Besonders betroffen sind die Brieftaubenzüchter. Das gilt in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land ebenso wie im ganzen Bundesgebiet. Wer seine Tauben tagsüber fliegen lässt, der muss damit rechnen, dass nicht alle von ihnen in den heimischen Schlag zurückkehren, sondern Opfer von Wanderfalken und Sperbern werden.
Jakob Stockhammer aus Weibhausen weiß sich ebenso wie viele andere Brieftaubenzüchter nicht anders zu helfen, als seine Tauben zu bestimmten Zeiten im Schlag einzusperren. »Von Oktober bis Februar kann ich sie gar nicht mehr rauslassen«, klagt er. Stockhammer kennt die Jagdzeiten von Wanderfalke, Habicht und Sperberweibchen. Zur rechten Zeit gelingt es ihm, mit einer Signalpistole, die jagenden Greifvögel abzulenken. Dennoch schlagen sie bis zu drei seiner Tauben pro Woche. Vor 20 Jahren, so Stockhammer, hätten sich die Verluste noch in Grenzen gehalten; heute müsse man ernsthaft überlegen, ob es noch einen Sinn ergebe, das Hobby der Brieftaubenzucht zu betreiben.
In Seebruck ist es besonders schlimm
Ähnlich sieht es auch Josef Kaiser sen. aus Höpperding bei Traunstein, – und das, obwohl die Verluste in seinem Taubenschlag nicht ganz so groß sind: Dem Rettungshubschrauber Christoph 14 sei's gedankt. Dessen Lärm mögen die Wanderfalken nicht und haben das Umfeld des Traunsteiner Klinikums, in dem Kaisers Taubenschlag steht, nicht als bevorzugtes Jagdgebiet. »Aber in Seebruck zum Beispiel ist es besonders schlimm«, weiß Kaiser von einem Züchterkollegen.
»Die Vogelschützer haben ja oft keine Ahnung«, kritisiert Kaiser. Als er bei der Aktion Singvogelzählung des Landesbundes für Vogelschutz im Naturschutzpavillon in Übersee angerufen habe, da wurde ihm erzählt, die Wanderfalken seien für die Landwirte ein Segen, weil sie die Mäuseplage im Zaum halten. Tatsache ist aber, dass Wanderfalken ausschließlich in der Luft jagen, weiß nicht nur Kaiser. Und da Mäuse in der Regel nicht fliegen könnnen...
Außerdem habe man ihm gesagt, der Falke würde nur kranke Tauben jagen. Kaiser: »Als wenn eine kranke Taube ihren Schlag verlassen würde!«
Der Vorsitzende der Kreisgruppe Traunstein im Landesjagdverband, Sepp Haiker, betont, aus jagdlicher Sicht gehören die Greifvögel zur Natur. Der Bussard zum Beispiel sei ausgesprochen nützlich, weil er bevorzugt Mäuse jagt.
Die Jagdtaktik der Falken hat Jakob Stockhammer immer wieder beobachtet: Sie treiben den Taubenschwarm in die Höhe, bis man die Vögel mit bloßem Auge kaum noch erkennen kann. Meist verlässt dann eine Taube in Panik den kleinen Schwarm und wird leichte Beute des Greifvogels, der bis zu 300 Stundenkilometer schnell auf seine Beute herabstürzt. Da hat die Taube, die in Panik bis zu 150 Stundenkilometer schnell fliegen kann, keine Chance.
Angesichts der Verluste wegen der hohen Zahl an Greifvögeln verwundert es nicht, dass das Hobby Brieftaubenzucht kaum noch Nachwuchs findet. Dabei übte es noch vor 100 Jahren eine große Faszination aus. Zu Zeiten, als es noch kein Telefon und keine Datenautobahnen, sondern nur reitende Boten und Postkutschen gab, war die Brieftaube das schnellste Transportmittel für Nachrichten.
Brieftaubensport hat Ursprünge im 19. Jahrhundert
Um eine Botschaft zu überbringen, muss eine Brieftaube von ihrem Heimatschlag an den Abflugort gebracht werden, wo sie bis zu ihrem Einsatz festgesetzt wird. Die Nachricht wird auf einem Zettel in einem Behälter am Fuß oder Rücken der Taube befestigt. Dann fliegt sie auf direktem Weg zu ihrem Heimatschlag zurück, wo man die von ihr mitgebrachte Botschaft in Empfang nehmen kann.
Der Brieftaubensport begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Ruhrgebiet. Tauben wurden damals als die Rennpferde des kleinen Mannes bezeichnet und es gab Tausende Züchter in Dutzenden Vereinen. Heute sind es fast nur noch ältere Menschen, die diesem Hobby frönen. Und nicht zuletzt angesichts der Greifvogelproblematik wird auch deren Zahl zurückgehen. -K.O.-