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Jürgen Pieperhoff und Ernst Haider.

Leerstände und Geschäftsaufgaben drohen

Für großen Unmut im Landkreis Traunstein sorgen die Pläne zur Erweiterung der Einzelhandelsflächen im Raum Salzburg. Die Einzelhändler fürchten, dass viel Kaufkraft über die Grenze fließt. Ihre Interessenvertreter schlagen Alarm. Jürgen Pieperhoff, der Geschäftsführer der Stadtmarketing Traunstein GmbH, etwa sagt, dass Umsatzwachstum auf der österreichischen Seite zu Leerständen und Geschäftsaufgaben auf der bayerischen Seite führen würden.


Geplant ist eine Erweiterung der Verkaufsfläche im Europark um 14.000 Quadratmeter von 41.250 auf dann 55.250 Quadratmeter – was unterm Strich bedeutet, dass die Verkaufsfläche im Einkaufszentrum im Stadtteil Taxham um 34 Prozent wächst. Außerdem ist beabsichtigt, das in unmittelbarer Nähe zum Designer Outlet Center in Wals-Siezenheim gelegene, momentan leer stehende Baumax-Areal in ein Fachmarktzentrum mit einer Verkaufsfläche von rund 9000 Quadratmeter umzuwandeln.

Jürgen Pieperhoff kritisiert, dass in der Euregio Stillschweigen herrsche. Bislang sei es üblich gewesen, dass sich die Regionen Salzburg, die Landkreise Berchtesgadener Land und Traunstein innerhalb der Euregio vorab informieren, wenn große, neue Handelsflächen angesiedelt werden sollen. Vom jeweiligen Nachbarn sei dazu dann eine Stellungnahme eingeholt worden. Auch die Stadt Traunstein sei in der Regel um eine Einschätzung gebeten worden. Der Oberbürgermeister habe dann meistens die Stadtmarketing GmbH beauftragt, sie im Namen der Stadt abzugeben. »Nunmehr erfahren die Nachbarn im vorliegenden Fall einer geplanten Erweiterung des Europarks und des Factory-Outlet-Centers in Wals-Siezenheim von den österreichischen Nachbarn gar nichts zu der geplanten deutlichen Ausweitung der dortigen Großflächen.«

Der dem Einzelhandel nach Corona zur Verfügung stehende Markt sei keineswegs gewachsen, im Gegenteil, ein Teil der Handelsumsätze sei ins Internet abgewandert, so Pieperhoff. »Da macht es keinen Sinn, Handelsflächen 'aufzurüsten' und auf Kosten der bayerischen Nachbarn Umsätze zu generieren.«. Und der Geschäftsführer der Stadtmarketing GmbH betont weiter: »Die in Salzburg neu geplanten Verkaufsflächen sind keinesfalls kaufmännisch sinnvoll zu betreiben, wenn man das aus Bayern stammende Umsatzpotenzial herausrechnet.« Umsatzwachstum auf der einen Seite führe zu Leerständen und Geschäftsaufgaben auf der anderen Seite. »Insofern können die betroffenen bayerischen Städte und Gemeinden nur ihre deutlichen Bedenken zu den geplanten Handelsentwicklungen aussprechen und die Entscheidungsträger in Salzburg bitten, diesen Flächenausbau nicht zu genehmigen.« Außerdem sollte es wieder ein gemeinsames Ziel sein, Ansiedlungen von Einzelhandelsgroßflächen grenzüberschreitend im Vorfeld abzustimmen und sich gegenseitig zu informieren, so wie es noch vor einigen Jahren der Fall war.

»Ich denke, auf Traunsteiner Seite sind wir uns kommunalpolitisch weitgehend einig, dass die weitere Ausweisung großflächiger Einzelhandelsprojekte am Stadtrand nicht zielführend ist«, sagt Ernst Haider. Als Kreisvorsitzender des Handeslverbands Bayern (HBE) begrüße er diese Haltung sehr. »Man sieht, dass die Bemühungen um eine lebendige Innenstadt belohnt werden: 380.000 Euro fließen nach Traunstein aus dem Sonderfonds 'Innenstädte beleben' des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr.« Und Ernst Haider weiter: »Gerne zeigen wir uns auch mit dem innerörtlichen Handel auf österreichischer Seite solidarisch. Hier bluten die Zentren weiter aus und die Betroffenheit ist vielleicht nochmals größer als auf deutscher Seite.«

Alles in Allem sei die Ausweisung »ein falsches Signal« auch im Hinblick auf die weitere Verlagerung der Umsätze in den Online-Handel, dem die Corona-Pandemie einen nochmaligen, kräftigen Wachstumsschub versetzt habe. Gerade jetzt sei es wichtig, die Vitalität der Innenstädte zu erhalten. »Auch wenn derzeit viel über die 'Erneuerung' der Innenstädte berichtet und diskutiert wird, bleibt der Handel auch in Zukunft ein wichtiger Faktor zur Belebung.« Nur mit Kultur und Gastronomie alleine werde man die Attraktivität nicht aufrecht erhalten und Abwanderungen nicht kompensieren können.

