Laut Antragsschrift, in der einzig die Unterbringung des an einer paranoiden Psychose leidenden Beschuldigten im Raum steht, hatte der Priener erst seine 31-jährige Ex-Freundin misshandelt und dann auf sie geschossen. Ein Streifschuss traf die Kleidung der Frau. Weitere Schüsse verletzten einen unbeteiligten 48-jährigen Passanten, der zu Hilfe eilen wollte. Der mutmaßliche Schütze äußerte sich gestern zu seinem Vorleben, nicht aber zu Tatgeschehen und Motiv. Insgesamt sind vier Verhandlungstage geplant, das Urteil soll im Januar fallen.
Der Hintergrund der Schießerei soll laut Staatsanwalt Bernd Magiera in einem Vorfall liegen, der sich etwa ein halbes Jahr zuvor abgespielt hatte. Der 39-Jährige, der aus einer Kurzbeziehung mit einer anderen Frau eine sechs Jahre alte Tochter hat, glaubte, das Kind im August 2013 im Biergarten eines Lokals gesehen zu haben – in Begleitung der Mutter und des späteren Opfers. Alle von der Kripo Rosenheim vernommenen Beteiligten verneinten ein solches Treffen übrigens. Man sei nie zusammen in dem Lokal gewesen.
Per SMS Drohungen und Beschimpfungen verschickt
Die inzwischen 31-jährige Bankkauffrau war an der Gaststätte beteiligt. Der Maurer verkehrte in dem Lokal als Gast. Zwischen beiden entwickelte sich eine – insbesondere wegen seines Alkoholkonsums – nicht einfache Beziehung, die die 31-Jährige im Sommer 2013 beendete. Man traf sich noch hin und wieder. Im August 2013 spitzte sich alles zu – weil die Frau weiteren privaten Kontakt ablehnte. Dazu die Zeugin: »Da ist er ausgeflippt.« Drohungen und Beschimpfungen per SMS folgten. Zu dem angeblichen Vorfall mit der Tochter im Biergarten betonte die 31-Jährige gestern im Zeugenstand: »Ich kenne das Kind überhaupt nicht.«
Der Beschuldigte glaubte der 31-Jährigen damals nicht. Er vermutete eine »Verschwörung«, wie er in einer Vernehmung angab. Am Tattag wollte er die 31-Jährige laut Staatsanwalt persönlich zur Rede stellen. Der Maurer berichtete gestern zu jenem Tag lediglich, dass er erstmals nach fünf Monaten Abstinenz wieder Alkohol getrunken und zudem einen Joint geraucht hatte.
Dass der 39-Jährige am Tatnachmittag in seinem Rucksack eine mit sieben Patronen geladene Pistole hatte – darüber informierte gestern ein Kripobeamter. Der Beschuldigte hatte die halbautomatische Waffe beim Ausräumen eines Dachbodens gefunden und nur einmal abgefeuert – bei einem Schuss in den Fluss Prien. So wusste er, dass die Pistole funktionsfähig war.
Gegen 17 Uhr traf der Priener, den Dr. Adam Ahmed aus München verteidigt, die 31-Jährige vor einem Geschäft in der Schulstraße. Er packte sie am Hals, drückte sie gegen die Hauswand und schlug die Frau mit dem Kopf gegen die Mauer. Unter Tränen berichtete das Opfer gestern, wie es weiterging: »Er hat mich mit der Waffe in der Hand die ganze Zeit angeschrien, was seine Tochter in dem Biergarten zu suchen hatte. Er werde mich erschießen.«
An den Haaren habe er sie in ein Gebüsch gezerrt und mit der Pistole aufs Auge geschlagen. Das Geschehen verlagerte sich in eine gegenüberliegende Hofeinfahrt, wo der 39-Jährige ihr die Waffe gegen Kopf und Nacken setzte: »Ich habe die Pistole immer wieder gespürt.« Zwei Zeugen wollten helfen, wichen angesichts der Waffe zurück. Der 31-Jährigen gelang es, sich loszureißen: »Dann bin ich nur noch gerannt.« Sie konnte sich ins Lokal retten. Zwei Schüsse verfehlten sie.
Zu den psychischen Folgen berichtete die 31-Jährige weinend: »Ich denke jeden Tag daran, denke, was hab ich falsch gemacht.« Sie habe häufig Ängste, wolle weg aus Prien: »Jeden Tag gehe ich an der Stelle zweimal vorbei.«
Mit Pistole auf Kopf und Brust geschossen
Nächstes Opfer wurde damals der 48-jährige Nebenkläger, ein Ladeninhaber, der der Frau zu Hilfe eilen wollte. Ohne Vorwarnung feuerte der 39-Jährige zweimal ab – aus 15 bis 25 Zentimeter Entfernung gegen Brust und Kopf. Ein Streifschuss verletzte die Oberlippe. Das zweite Projektil drang in die Brust des 48-Jährigen und blieb kurz vor dem Wiederaustritt im Rücken stecken. Die 31-Jährige und den 48-Jährigen vertreten die Opferanwälte Manuela Denneborg aus Rosenheim und Hanns-Christian Türck aus Prien.
Der Beschuldigte, unehelicher Sohn einer Deutschen und eines Algeriers, wuchs in Rimsting bei den Großeltern auf. Sein Vater war nach der Geburt des Buben in seine Heimat zurückgezogen. Die Mutter verließ den Sohn, als er ein, zwei Jahre alt war. Alkohol und Drogen – von Cannabis bis Speed – begleiteten den zuletzt seit Sommer 2000 mit kleiner Firma selbstständigen Maurer ab etwa dem 16. Lebensjahr. Verheiratet war er nie. Seine Tochter sah er selten. Angeblich war die Mutter mit dem Kind untergetaucht.
Unter den Zeugen waren gestern Beamte der Kripo Rosenheim. Auf einen wirkte der Beschuldigte nach der Festnahme verwirrt und ziemlich aggressiv. Dem Kriminaler gegenüber deutete der 39-Jährige damals an, er habe sich mehrmals von verschiedenen Leuten verfolgt gefühlt. kd