Über 20 Mal auf Arzt eingestochen

Traunstein – Wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung an einem 36-jährigen Stationsarzt im Mai im Bezirksklinikum in Gabersee ordnete das Schwurgericht Traunstein mit Vorsitzendem Richter Erich Fuchs gestern die zeitlich unbegrenzte Unterbringung eines 24-jährigen, psychisch kranken Manns aus Tacherting in einer psychiatrischen Klinik an.


Das Motiv der Tat: Der Beschuldigte wollte lieber ins Gefängnis kommen, als zwangsweise seine unbedingt erforderlichen Medikamente nehmen zu müssen. Das Gericht bejahte einen direkten Tötungsvorsatz, gelangte aber nicht zu einem ursprünglich angeklagten »versuchten Mord« mit den Mordmerkmalen Heimtücke und niedere Beweggründe. Der Schuldspruch und die verhängte Unterbringung deckten sich mit den Schlussanträgen von Staatsanwalt Bernd Magiera und von Verteidiger Dr. Adam Ahmed aus München.

Der 24-Jährige war schon mehrmals vor der Tat in psychiatrischer Behandlung. Immer wieder wollte er, auch wenn er zu Hause war, die notwendigen Medikamente nicht nehmen. Anfang Mai eskalierte die Situation deshalb in der Familie.

Zuvor ging er bereits auf Mutter und Brüder los

Der Beschuldigte wurde aggressiv, ging auf Mutter und Brüder los. Gemäß dem Rat seiner Betreuerin für solche Situationen bat er, freiwillig nach Gabersee gebracht zu werden. Dort machten ihm mehrere Ärzte klar, dass es, sollte er die Arzneien verweigern, zu einer Zwangsmedikation kommen könnte.

»Um dem zu entgehen, beschloss der Beschuldigte, den Geschädigten zu töten«, erklärte Vorsitzender Richter Erich Fuchs im Urteil. Der 24-Jährige habe sich zwei Küchenmesser besorgt und Bauchschmerzen vorgespiegelt, um von dem Arzt untersucht zu werden. Dem Stationsarzt waren nach Worten des Vorsitzenden »die aggressiven Grundtendenzen bekannt und bewusst«. Das habe der Zeuge in der Hauptverhandlung ausgesagt. Dennoch habe der 36-Jährige die Untersuchung begonnen, »um Vertrauen zu dem Patienten herzustellen«.

Der 24-Jährige habe auf den Arzt, als dieser sich über ihn beugte, vielfach und teils heftig gegen Hals und Kopf gestochen. Nach Flucht des 36-Jährigen auf den Klinikflur habe der Beschuldigte weiter zugestochen. Ein Patient und Pflegepersonal hätten eingegriffen. »Auf Aufforderung eines Pflegers ging der 24-Jährige in eine Telefonzelle, wo er eingeschlossen wurde. Dort hat er friedlich gewartet, bis die Polizei eintraf«, so der Richter.

Der Arzt trug nach Fuchs durch die Vielzahl an Stichen 21 Verletzungen davon, viele davon nur Kratzer: »Dass es keine schwereren Verletzungen gab, ist nur dem Zufall zu verdanken. Er wollte töten, um nicht behandelt zu werden und um ins Gefängnis kommen zu können.«

Arzt hatte mit Angriff gerechnet

Objektiv habe der 24-Jährige damit – neben gefährlicher Körperverletzung in gleich zwei Varianten – einen versuchten Totschlag begangen. Das Mordmerkmal »Heimtücke« liege nicht vor, sei der Arzt doch nicht wehrlos gewesen. Zudem habe der Zeuge »mit etwas Verborgenem«, etwa einem Kugelschreiber, gerechnet.

Zum Thema Schuldunfähigkeit durch eine psychische Krankheit betonte Erich Fuchs im Urteil: »Die Diagnose ist letztlich offengeblieben. Wir gehen von einer schizophrenen Spektrumsstörung aus. In welcher Form, das können wir offen lassen. Beide Formen führen zu Unterbringung.« Welche Behandlung die richtige sei, sei eine Frage der Vollstreckung. Unbehandelt bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit für weitere erhebliche rechtswidrige Taten in ähnlichen Situationen. Derzeit seien die Voraussetzungen für eine Unterbringung erfüllt.

Andererseits zeige der Beschuldigte inzwischen Krankheitseinsicht. Eine gewisse Besserung sei eingetreten. Der Richter legte dem 24-Jährigen ans Herz: »Für Bewährung ist es noch zu früh. Vor Ihnen liegt noch ein beschwerlicher Weg. Wenn Sie mitmachen, finden sich zu gegebener Zeit vielleicht andere Mittel und Wege als ein Bezirksklinikum.« kd

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