Durch einen Anruf in seinem Vorzimmer sei er am vergangenen Freitag von Rosenheimer Seite über das Scheitern der geplanten Fusion informiert worden. Er selber war zu diesem Zeitpunkt in einer Besprechung mit seinen Abteilungsleitern. Er könne ja zurückrufen, habe man ihm ausrichten lassen. Das habe er dann auch getan – ohne aber im Gespräch mit seinem Rosenheimer Amtskollegen Wolfgang Berthaler noch wirklich etwas ausrichten zu können.
Der Knackpunkt: Die Rosenheimer konnten letztlich nicht hinnehmen, dass der jetzige Geschäftsführer von Chiemgau-Tourismus, Stephan Semmelmayr, den neuen Tourismusverband für die Kreise Traunstein und Rosenheim leiten soll. Nichts Handfestes, so Walch, hätten die Rosenheimer gegen Semmelmayr vorbringen können, aber immer wieder damit angefangen, dass sie gehört hätten, dass er »so und so sein soll«, beispielsweise arrogant. Die Rosenheimer Seite, so präzisierte der Landrat, hätte Semmelmayr persönliche Schwächen vorgeworfen, ohne sich persönlich ein Bild von ihm gemacht zu haben. Walch selber sprang dagegen gestern für Semmelmayr in die Bresche: »Er führt unseren Verband jetzt seit drei Jahren mit einer Geschlossenheit, die wir vorher so noch nie hatten.«
Eineinhalb Jahre lang haben die Landkreise Traunstein und Rosenheim jetzt intensiv um eine Zusammenlegung ihrer beiden Tourismusverbände gerungen. Der Traunsteiner Landrat Siegfried Walch sprach bei der gestrigen Pressekonferenz erstaunlich offen über die einzelnen Etappen, ließ unter anderem ein im März 2015 erstelltes Eckpunktepapier an die Journalisten verteilen.
Sensible Punkte vorab geklärt
Da ihm und seinem Rosenheimer Amtskollegen Berthaler von Anfang an klar gewesen sei, dass es sensible Punkte gebe, habe man gleich vorneweg versucht, für diese eine Lösung zu finden. Dabei ging es vor allem um den Sitz des neuen Verbands, den Geschäftsführerposten sowie die Finanzierung. Weil Semmelmayr als studierter Betriebswirt und mit viel Führungserfahrung im Tourismus – unter anderem in Marktl und Flachau – aufwarten könne, sei es auf der Hand gelegen, ihn für den Geschäftsführerposten vorzusehen, so Walch.
Er selber habe darum einem Sitz des Verbands im Hatzhof in der Rosenheimer Gemeinde Bernau sowie einer gegenüber seinen Wünschen geringeren finanziellen Ausstattung des neuen Verbands zugestimmt; 1,25 Millionen Euro hätten beide Landkreise pro Jahr zahlen sollen.
Erst nachdem in dem Eckpunktepapier vom März 2015 alles noch einmal festgezurrt worden war, seien plötzlich Bedenken gegenüber Semmelmayr laut geworden. Im August 2015 hätten die Rosenheimer darum das erste Mal einseitig die Fusionsgespräche aufgekündigt. »Wir haben dann nochmal die Hand ausgestreckt und bei einzelnen kleinen Punkten nachgegeben«, erinnerte sich Walch. An Semmelmayr als neuen Geschäftsführer habe er aber ganz klar festgehalten.
Als dann die Gespräche wieder angelaufen seien, habe man sich dazu entschieden ein Fachgremium einzurichten, das die Fusion weiter vorantreiben sollte. Drei Bürgermeister aus dem Kreis Traunstein – Benno Graf aus Chieming, Claus Pichler aus Ruhpolding und Konrad Schupfner aus Tittmoning – sowie Landratsamtsjuristin Alexandra Wolf hätten dem Gremium von Traunsteiner Seite angehört. Es habe sich schnell herausgestellt, so Walch, dass das Meiste im Bezug auf eine Fusion schon geregelt sei.
Noch vor fünf Wochen gab es positive Beschlüsse
Bei einem Treffen am 20. Januar habe es zwar immer noch Vorbehalte gegenüber Semmelmayr gegeben, dennoch habe man einstimmig beschlossen, dass Jens Hornung von Chiemgau-Tourismus schon jetzt damit beginnen soll, eine Marketingstrategie für den neuen Tourismusverband zu erarbeiten; seine Lohnkosten wollten sich die beiden Verbände darum fortan teilen. Weiter beschlossen die Landräte und die Mitglieder des Fachgremiums, die Fusion am 1. Januar 2018 zu vollziehen. Semmelmayr sollte als Geschäftsführer einen befristeten Vertrag bis Ende 2020 erhalten. Das Jahr 2017 sollte ein Jahr des Zusammenwachsens sein.
Seit diesen positiven Beschlüssen gab es laut Walch keine Gespräche mehr – bis zu dem Anruf am vergangenen Freitag, der demnach für den Landrat wie aus heiterem Himmel kam. »Es ist jetzt das zweite Mal, dass Rosenheim einseitig die Gespräche aufkündigt«, resümierte Walch gestern. So ein Vorgehen, das räumte der Landrat ein, sei »keine gute Voraussetzung, um weitere Gespräche aufzunehmen«. Dennoch machte er unmissverständlich klar: »Meine Hand bleibt weiter ausgestreckt.« Er bleibe verhandlungsbereit, unterstrich Walch. »Aber jetzt muss Rosenheim den Ball aufnehmen.«
Noch einmal betonte der Traunsteiner Landrat gestern, was ein gemeinsamer Tourismusverband für die Region bedeuten würde. »Es ist nicht einfach dem Gast zu erklären, dass es am Chiemsee zwei Verbände gibt«, sagte er. Und ein gemeinsamer Verband hätte eine ganz andere Schlagkraft. »Wir würden dann in einer ganz anderen Liga spielen. Das wäre für beide Verbände eine große Chance.« san