Beim Besuch in der Erstaufnahmeeinrichtung wird schnell klar, wie froh die Flüchtlinge sind, hier zu sein. »Die Anlage ist wirklich perfekt«, sagt Cornelia Stahr, die eigentlich die Bayerkaserne in München leitet und jetzt auch für die Asylbewerber in Siegsdorf zuständig ist. Sie ist seit dem Beschluss, dass in Hörgering Asylbewerber untergebracht werden, ununterbrochen im Einsatz. Seit Samstag ist sie vor Ort und koordiniert die Arbeiten in der Ferienanlage.
Vier bis sechs Personen pro Bungalow
Untergebracht sind die 200 Asylbewerber, darunter auch rund 20 Kinder, in den kleinen Bungalows der ehemaligen Ferienanlage. Meist sind sie zu viert oder zu sechst in einem der Appartements. »Wir achten darauf, dass Familien zusammen sind. Einzelpersonen werden dann so aufgeteilt, dass immer eine Nationalität ein Appartement hat«, so Stahr weiter.
Während sie gerade über die aktuelle Lage in der Einrichtung berichtet, kommt der letzte Bus in Hörgering an und bringt noch einmal rund 40 Asylbewerber, darunter eine Familie mit zwei kleinen Kindern und eine Schwangere. Nach der Registrierung geht es für sie als erstes in den großen Gemeinschaftsraum, wo für Verpflegung gesorgt ist. Dort gibt es dreimal täglich Mahlzeiten, zum Beispiel Hühnerfrikassee mit Kräuterspätzle oder Salat. Zudem stehen den ganzen Tag über Getränke wie Wasser, Tee und Kaffee auf den Tischen.
»Auf der Reise habe ich mein Gepäck verloren«
Ein 35 Jahre alter Syrer, der gerade mit dem Essen fertig ist, erzählt unserer Zeitung, dass er den Deutschen sehr dankbar ist, weil sie Flüchtlinge aufnehmen. Seinen Namen möchte er nicht nennen, aus Angst, dass seiner Familie etwas passieren könnte. Denn er hat seine Frau und seine beiden Kinder in Syrien zurück lassen müssen, um in Deutschland die Voraussetzungen für ein besseres Leben zu schaffen. Die Familie soll dann nachkommen.
»Auf der Reise habe ich mein Gepäck verloren. Ich habe nichts, außer den Sachen, die ich anhabe«, so der 35-Jährige. Wichtig ist ihm jetzt, »näher an die Deutschen heranzukommen«. Dazu gehört für ihn auch, »die Sprache zu lernen, denn wenn man die nicht kann, funktioniert gar nichts«. Und er möchte wissen, wie der Alltag abläuft und am liebsten eine Arbeitsstelle finden. »Ich bin nicht gekommen, um Geld zu bekommen, ich möchte arbeiten«.
Aber auch eine große Ungewissheit gibt es unter den Asylbewerbern: Viele wissen nicht, wie es in den nächsten Wochen weitergehen wird. »Wenn wir jemanden fragen, wo wir hinkommen, bekommen wir immer nur zu hören: Keine Ahnung«, berichtet der Syrer. Auch kann er sich nicht über die Geschehnisse in seiner Heimat informieren, denn in den Bungalows gibt es keinen Fernseher. Als erstes will sich der 35-Jährige jetzt aber um neue Kleidung kümmern, »vor allem einen Schlafanzug hätte ich sehr gerne.«
Für die Ausgabe von Kleidung und Gegenständen des alltäglichen Bedarfs wie Hygieneartikel, Babysachen oder Babynahrung sind die Einsatzkräfte des Malteser Hilfsdienstes zuständig. »Wir sind hier alle ehrenamtlich«, berichtet Josef Sailer, der die Koordination der Malteser im Ferienpark übernommen hat. Er selbst wurde von seiner Arbeitgeberin freigestellt, damit er in Hörgering helfen kann.
Auch für medizinische Versorgung ist gesorgt: Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) hat sich in einem der Bungalows eine kleine Praxis eingerichtet, »in der wir kleinere Sachen wie zum Beispiel Nasenbluten sofort behandeln können. Aber auch für größere Einsätze wie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall sind wir gerüstet«, erzählt Paul Thullner vom BRK Siegsdorf.
Bürgermeister wurde am Freitagabend informiert
Neben den Maltesern und dem BRK, die sehr kurzfristig reagieren mussten, wurde auch Bürgermeister Thomas Kamm von der Nachricht überrascht. Er erhielt einen telefonischen Hilferuf von der Regierung von Oberbayern am Freitag um kurz vor 19 Uhr, »ob wir bereit wären, vorübergehend Flüchtlinge aufzunehmen«. Um den Gemeinderat informieren zu können, habe er sich Bedenkzeit bis Samstag um 10 Uhr erbeten, bis auf zwei Gemeinderäte, die im Ausland waren, habe er auch alle erreicht.
Die Stimmung unter den Gemeinderäten sei »stark divergent« gewesen, besonders sei ein starkes Misstrauen spürbar gewesen, dass es sich wirklich nur um eine kurzzeitige Lösung handle. »Aber die humanitäre Pflicht, da einzugreifen, war bei allen spürbar.« So habe er am Samstag um 11 Uhr die Regierung informiert, »dass es ein 'Go' gibt«.
Erleichtert zeigt sich Kamm gegenüber dem Traunsteiner Tagblatt, dass die Stimmung am Ort absolut ruhig sei. Er habe keinerlei Anlass anzunehmen, dass sich das noch ändern werde. Als er am Sonntag die Information in den Gottesdiensten in Siegsdorf und Eisenärzt bekannt gegeben habe, habe es sogar spontanen Applaus gegeben – »die Stimmen, die ich danach gehört habe, waren vor allem froh darüber, dass wir überhaupt informiert haben, dass wir so schnell informiert haben, aber auch, dass wir das überhaupt machen«.
Verständnis für die verzweifelte Lage der Flüchtlinge habe er überall gespürt. Für Unverständnis habe eher gesorgt, dass man nicht mehr Kasernen für die Flüchtlinge öffnet. Aber, so Kamm, die Einrichtung in München sei am Donnerstag und Freitag binnen 48 Stunden von 800 Flüchtlingen regelrecht überrollt worden. »Die Leute, die bei uns ankamen, waren völlig mit der Welt am Ende. Teilweise hatten sie nichts bei sich als das, was sie am Körper hatten, und vielleicht noch eine Plastiktüte mit den wichtigsten Habseligkeiten.« Da sei es ein großes Glück, dass sie im Bayernpark auf eine völlig intakte Infrastruktur getroffen seien, die durch die Appartements sogar Raum für Intimsphäre biete, um erst einmal zur Ruhe kommen zu können. Nachteil sei freilich die Entfernung nach München, wo der bürokratische Teil der Aufnahme erledigt werden müsse.
Ein dickes Lob zollte Kamm ausdrücklich den Helfern von Rotem Kreuz und Malteser Hilfsdienst. »Das läuft absolut professionell ab.« jar/coho