Was haben Sie gedacht, als Sie nach fast 23 000 Kilometern bei Siegsdorf auf ein anderes Auto auffuhren?
Rafael de Mestre: Ehrlich gesagt: »Scheiße!« Ich bin ausgestiegen, habe in die Luft getreten, bin ein paar Sekunden sehr emotional geworden und habe »Game over« gepostet. Dann habe ich sofort die Türspaltenabstände kontrolliert und gesehen, dass der Wagen nicht verzogen ist – und schon war die Hoffnung wieder da.
Sie haben aufgrund der Reparatur fast vier Tage verloren. Wie stehen die Chancen, dass Sie das Rennen trotzdem gewinnen?
Rafael de Mestre: Die Franzosen haben aufgeholt und sind bis Moskau gekommen. Sie werden von ihren Leuten angepeitscht, da nun wieder eine Chance besteht, dass sie mich schlagen. Für mich wird es schon knapp, ich muss rund 1000 Kilometer aufholen, um vor ihnen in Straßburg anzukommen.
Wie viele Kilometer fahren Sie in der Regel am Tag?
Rafael de Mestre: So viel wie möglich. Doch in manchen Ländern sind die Straßen so schlecht, dass ich in acht Stunden ohne Zwischenladen gerade mal 300 Kilometer weit gekommen bin. In Europa schaffe ich 500 bis 1000 Kilometer pro Tag, je nachdem, ob Schnelllademöglichkeiten auf dem Weg sind.
Finden Sie überall auf der Welt Stromtankstellen?
Rafael de Mestre: Man braucht keine Stromtankstellen. Das ist eine Erfindung der Industrie, um Geld zu verdienen. Es reicht konventioneller Strom – und entgegen vieler Unkenrufe ist in allen von mir durchfahrenen Ländern 220 Volt Standard. Deshalb fand ich an jeder Benzintankstelle Strom für meinen Tesla, aber auch an Hotels und Restaurants. Also überall, wo ich eine Pause einlegte. Viele Menschen hatten natürlich Fragezeichen in den Augen, denn ich war der Erste, der um Strom für ein Auto bat. Doch nach der Erklärung, dass das genauso wie ein Staubsauger funktioniert, waren alle hilfsbereit.
Was war auf Ihrer Reise durch Spanien, Frankreich, Schweiz, Deutschland, USA, China, Kasachstan, Russland, Ukraine, Rumänien, Ungarn und Österreich bislang die größte Herausforderung?
Rafael de Mestre: Die Herausforderung ist die eines Ferrarifahrers, der auf unglaublich schlechten Straßen fahren muss. Die Bodenfreiheit des Tesla von nur 12 Zentimetern machte mir in Kasachstan, Russland und der Ukraine zu schaffen. Mit einem elektrischen SUW oder einem Jeep wäre das ein Klacks gewesen.
Wer finanziert Ihr Vorhaben? Das ist ja sicher ein ziemlich teures Unterfangen – allein der Telsa kostet über 100 000 Euro...
Rafael de Mestre: Ich habe viele Unternehmen gefragt, die sich »grün« auf die Flagge geschrieben haben und im Motorsport kräftig sponsern. Nicht einer war bereit, mir einen Cent zu geben. Also habe ich meine Lebensversicherung verkauft. Und was den Tesla angeht, der ist geleast.
Was wollen Sie mit dem Rennen um die Welt eigentlich bewirken?
Rafael de Mestre: Mein Leben soll sinnvoll sein, also muss ich etwas Nachhaltiges machen, um Spuren zu hinterlassen. Ich will zeigen, dass 100 Prozent elektrisch angetriebene, handelsübliche Autos bereits jetzt lange Strecken fahren können. Es darf kein rückwärts auf Druck von Konzerninteressen geben, dafür lohnt es sich zu leben und alles Geld zu verwenden, das man zur Verfügung hat.
Was machen Sie im »normalen« Leben?
Rafael de Mestre: Geld verdiene ich mit meiner langjährigen Erfahrung als Projektmanager im Bereich IT-Netzwerke und IT-Sicherheit. Ich habe eine Firma und helfe Konzernen, Projekte günstiger und schneller abzuwickeln.
Wie sieht Ihre weitere Route aus?
Rafael de Mestre: Es geht über Brixlegg, Feldkirch, Luzern, Genf, Lyon, Remoulins, Perpignan, Barcelona und Paris nach Straßburg.
Wann ist Zielankunft?
Rafael de Mestre: Am 13. September will ich als Erster in Straßburg ankommen. Es wird verdammt spannend. kb