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Thomas Frauenlob, seit Herbst Pfarrer in Berchtesgaden, plauderte bei der Pfarrversammlung in Otting über seine Zeit in Rom – über seine Beobachtungen, Erlebnisse und Einschätzungen zum alten und zum neuen Papst. (Foto: H. Eder)

»Joseph Ratzinger hat viel für die Kirche geleistet«

Waging am See. Die vergangenen sieben Jahre hat Monsignore Thomas Frauenlob im Campo Santo in Rom am Kolleg für deutsche Priester im Vatikan gelebt und an der päpstlichen Bildungskongregation gearbeitet. Seit Herbst vergangenen Jahres ist er Pfarrer in Berchtesgaden. Nun erzählte er in der Pfarrversammlung in Otting von seiner »aufregenden Zeit« in Rom, »die Zeit des bayerischen Papstes« eben.


Rücktritt hat alle überrascht

Der Rücktritt von Papst Benedikt am 28. Februar 2013 habe alle überrascht – selbst sein engeres Umfeld. Kaum jemand habe mit dieser neuen, eigentlich nicht vorgesehenen Situation eines Papst-Rücktritts zunächst etwas anfangen können, schilderte Frauenlob die damalige Verwirrung im Umfeld der Kurie. Eine solche Entscheidung aber – nämlich, dass Papst Benedikt nach reiflicher Prüfung habe feststellen müssen, dass er wohl geistig und körperlich nicht mehr in der Lage ist, sein Amt in einer schwierigen Zeit zu führen, sei typisch für den von Haus aus sehr vernunftgesteuerten Papst Benedikt gewesen, sagte Frauenlob. Denn jedes Wort, das er gesprochen habe, sei auf die Goldwaage gelegt worden, Massen von Journalisten hätten in seine Aussagen alles Mögliche hinein interpretiert. Dies habe den Papst wohl auch persönlich immer wieder erschüttert.

Den Vorwurf, Papst Benedikt hätte nicht wirklich regiert, er sei nur ein Schöngeist gewesen, der schöne Reden hielt, wies Frauenlob deutlich zurück. Sicherlich sei er in der Öffentlichkeit in schwerster Kritik gestanden, geplagt vom Missbrauchs-Skandal, von der Affäre Williamson, aber auch durch Ungeschicklichkeiten seiner Mitarbeiter. Aber der Papst habe durchaus sehr massiv in diese Angelegenheiten eingegriffen, erläuterte Frauenlob anhand zweier Beispiele. Schon als Kardinal habe er die Sprengkraft der Missbrauchsaffäre erkannt und als Papst die Null-Toleranz-Politik durchgezogen. Nicht weniger als 460 Priester sowie 85 Bischöfe und Kardinäle habe er in dieser schwierigen Zeit suspendiert beziehungsweise zum Rücktritt gedrängt. Und der Papst habe noch kurz vor seinem Rücktritt 125 neue Bischöfe ernannt. Auch zum neuen Papst, den Thomas Frauenlob in dessen ersten Monaten noch in Rom erlebt hatte, konnte der neue Pfarrer von Berchtesgaden einiges berichten. Papst Franziskus sei seit langer Zeit wieder der erste Papst, der früher wirklich auch als Pfarrer tätig war. Seine Schlichtheit, so Frauenlob, sei nicht aufgesetzt, damit beeindrucke er alle. Er habe es geschafft, wieder viel Vertrauen zu gewinnen, das der Kirche in der Vergangenheit verloren gegangen sei. Frauenlob sieht den neuen Papst als eine Chance und ein Geschenk für die Kirche. Man solle dankbar sein, dass der Papst in der Welt so wohlwollend und begeistert aufgenommen worden sei.

Umkomplizierter Umgang zwischen den Päpsten

Abschließend stellte Frauenlob fest, dass sich Papst Benedikt wider Erwarten nicht völlig zurückgezogen habe. Vielmehr pflege er mit dem neuen Papst einen guten und unkomplizierten Umgang, dieser profitiere von der langen Erfahrung seines Vorgängers und sehe in ihm einen verlässlichen Partner. Dieses Miteinander des »Alt-Papstes« mit seinem Nachfolger sei fast ein Idealfall. Der frühere Papst fühle sich in seiner kleinen Hausgemeinschaft in einem Kloster sehr wohl, berichtete Frauenlob. Er sei guter Dinge und habe sich gut erholt. Zwar sei er mit seinen 87 Jahren schon etwas gebrechlich, geistig jedoch noch völlig fit. »Ich glaube, er genießt seinen Ruhestand«, meinte Frauenlob, »und den darf man ihm auch gönnen«. Denn Joseph Ratzinger habe in seinem Leben viel für die Kirche geleistet. he

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