin. Sie gaben Deutschunterricht, richteten Kleiderkammern ein, organisierten Fahrdienste, begleiteten die Flüchtlinge bei Arztbesuchen oder Behördengängen, halfen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder einer Arbeitsstelle... Später kümmerten sie sich um Freizeitangebote für die Asylbewerber, organisierten Spielenachmittage, Sportangebote und gemeinsame Feste.
Die Anstrengungen in der Anfangsphase waren groß, viel wurde erreicht. »Aber auf Dauer kann das keiner leisten«, sagt Natalia Wolf. Vielen ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern sei es schlichtweg zu viel geworden, einige hätten durch die Dauerbelastung auch gesundheitliche Probleme bekommen. Dazu hätten sich die Freiwilligen von Nachbarn oder Arbeitskollegen noch anhören müssen, warum sie sich überhaupt um »die« kümmern würden.
Viele Freiwillige sind frustriert
Natalia Wolf weiß, dass viele Freiwillige auch frustriert sind, weil sie immer wieder an Behörden scheitern würden. Doch der Frust müsste oft gar nicht sein, denn manchmal würden einfach nur die entscheidenden Informationen fehlen. Ein Beispiel: »Viele Flüchtlingshelfer wissen gar nicht, dass die Regierung von Oberbayern die Flüchtlingsunterkünfte finanziert und das Landratsamt deren Entscheidungen nur umsetzt«, so Natalia Wolf. Viele würden ihren Frust darum auch an die falsche Stelle richten. Mit Blick auf die Behörden sagt sie: »Es ist wichtig, die Person zu ermitteln, die was zu entscheiden hat.« Darum komme auch dem Netzwerk Asyl, dem Zusammenschluss der Helferkreise im Kreis Traunstein, eine große Bedeutung zu: So können sich die Helferkreise bei Problemen und der Suche nach Lösungen austauschen und voneinander lernen.
Gerade die Verlegung von Asylbewerbern sorgt immer wieder für Unruhe. Der aufsehenerregende Protest der Flüchtlinge aus Bergen, die nicht nach Petting umziehen wollten, steht dafür sinnbildlich. Natalia Wolf versteht auf der einen Seite, dass es für ehrenamtliche Helfer schwierig ist, einen Umzug zu akzeptieren. Schließlich hätten sie sich stark für die Asylbewerber engagiert, seien mit ihnen zusammengewachsen. Auf der anderen Seite sagt die Sozialpädagogin immer: »Wir sind Begleiter auf Zeit.«
Darum sei es auch falsch zu sagen: »Das ist unser Flüchtling.« In einem laufenden Asylverfahren komme es eben immer wieder vor, dass Asylbewerber in eine andere Unterkunft umziehen müssen. Aber Natalia Wolf hat auch die Erfahrung gemacht, dass die Behörden in Einzelfällen gesprächsbereit sind, etwa wenn ein Flüchtling von der neuen Unterkunft aus nicht mehr zu seiner Arbeitsstelle kommen würde.
Die Sozialpädagogin glaubt, dass es falsch war, dass die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer anfangs komplett auf sich alleine gestellt waren. In ihren Augen ist es jetzt an der Zeit, »viele behördlichen Sachen«, um die sich die Flüchtlingshelfer nach wie vor kümmern, an die Behörden abzugeben. »Auf Dauer können das die Ehrenamtlichen nicht leisten.«
»Eine Stunde im Monat ist auch schon was«
Natalia Wolf ist sich sicher: »Wir müssen wieder zu dem hin, was Ehrenamt eigentlich ausmacht.« Das ist in ihren Augen nicht die 24-Stunden-Komplettversorgung durch freiwillige Helfer. Im Gegenteil. »Die Ehrenamtlichen sollen genügend Zeit für ihre Familien, Freunde und Hobbys haben.« Die Zeit, die sie darüber hinaus noch zur Verfügung hätten, könnten sie in die Flüchtlingshilfe investieren. »Ich sage immer: 'Wenn Sie eine Stunde im Monat Zeit haben, dann leisten sie auch schon was.« Auf diese Weise ist es Natalia Wolf jetzt erst gelungen, vier neue Ehrenamtliche für die Flüchtlingshilfe zu gewinnen. Alle vier werden nur einmal im Monat etwas machen.
Natalia Wolf weiß, dass wir bei der Integration der Flüchtlinge erst am Anfang stehen. Darum brauchen auch die ehrenamtlichen Helfer noch einen langem Atem. »Jetzt geht es darum, dass die Hemmschwelle in der Bevölkerung sinkt und die Erkenntnis kommt: 'Das sind genauso Menschen wie wir.'« Die Sozialpädagogin betont weiter: »Wenn wir keine Ghettos wollen, dann müssen wir auf die Menschen zugehen.« Dennoch bleibt sie optimistisch: »Ich glaube daran, dass die Integration gelingen wird.« san