Michael Weber ist der älteste männliche Mitbürger im Landkreis Traunstein, wie aus einer Statistik des Landratsamtes hervorgeht. Demnach gibt es jedoch noch zehn Frauen, die heuer 101 Jahre oder älter wurden bzw. werden; fünf von ihnen blicken auf stolze 103 Lebensjahre zurück.
In Siegsdorf besuchten wir den hochbetagten Mitbürger, der gerade Holzblätter für eine seiner beiden Klarinetten ausprobierte. Spielen kann er die Instrumente allerdings nicht mehr. Dafür fehle ihm, wie er bedauernd sagt, inzwischen die Kraft. Weber hat nach dem Ersten Weltkrieg am Staatskonservatorium in Würzburg Musik studiert. Als Musiker in großen Orchestern spielte er unter anderem am Burgtheater in Wien und in den großen Konzertsälen in Berlin. Stolz erzählt er, dass er allein 14 Jahre in Wien als Soloklarinettist tätig war.
Jäh unterbrochen wurde die Karriere durch den Zweiten Weltkrieg. Als kerngesunder junger Mann kam er bei der Reichswehr zum Musikkorps nach Würzburg; als kranker Mann kam er nach knapp acht Jahren heim. Sechs Jahre Kriegsdienst und anschließend eineinhalb Jahre in einem französischen Gefangenenlager haben Webers Gesundheit ruiniert. Von einem schweren Nervenleiden hat er sich nie mehr richtig erholt. Noch heute hat er nach eigenem Bekunden jede Nacht Albträume, welche die schreckliche Zeit der Gefangenschaft zum Inhalt haben. Nach dem Krieg schulte Michael Weber um und wurde Finanzbeamter in Bad Kissingen. Später lernte er seine Frau, eine gebürtige Traunsteinerin, kennen. Er hat eine Tochter, die in Amerika lebt und einen Sohn in Ruhpolding.
Früher begeisterter Leser unserer Zeitung, kann er nach einem Augeninfarkt seine geliebte tägliche Zeitungslektüre seit einiger Zeit nicht mehr pflegen. Auch die Beine spielen nicht mehr so recht mit und »ich bin sehr vergesslich«, wie er einräumt – kein Wunder in diesem Alter, möchte man entschuldigend anmerken. Hat er ein Rezept, warum er so alt geworden ist?, wollen wir wissen. Er zuckt mit den Achseln: Geraucht habe er nicht; ein Glas Bier oder einen Schoppen Wein habe er immer sehr geschätzt. Heute komme es aber sehr selten vor, dass er noch mal einen Schluck Bier trinke.
Zu seinem 101. Geburtstag am heutigen Freitag werden ihn Verwandte und Vertreter der Gemeinde im Altenheim besuchen und ihm gratulieren. Den guten Wünschen schließt sich auch das Traunsteiner Tagblatt an. -K.O.-