Im Gewerbeverband Traunstein und Umgebung sind laut Vorsitzendem Thomas Eberl nur wenige Mitglieder, die ein Einzelhandelsgeschäft betreiben. Sie seien zumeist auch Mitglieder im Einzelhandelsverband und/oder in der Werbegemeinschaft »Traunstein erleben«. »Seit vielen Jahren haben wir uns intern darauf verständigt, dass diese beiden Verbände nach außen die Interessen unseres örtlichen Einzelhandels wahrnehmen.« Und weiter betont Eberl: »Sollte aber unsere Unterstützung für gemeinsame Aktionen erforderlich sein, werden wir die genannten Verbände in der Sache natürlich gerne begleiten.«

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Dr. Birgit Seeholzer und Thomas Eberl.

In der vorliegenden Sache meint der Vorsitzende, dass der Gewerbeverband die geplanten Entwicklungen im Einzelhandel Salzburgs als »sehr bedenklich« und »für die Versorgung der Bevölkerung als absolut überflüssig« einstufe. »Für die Zukunft unserer Region erwarten wir im Falle der geplanten Ansiedlung Kaufkraftabflüsse in entsprechender Umsatzgröße.«

Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises Traunstein sehe die geplante Erweiterung im beantragten Umfang als durchaus kritisch für die bestehende Einzelhandelsstruktur im Landkreis Traunstein, so Geschäftsführerin Dr. Birgit Seeholzer. Eine Auswirkung auf den bayerischen Grenzraum sei sicherlich zu erwarten.

Bei einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer Salzburg mit Landesrat Dr. Josef Schwaiger und Referenten der CIMA Oberösterreich sei die Zielsetzung der Salzburger Landesregierung vorgestellt worden, die weitere Verlagerung von Einzelhandelsflächen aus den Zentren heraus zu vermeiden. Der »Praxisleitfaden für aktives Standortmarketing in Orts- und Stadtkernen des Bundeslandes Salzburg« sollte dazu beitragen, die zum Zeitpunkt der Untersuchung 2019 vorhandenen über 100.000 Quadratmeter Leerstandsflächen in Innenbereichen wieder zu aktivieren.

»Grundsätzlich hoffen wir als Wirtschaftsförderungs-GmbH des Landkreises Traunstein, dass gerade in Pandemiezeiten trotz aller Öffnungsperspektiven die Menschen der oberbayerischen Grenzregionen das lokale Einkaufserlebnis im sicheren Umfeld unserer bestens aufgestellten Einzelhandelsgeschäfte besonders zu schätzen wissen«, so Dr. Birgit Seeholzer weiter. Hier gelte es, den örtlichen Einzelhandel zu unterstützen, regionale Qualität und Service wertzuschätzen und die Vernetzungsangebote lokaler Internetplattformen für die Unternehmen zu nutzen. »Als Wirtschaftsförderung bieten wir zudem Schulungsangebote mit den regionalen beruflichen Schulen und den Bildungspartnern des Campus Chiemgau, die alle Einzelhändler fit machen, um sich im Internet mit oder ohne Verkaufsshop gut zu präsentieren.«

»Wir müssen unsere Innenstädte stärken«

Landrat Walch in Traunstein fordert Gegenstrategie – Genaue Beobachtungen in Berchtesgaden

»Für die Salzburger tut es mir leid, dass so großflächiger, neuer Einzelhandel am Stadtrand angelegt wird«, sagt Traunsteins Landrat Siegfried Walch. Denn die Innenstadt verliere dadurch für sie an Attraktivität.

Einmischen will sich der Landrat nicht. »Jeder muss seine eigenen Entscheidungen treffen«, betont er. So wie der Landkreis Traunstein selbst entscheide, die Grundlagen zu schaffen, dass sich produzierendes Gewerbe ansiedelt, so obliege auch Salzburg das Recht, die Weichen selbst zu stellen. Auch die Euregio Salzburg-Berchtesgadener Land-Traunstein eigne sich nicht, um über die Erweiterungen der Verkaufsflächen in Salzburg zu diskutieren.

»Wir müssen eine Gegenstrategie entwickeln«, sagt der Landrat. »Wir müssen unsere Innenstädte stärken.« Walch bewertet das Ansinnen, Einzelhandel großflächig an den Rändern einer Stadt zu schaffen und zu erweitern als »fatal«. Walch: »Diesen Weg gehen wir nicht.«

Angefragt, was er denn zu den Plänen für die Erweiterung der Verkaufsflächen in Salzburg sagt und ob er Beschwerde einlegt, ließ Bernhard Kern, Landrat im Landkreis Berchtesgadener Land, über seine Pressestelle mitteilen: »Die derzeit in Salzburg wieder verstärkt diskutierten Erweiterungspläne werden auch im Berchtesgadener Land genau beobachtet.« Am gestrigen Dienstag sei die Abgabefrist für »Stellungnahmen, die von politischer Seite sehr sorgfältig abgewogen werden müssen«, zu Ende gegangen.

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