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Inseln der Ruhe und der inneren Einkehr

Der Advent spielt sich für immer mehr Menschen zwischen Back-Marathon und Einkaufs-Wahnsinn ab. Dabei ist jetzt die »stade« Zeit, in der wir uns auf das Fest der Geburt Jesu vorbereiten sollen. Früher haben allerlei Bräuche die Menschen auf den Heiligen Abend hingeführt. Einige davon sind noch lebendig, andere fast vergessen. Brauchtumskenner Siegi Götze aus Marquartstein erinnert in der Adventsserie des Traunsteiner Tagblatts an die vielfältigen Weihnachtsbräuche und ihre Ursprünge. Heute: das Alpenländische Adventssingen.


Diese Veranstaltungsart, gleich ob in sakralen oder profanen Räumen, ist aus der Adventszeit nicht mehr wegzudenken. Man ist versucht, ein Alpenländisches Adventssingen zumindest in unseren Breitengraden für einen ganz alten Brauch zu halten. Dem ist aber nicht so. Ganze 70 Jahre sind sie heuer alt geworden, diese Alpenländischen Adventssingen.

1946 war es, als der »Volksliedvater« Kiem Pauli Sänger und Musikanten in die zerbombte Münchner Residenz einlud. Er wollte den Menschen in der Landeshauptstadt und weit darüber hinaus wieder etwas Lebensfreude und Lebensmut geben, damit sie an ihrem schlimmen Alltag nach dem Krieg nicht verzweifeln. Die Not schaute noch aus jeder Ritze, vielen fehlte noch das Allernotwendigste zu einem einigermaßen lebenswerten Leben.

In Salzburg tat Tobi Reiser der Ältere mit einem ersten Adventssingen in einem Gewerkschaftshaus das Gleiche. Damit war der Grundstein gelegt für das heute weltberühmte »Salzburger Adventsingen«, das Jahr für Jahr vor Abertausenden von Zuhörern im Salzburger Festspielhaus und in der Aula der Universität Salzburg in Szene gesetzt wird. Menschen aus aller Welt kommen in der Adventszeit extra deswegen nach Salzburg.

»Wössner Adventsingen« nahm besonderen Platz ein

Bei uns in Bayern und auch im Chiemgau verlief das Ganze etwas ruhiger und nicht so aufwändig, aber auch hier gab und gibt es mittlerweile flächendeckend diese Alpenländischen Adventssingen, in der Stadt wie auch auf dem Land. Einen besonderen Platz nahm dabei in der jüngeren Vergangenheit der Ort Unterwössen ein. Dessen damaliger Pfarrer, Monsignore Franz Niegel, sorgte in Zusammenarbeit mit Annette Thoma, dem Fanderl-Wastl, Tobi Reiser sen. und jun. und vielen anderen dafür, dass das »Wössner Adventsingen« zum Inbegriff für ein Adventssingen altbayerischer Art wurde.

Einen nicht geringen Anteil daran hatte auch der inzwischen im Ruhestand befindliche, langjährige Chorregent Jochen Langer. Die Fischbachauer Sängerinnen, die Roaner Sängerinnen, die Riederinger Sänger, die Inntaler Sänger, die Berchtesgadener Soatnmusi, die Walchschmid Sänger aber auch die Geschwister Oberhöller und der Anreiter Dreigesang aus Südtirol seien hier stellvertretend für die vielen weiteren Gesangs- und Musikgruppen genannt, die dem Alpenländischen Adventssingen weit über Bayern und Deutschland hinaus Glanz und Ausstrahlung verliehen haben.

Wie selbstverständlich war dieses Geschehen auch im Radio und Fernsehen zu sehen, und das ist bis heute so. Wegweiser in Sachen geistlichen Volkslieds wie zum Beispiel Annette Thoma und auch Wastl Fanderl gaben den Akteuren und Veranstaltern behutsam gestaltete Anleitungen an die Hand, nach denen man sich zumindest, was den Kirchenraum betraf, richten konnte, um in erster Linie dem biblischen Geschehen als Kernaussage nahe zu kommen.

Der eigentliche Wesensgehalt

Der Reihenfolge nach waren und sind das die Prophezeihungen des Alten Testaments, der Verkündigung des Engels an Maria, der Gang Marias übers Gebirge zu Elisabeth und nachfolgend die Herbergssuche von Maria und Josef in Bethlehem. Das ist ja der eigentliche Wesensgehalt des Alpenländischen Adventssingens. Je näher der Veranstaltungstermin dann an Weihnachten war, spielte schließlich auch schon das kommende Geschehen im Stall zu Bethlehem thematisch eine Rolle einschließlich eines kleinen Hirtenspiels.

Eine Sonderform hat sich mit der großen Stallweihnacht der Reichenhaller Gebirgsjäger im Laufe der Jahre herausgebildet und viele Menschen in ihren Bann gezogen. Es gibt aber mancherorts auch noch kleinere, fast privat anmutende Stallweihnachten, die ihre Besucher nicht minder erfreuen. Es würde sicher den Rahmen dieser Abhandlung sprengen, wollte man all die großen und kleinen Adventssingen in Bayern nennen, die trotz des hektischen und geschäftigen Treibens in den Wochen vor Weihnachten stattfinden und die im wahrsten Sinne des Wortes nur eines sein wollen: Inseln der Ruhe und der inneren Einkehr. fb

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