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Kommt schön langsam zum Umdenken: Volker Schweidler in der Paraderolle des Gustav Knausers mit Michel Frei, der den Sohn des schikanierten Schreibers spielt.

Späte Läuterung eines knorrigen Geizkragens

Ruhpolding – Auch im sechzigsten Jahr ihres Bestehens haben es die Darsteller der Ruhpoldinger Heimatbühne nicht verlernt, ihr Publikum mit grandioser schauspielerischer Leistung in den Bann zu ziehen. Dies wurde bei der Premiere des emotional berührenden Stücks »Eine Weihnachtsgeschichte« nach Charles Dickens deutlich, das Regisseur Hermann Hipf zum Jubiläum ausgesucht hatte und vom Originalschauplatz London ins damalige Jugendstil-Genre deutscher Städte des ausgehenden 19. Jahrhunderts beförderte.


So schikaniert in diesem Fall nicht die hartherzige, englische Hauptfigur Ebenezer Scrooge, sondern Gustav Knauser sein Umfeld nicht minder mit Habgier und Selbstsucht. Es ist wieder eine Paraderolle für Volker Schweidler, der es blendend versteht, die tiefen, sozialen Gräben dieser Zeit sehr authentisch sichtbar zu machen.

Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch die aufwühlende Handlung, sogar an Weihnachten. Zum Leidwesen seines Schreibers Konrad Braun (Simon Geierstanger), der ihm partout nichts recht machen und nur durch Unterwürfigkeit seinen Job sichern kann. Dem charakterlosen Knauser ist es egal, ob der kleine Timmy, Brauns Sohn (Michel Frei), ärztliche Betreuung bekommt oder nicht, drückt sich um jedes Almosen und meidet jede Einladung seines Neffen Fred (Fritz Fischer jun.). Fast scheint es so, als könnte der geldgierige Kotzbrocken immer so weitermachen. Doch mehrere nächtliche Erscheinungen (schauderhaft mit perfekter Lichttechnik in Szene gesetzt) bringen den scheinbar unverbesserlichen Geizkragen doch noch zum Umdenken.

Der Reihe nach versuchen es sein verstorbener Geschäftspartner Jakob Junge (Manfred Hartl), der Geist der vergangenen Weihnacht (Monika Kloiber) und der gegenwärtigen Weihnacht (Michael Lindhuber), ihm den Spiegel über sein selbstsüchtiges Leben vorzuhalten.

Erst als ihn der Geist der zukünftigen Weihnacht (Doppelrolle Manfred Hartl) mit seinem und dem Ableben des kleinen Timmy konfrontiert, wird ihm sein drohendes Schicksal bewusst. Das endet mit einem temperamentvoll inszenierten Finale, während dem sich der geläuterte Geizkragen zum großen Wohltäter wandelt.

Dass die Premiere wie aus einem Guss lief und mit minutenlangem Beifall quittiert wurde, daran hatten die weiteren Darsteller entscheidenden Anteil. Franziska Hipf als Cousine von Timmy, Marianne Plenk als Fanny, Schwester von Knauser, Engelbert Birnbacher als ihr Mann, Florian Scharf als kleiner Fred, Emilie Haßlberger als Freds Frau Marie, Eva Helminger als kleine Fanny und Johannes Wörnle als kleiner Gustav Knauser.

In die Spendensammler-Rollen schlüpften Maria und Hermann Hipf sowie Franziska Scharf, und die drei gewitzten Diebinnen mimten Regina Tiefenthaler, Antonie Feichtenschlager und Helena Schweidler.

Mucksmäuschenstill war es in der sehr gut besuchten Aula des Pfarrzentrums, als Hanni Mair in der Rolle der Bella Braun mit glockenreiner Stimme ihr Gesangsolo anstimmte.

Mit unterlegten Texten aus der Feder von Hermann Hipf verbindet die Band SÖÖR (Martin Reiter, Andreas Wimmer, Wasti Höglauer und Edi Lengg), die einzelnen Handlungsstränge mit bekannten Hits von Reinhard Fendrich oder Neil Young sowie mit Eigenkompositionen, die zusätzliches Gänsehautfeeling aufkommen lassen.

Für die Technik und Bühne zeichnen Hans Wiser, Sepp Lanzinger und Hermann Hipf sen. verantwortlich, den Bereich Kostüme, Maske mit Souffleuse erledigen Sonja Hartl, Monika Kloiber und Maria Hipf. Für die Zusatzvorstellung am 28. Dezember gibt es noch Karten. ls

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