»Der Panamahut ist für Ecuador so bedeutend wie die Qualitätsuhr für die Schweiz oder der Rolls-Royce für England«, erzählt Marketingexperte Dieter Pickl. Der Panamahut habe, anders als der Name vermuten lässt, nichts mit Panama zu tun, erklärt der 68-Jährige. Sein eigentlicher Name lautet »Sombrero Paja Toquilla« – Hut aus Fächerpalmenstroh. In Europa ist er aber seit über 100 Jahren, seit ihn der frühere US-Präsident Theodore Roosevelt bei der Eröffnung des Panamakanals trug, als Panamahut bekannt.
Interesse an Flechtkunst Ecuadors geweckt
Die Hutflechtkunst Ecuadors weckte in den frühen neunziger Jahren das Interesse des Ehepaars Pickl; Rosemarie Pickl ist Designerin und interessiert sich seit jeher für Flechtarbeiten. Zusammen mit ihrem Mann reiste sie 1998 das erste Mal in das südamerikanische Land. Das Kunsthandwerk war damals fast ausgestorben. Die wenigen, die es noch ausübten, galten als Straßenbettler – denn leben konnten sie nicht von ihrer Flechterei.
In zahlreichen Gesprächen legte das Ehepaar aus Traunstein die Probleme offen: Die Flechter waren zum einen auf Zwischenhändler angewiesen, um an das Stroh zu kommen, zum anderen fehlte ihnen auch das Wissen, den Hut zu rematieren, also ihn abschließend fertigzustellen. »Mit diesen Tricks sicherten sich Zwischenhändler das Monopol«, erklärt Dieter Pickl.
Anfangs reisten die Pickls alle paar Monate nach Ecuador, knüpften zahlreiche Kontakte. Einen riesigen Schritt nach vorne machten die Traunsteiner drei Jahre nach ihrer ersten Reise: Mit Unterstützung einer deutschen Hilfsorganisation finanzierten sie 2001 rund um Montechristi 60 000 Palmen Pflanzen. Zwei Jahre später konnten die Ecuadorianer die ersten Blätter ernten. Nach und nach verbreitete sich das Wissen um die alte Flechtkunst. »Heute gibt es sogar eine Flechtschule«, sagt Dieter Pickl. Die Herstellung eines Montechristi-Huts, dem Rolls-Royce unter den Panamahüten, dauert ungefähr ein Jahr.
»Wir haben den Wert eines Hauses investiert«, gesteht der Traunsteiner. Verdient hätten er und seine Frau nichts. »Wir haben keinen einzigen Hut verkauft«, sagt er. Im Gegenteil. Die Pickls verschenken die teueren Hüte an Prominente – um Werbung für den teuersten Hut der Welt zu machen. Schirmherr ist Schauspieler Fritz Wepper, weitere bekannte Werbeträger sind dessen Bruder Elmar Wepper und Schauspielkollegin Michaela May. Auch der Siegsdorfer Künstler Walter Angerer der Jüngere oder der Traunsteiner Architekt Richard Dietrich unterstützen die Pickls in ihrem Engagement.
Nicht nur für sie, sondern gerade auch für die tiefreligiösen Flechter aus Ecuador sei es ein »absolutes Highlight« gewesen, erzählt Dieter Pickl, dass es ihm gelungen sei, Papst Benedikt XVI. bei seinem Altötting-Besuch im Jahr 2006 einen Montechristi-Hut zu schenken. »Es war das einzige Geschenk, dass der Papst in Altötting angenommen hat«, erzählt Dieter Pickl dankbar.
Flechtkunst ist seit 2012 Weltkulturerbe
Der jahrzehntelange Einsatz hat sich ausgezahlt: Die Hutflechtkunst Ecuadors ist 2012 zum Weltkulturerbe erklärt worden. Die Flechter können wieder von ihrer Kunst leben. »Mehr kann man nicht erreichen«, sagt Dieter Pickl. Er und seine Ehefrau Rosemarie konzentrieren sich inzwischen darauf, in Deutschland Werbung für den Panamahut zu machen, arbeiten unter anderem mit dem großen Münchner Hutgeschäft Breiter zusammen. Und jedes Jahr in der letzten Septemberwoche zeigen sie den teuersten Hut der Welt bei der weltgrößten Hutschau »Mut zum Hut« in Neuburg an der Donau.
Die Reisen nach Ecuador sind inzwischen selten geworden. Die Pickls konzentrieren sich aktuell darauf, ein neues Entwicklungshilfeprojekt in Indien anzustoßen. Dabei geht es um die Kunst, die sogenannten umperlten Perlen – große Perlen, die von kleinen Perlen umflochten sind – herzustellen. »Es ist immer wichtig, nicht als Eintagsfliege zu kommen«, resümiert Dieter Pickl. Wenn jemand den langen Atem hat, der für so ein Projekt nötig ist, dann ist es sicher das Traunsteiner Ehepaar. san