Dass sich die Lebenswege der beiden Jubilare im Frühjahr 1942 bei einem Fliegeralarm in einem D-Zug kurz vor Schweinfurt kreuzten, grenzt nahezu an ein Wunder. Als der Zug zum Stehen kam, begegneten sich die Beiden an einem Fenster auf dem Gang. Die 18-jährige Lisbeth Klein aus Stützerbach in Thüringen war damals Arbeitsmaid am Bodensee und der 21-jährige Gerhard Cichon aus Hindenburg in Oberschlesien war als Gefreiter bei der Sturmgeschützabteilung in Schweinfurt stationiert. Nach der »folgenschweren« Begegnung folgten Briefe und Wochenendbesuche.
Da seinerzeit Ehefrauen vom Kriegsdienst befreit wurden und Lisbeth den Dienstbefehl für den Einsatz bei der Luftwaffe bekommen hatte, wurde am 7. November 1942 kurzerhand geheiratet. Den Frischvermählten waren nur drei Tage Heiratsurlaub, ein paar zusätzliche Marken für Lebensmittel und das Hitler-Buch »Mein Kampf« vergönnt.
Einen Monat vor Kriegsende, im April 1945, kam Gerhard Cichon schwer verwundet in russische Kriegsgefangenschaft. Anderthalb Jahre, bis zur Entlassung aus der Gefangenschaft im Dezember 1946, hörten die Eheleute dann nichts mehr voneinander. Als sich beide in Lisbeths Heimat im thüringischen Stützerbach niederlassen wollten, wurde Gerhard vom kommunistischen Bürgermeister als »Kriegsverbrecher« die Aufnahme verweigert.
Schließlich zogen beide zu Lisbeths Schwester nach Übersee am Chiemsee, wo sie im Januar 1947 endlich eine neue Heimat fanden.
Neben Beruf und Familie waren die beiden ihr Leben lang äußerst aktiv. Während Lisbeth ehrenamtlich in den 1950er Jahren beim Verkehrsverein und in den 1960er Jahren Übungsleiterin beim TSV Übersee war, leitete Gerhard als Vorsitzender 40 Jahre den Fischereiverein und sieben Jahre den TSV und war zudem als Gemeinderat tätig. Das Skifahren gehörte zu den liebsten Freizeitaktivitäten der Beiden.
Gerhard ist trotz seiner Körperbehinderung noch heute mit 91 Jahren Geschäftsführer seiner 1953 gegründeten Firma »Cichon & Gersten KG«, und Lisbeth versorgt mit ihren 88 Jahren den Haushalt. Nicht nehmen lassen sich die Beiden ihre tägliche Gemeinschaftsstunde mit Backgammon und anderen Spielen. Für die Zukunft wünschen sich die beiden aber nur eines: ganz viel Gesundheit. bvd